Nach einer ordentlichen Standpauke wurde er durch Tür und Tor hinausgejagt. Seitdem das Geld, das sein Vater auf der hohen Kannte hatte liegen lassen, flöten gegangen war, hing der Haussegen schief. Fast jeder versteht eine Schilderung wie diese. Doch kaum jemand weiß um den eigentlichen Ursprung der Begriffe, die wir so oft in Redewendungen benutzen.
Anders Eduard Fleischmann. Am Welttag der Gästeführer lotste er eine Gruppe Entdecker auf den Spuren des "sprichwörtlichen Bamberg" quer durch die Zeit. Trotz des Schnees und der niedrigen Temperaturen versammelten sich am Samstag Morgen rund 15 Freizeitforscher vor dem Gebäude der Tourist Information in der Geyerswörthstraße. "Als ehemaliger Germanist bin ich natürlich besonders an Sprache interessiert", beginnt Fleischmann.
Deswegen habe es ihn schon immer begeistert alten Sprichwörtern und Wendungen nach zu jagen. Ob modernen oder sehr alten Ursprungs spielt für ihn dabei keine Rolle: "Wissen sie eigentlich woher der Begriff 'Die Arschkarte ziehen kommt?", fragt er in die Runde. "Nein? Das ist eine sehr moderne Wendung und kommt aus dem Fußball! Damals, als es noch kein Farbfernsehen gab, hatte der Schiedsrichter die gelbe Karte immer in der Brust- und die rote immer in der Hosentasche. Wenn er also nach hinten zu seiner Hose griff, wusste man immer, dass er die rote zieht", erklärt Fleischmann den interessierten Zuhörern.
Schritt für Schritt geht er weiter in der Vergangenheit zurück. An der nächsten Station, dem Treidelpfad, entführt Fleischmann seine Zuhörer ins Mittelalter: "Damals war der Pfad hier noch nicht da. An seiner Stelle gab es Wasserwerkstätten. Meistens Gerbereien". Die Felle mussten oft mehrere Tage lang von Fleischresten gesäubert werden und wurden zu diesem Zweck in einem Bündel verschnürt und in den Fluss gehängt. Löste sich einmal eines dieser Bündel und wurde weggespült, ging es also fließen. Heute sprechen wir daher über Menschen oder Dinge, die "Flöten gegangen" sind. Während des weiteren Weges stellen die Teilnehmer auch eigene Fragen und bringen so in Erfahrung, dass das Sprichwort "Geld stinkt nicht" auf die Vitrinensteuer des römischen Kaisers Vespasian zurückzuführen ist, oder dass "auf keine Kuhhaut" gehen durchaus wörtlich verstanden werden könne, da man früher auf Tierhäute geschrieben habe.
Am Rathaus Geyerswörth macht Fleischmann an dem großen und kleinen Torbogen deutlich, dass das Sprichwort "durch Tür und Tor" von ebensolchen Bögen kommt, von denen eines nur für Fuhrkarren, das zweite nur für Menschen geöffnet wurde. Aber auch das Wappenschild über den Toren dient als Anregung: "Sie wüssten jetzt gerne, was ich im Schilde führe, oder?", fragt Fleischmann. Eben dieses Sprichwort geht auf die Wappen zurück, anhand derer man im Feld erkennen konnte wer Freund und wer Feind war.
Kaum dreht er sich um, stößt er schon auf den nächsten Ursprung eines Sprichworts: Die Mühlen. So sprächen wir häufig davon, dass jemand etwas "abgestaubt" habe. Seinen Ursprung habe diese Wendung in den Getreidelieferungen der Bauern, deren Gewicht wesentlich größer war als der des fertigen Mehls. Die Müller sagten, es sei etwas "weg gestaubt" worden. Auf dem Weg zum Domberg erfahren die Teilnehmer, dass das "böse Blut" auf das zur Ader lassen im Mittelalter zurückginge und man heute deshalb "alles über einen Kamm scheren" könne, weil die Ärzte im Mittelalter alle Behandlungen mit denselben, ungesäuberten Instrumenten durchführten.
Am Dom angekommen weiß er auch von kirchlichen Ursprüngen verschiedener Wendungen: "Haben sie schon einmal mitbekommen, wenn ein besonders eifriger Pfarrer während der Predigt auf die Kanzel klopft? Von dort oben wurde man auch früher schon abgekanzelt und wenn dann die Schläge dazu kamen war die Standpauke geboren".
Doch auch der Dom selbst bietet ein Beispiel. An der Adamspforte kann man einen Stein sehen, der unter die Statue von Eva gemeißelt ist. Den "Schandstein". Auch hier weiß Fleischmann: "Früher musste sich eine Frau bei Ehebruch öffentlich auf so einem Stein, der meist mit Stoh bedeckt war, zur Schau stellen. Daher sprechen wir heute auch von 'Stroh dumm'". Auch aus dem Strafenkatalog geboren sei das "Schlitzohr". Ihm wurde der Zunftring vom Ohr gerissen.
Der Schutzpatron der Stadt Bamberg Sankt Georg bietet die nächste Inspiration: "Wie er waren die Ritter immer dann hieb und stichfest, wenn sie ihre gepanzerte Rüstung trugen". Die Führung nähert sich dem Ende. Vereinzelt hört man den Wunsch nach Wärme der durchgefrorenen Entdecker. Doch eines darf zum Abschluss nicht fehlen: Das Bier. Als man noch nicht wusste, welche Sporen den Gärvorgang hervorrufen lies man das Gebräu einfach solange stehen, bis es anfing zu gären. Dadurch konnten aber auch hohe Einbußen entstehen: "Wenn allerdings einmal falsche Sporen hineingerieten, konnte das alles verderben. Und dann war eben Hopfen und Malz verloren."