Peter Heyer und der lange Weg zurück

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Das Comeback der Herzen: Nach mehr als vier Jahren Zwangspause stand Peter Heyer (Mitte) wieder auf dem Feld und nahm mit der Traditionsmannschaft des FC Eintracht am 2. Domreiter-Cup teil.sportpress
Das Comeback der Herzen: Nach mehr als vier Jahren Zwangspause stand Peter Heyer (Mitte) wieder auf dem Feld und nahm mit der Traditionsmannschaft des FC Eintracht am 2. Domreiter-Cup teil.sportpress

Nach einer Verletzung war unklar, ob Peter Heyer wieder vernünftig laufen kann. Vier Jahre später kehrt er auf den Platz zurück. Doch vieles ist anders.

Die kleine Lotti ist mit ihren dreieinhalb Jahren noch zu jung, um zu verstehen, was ihr Papi da unten leistet: Mit Brüderchen Piet (2) wackelt sie auf der Tribüne der Georgendammhalle umher, dann entdeckt sie ihn und zeigt in Richtung des Spielfelds: Dort, im schwarzen Trikot, das ist er, Peter Heyer, ihr Papi. Zum ersten Mal sieht sie ihn in einer Mannschaft spielen. Es findet gerade der 2. Domreiter-Cup statt, Peter Heyer nimmt mit ehemaligen Mitspielern in einer Traditionsmannschaft des FC Eintracht teil. Das Team wird Vierter, Peter Heyer schießt das ein oder andere Tor, so wie früher.

Aber darum geht es an diesem Tag gar nicht. Dass er überhaupt wieder ein Trikot überstreift und an einem Spiel teilnimmt, war lange Zeit undenkbar. Dass er es doch wieder kann, macht diesen Tag so besonders. Und Lotti kommt bei all dem eine besondere Rolle zu, auch wenn sie es gar nicht weiß. "Meine Frau Kathrin war gerade mit Lotti schwanger, als es passiert ist. Die ersten vier Wochen lag ich im Krankenhaus und konnte nicht für sie da sein, eine schwere Zeit für uns", sagt Peter Heyer. Mit "es" ist der verhängnisvolle Vorfall vor vier Jahren und zwei Monaten gemeint, als nicht nur seine sportliche Karriere mit einem Schlag beendet war. Es war nicht einmal klar, ob er jemals wieder vernünftig würde laufen können, ob das Leben, das er führte, so noch zu stemmen sei.

Verhängnisvolle Kollision

Damals spielte der 34-Jährige für den FC Sand in der Landesliga, er befand sich auf der Zieletappe einer beeindruckenden Karriere in der Bayern- und Regionalliga. Dort hatte er für den FC Eintracht, den FSV Erlangen-Bruck und den FC Schweinfurt wie am Fließband getroffen. Peter Heyer stellte die personifizierte Torgefahr dar, ein pfeilschneller Stürmer, der trotz vieler Fouls von schweren Verletzungen verschont blieb. Bis zu jenem Abend im November 2014.

Nach einem Steilpass lief er auf den Torhüter des Baiersdorfer SV zu, legte den Ball an ihm vorbei - und da war es schon geschehen. "Er hat mich voll am Standbein getroffen. Mir war sofort klar, dass etwas gebrochen ist", erinnert sich der heute 38-Jährige. Doppelter Schien- und Wadenbeinbruch lautete die Diagnose im Krankenhaus. Für einen Fußballer im fortgeschrittenen Alter eine Horror-Diagnose. Was Peter Heyer noch nicht ahnte: Es sollte noch viel schlimmer kommen. Weil die juristische Aufarbeitung möglicher Behandlungsfehler auch nach mehr als vier Jahren noch nicht abgeschlossen und eine Ende nicht in Sicht ist, hält sich Peter Heyer mit öffentlichen Schuldzuweisungen zurück und möchte nicht einmal das behandelnde Krankenhaus nennen. "Die Mühlen der Justiz mahlen leider sehr langsam, ich wäre froh, wenn ich das Thema abschließen könnte."

Fakt ist: Die Ärzte entschieden sich gegen eine sofortige Operation, erst drei Tage nach dem Unfall wurde der Bruch im Schienbein operiert. Danach hat sich ein Kompartmentsyndrom gebildet, das wiederum erst drei Tage später erkannt wurde. Dadurch schwoll das Gewebe um die Verletzung aufgrund des Drucks an, die Durchblutung funktionierte nicht mehr richtig. Wird es nicht oder zu spät behandelt, können Amputationen die Folge sein, womöglich ist gar das Leben in Gefahr.

Bei Peter Heyer quittierte der Fußheber-Muskel am vorderen Schienbein seinen Dienst, er starb ab und wurde stückweise in mehreren Operationen über die kommenden Wochen hinweg entfernt. "Vereinfacht gesagt ist es der Muskel, um den Fuß hochzuziehen. Der fehlt mir nun komplett, ich habe einfach keinen mehr." Man sieht es ihm aber nicht an: Auf dem Parkettboden bewegt er sich geschmeidig, scheut keine Zweikämpfe. Das sehen Außenstehende, für Peter Heyer fühlt es sich anders an. "Ich mache immer noch Reha und werde es mein ganzes Leben lang tun müssen, damit die Funktion einigermaßen erhalten bleibt. Wenn ich länger stehe, merke ich, wie das Bein immer noch dicker wird."

Für Stabilität im Fuß und eine Imitation des Muskels sorgt eine Schiene, die Heyer das Fußball-Spielen wieder möglich macht: "Auf die Schiene bin ich angewiesen, ohne geht es nicht. Einen Muskel kann sie nicht ersetzen, die Schiene erleichtert mir aber vieles." Eine Sohle im Schuh ist mit Bändern am Knöchel befestigt, dadurch wird der Fuß bei einer Bewegung mit nach oben gezogen.

Einen großen Anteil an seinen wieder flüssigen Bewegungen habe auch Dr. Matthias Biedermann aus Scheßlitz. "Er hat mich mehrmals operiert, mich sehr gut beraten und mein Bein, so gut es möglich war, gerettet. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin." Dass die Mutter von Peter Heyer selbst als Physiotherapeutin in Scheßlitz arbeitet, er dort seine komplette Reha absolviert und quasi eine mütterliche Rund-um-die-Uhr-Versorgung genoss, hat dem Heilungsverlauf geholfen. "Ich habe immer versucht, die Situation anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Ich habe alles daran gesetzt, um so fit wie möglich zu werden. Was ich machen konnte, habe ich auch gemacht."

Neue Prioritäten

Was er in der Zwischenzeit aber kaum gemacht hat, war, an Fußball zu denken, daran, dass er wieder so fit sein würde, um auf den Platz zurückkehren zu können. "Die Prognosen haben ja etwas ganz anderes gesagt. Ich wollte wieder so gut wie möglich laufen können, das war das oberste Ziel."

Das Hier und Jetzt ist für Peter Heyer das Wichtigste, mit der Geburt der Kinder haben sich die Prioritäten verschoben, wenngleich er dem Fußball noch immer Platz einräumen möchte. Nicht mehr gegen einen Ball zu treten, war keine Option. Die Gedanken an eine schwere Verletzung schiebt er zur Seite.

Als Sportlehrer am Dientzenhofer-Gymnasium kam der Spaß am Fußball beim Kicken mit den Schülern zurück. Seit Herbst trainiert er unregelmäßig beim FC Eintracht und würde sogar aushelfen, wenn Not am Mann ist. "Ich bin dem Trainer und dem Verein sehr dankbar für diese Möglichkeit. Von einem Comeback kann man aber nicht sprechen", sagt Peter Heyer: "Das ist zeitlich nicht mehr zu schaffen mit der Familie. Ich bin froh, wie sich mein Leben heute darstellt. Meine Frau und ich haben zwei gesunde Kinder bekommen, das ist das Schönste und Wichtigste auf der Welt. Dass sie mich zu diesem Turnier begleitet haben, hat mich unheimlich gefreut und stolz gemacht."

Für ihn und seine Familie hat sich nun ein Kreis geschlossen. Irgendwann versteht das auch die kleine Lotti.