Natürlich muss ich mir den Schuh anziehen, da ich ein Häkchen gesetzt habe, ohne den Wada-Code im Detail zu kennen und vor Ort auch nicht mehr nachgefragt habe. Das war naiv und ein Fehler. Die Regeln bei den Amateuren gelten aber für alle gleichermaßen, jeder Agegrouper sollte mit dem Regelwerk vertraut sein und im Zweifel wissen, was ihm blüht - nicht nur ein paar Ausgewählte.
Wie sehr nagt der Verlust des WM-Titels an Ihnen?
Eigentlich gar nicht - weil er nie mein Ziel war. Ich gehe damit locker um. Familie und Freunde waren geschockter als ich und können schwer nachvollziehen, dass mir dieser WM-Titel tatsächlich so "egal" ist, wie ich es immer betone. Das Erreichen der persönlichen Bestzeit und die Tatsache - trotz einiger Probleme in den Monaten davor - ein perfektes Rennen abgeliefert zu haben, entspricht exakt meinen Zielen und fühlt sich noch immer wie eine absolute Genugtuung an. Mehr wollte ich nie.
Sie sind der zweite Weltmeister in der Altersklasse 35, dem 2019 der Titel aberkannt wurde. Zuvor hat es Sergio Marques aus Portugal erwischt, der verbotenerweise im selben Jahr als Profi gestartet ist.
Auf meiner Facebook-Seite tummeln sich einige fragwürdige Kommentare aus dem portugiesischen Lager, die nichts mit sportlicher Fairness zu tu haben. Enttäuschend ist, dass niemand direkt bei mir nachgefragt hat, stattdessen wird öffentlich Unsinn behauptet. Weil ich als Zweiter am meisten von seinem Aus profitiert habe, machen sie mich wohl dafür verantwortlich. So erkläre ich mir das. Ich hatte die Gerüchte um Marques im Anschluss auch mitbekommen, aber ignoriert. Ich war glücklich, mein persönliches Ziel hatte ich ja erreicht.
Welche Lehren für die Zukunft ziehen Sie aus dieser Geschichte?
Durch die Aufarbeitung meines eigenen Falls in den vergangenen Wochen ist mir klar geworden, wie viel Unwissenheit noch vorherrscht. Nicht nur in Sachen Doping, auch bei Formalitäten. Es gibt zwar Aufklärungskampagnen der Nada, diese kommen aber bei den Sportlern zu selten an oder werden unzureichend wahrgenommen. Ein Fall wie meiner darf sich nicht wiederholen. Ich möchte gemeinsam mit der Nada aufklären und besonders die junge Generation für die Thematik sensibilisieren. Was ich auch gelernt habe, dass man "Doping" und "Doper" nicht über einen Kamm scheren darf. Es ist wie bei so vielen Themen: Kein vorschnelles Urteil fällen und jemanden abstempeln, sondern die Fälle einzeln betrachten und differenzieren.
Mit sportlichen Zielen könnte es vorerst rar werden. Das Coronavirus hat den Sport weltweit lahmgelegt. Wie behelfen Sie sich?
Das große Ziel ist die Challenge in Roth im Juli, dann ist meine Sperre auch abgelaufen. Mitte April soll über eine Austragung entschieden werden. Ich trainiere so intensiv, als würde Roth tatsächlich stattfinden - auch wenn es derzeit völlig offen ist.
Beeinflusst die Corona-Krise auch das Training?
Schwierig ist das Schwimmtraining aufgrund der geschlossenen Hallenbäder. Für das Freiwasser muss man zu dieser Zeit ein harter Hund sein. In der aktuellen Situation ist der Triathlon-Sport in Kombination mit meinem Lehrerberuf die perfekte Beschäftigungstherapie: Man kann alles alleine und indoor machen, auch das Schwimmen lässt sich durch Zugseiltraining ersetzen. Es gibt zur Zeit also wesentlich größere Probleme.
Ein Trainingslager im Süden wird vorerst nicht möglich sein...
In der letzten Februarwoche war ich sogar noch auf Mallorca zum Trainingslager. Alles war wie immer, wunderschön, beste Bedingungen. Das Coronavirus war kaum ein Thema und wurde noch belächelt. Das hat sich schnell geändert, die Auswirkungen im Leben und im Sport sind auf längere Zeit unvorhersehbar. Trotz dieser Umstände sollte jeder versuchen, das Beste für die Gesellschaft und sich daraus zu machen.
Wie lautet Ihre gute Tat?
Ich verbinde mein tägliches Radtraining mit Einkaufsdiensten für Menschen, die momentan dazu nicht in der Lage sind. Das kann auch außerhalb des Stadtgebiets sein. Ab heute geht es los, vielleicht wächst das Projekt noch weiter. Wer etwas vom Supermarkt oder woanders benötigt, kann sich gern an mich wenden - dann komme ich mit Fahrrad und Lastanhänger vorbei. Bitte vorerst über Facebook anfragen oder eine E-Mail schreiben:
c_dels@yahoo.com Das Gespräch führteTobias Schneider