Paradox und faszinierend
Ein unglaublicher Zufall führte im Jahr 2000 dazu, dass die Fossilienfundstätte überhaupt entdeckt wurde. "Nach einer Probeschürfung der Betreiberfirma war der Wattendorfer Steinbruch Ziel einer paläontologischen Exkursion", berichtet Matthias Mäuser. "Beim Umhergehen fiel zufällig auf, dass die Zusammensetzung des Gesteins dem Plattenkalk berühmter Fossilienfundstätten ähnelte." Der guten Kooperation mit dem Steinbruch-Eigentümer Helmut Schorr sei es zu verdanken, dass Wattendorf zu einer geschichtsträchtigen Grabungsstätte werden konnte. Einige Jahre nach der Entdeckung der früheren Lagune aus dem Oberen Jura-Zeitalter wurden ihre ersten versteinerten Bewohner geborgen.
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"Unser Plattenkalk ist sehr fossilreich und etwas älter als der in Solnhofen", betont Matthias Mäuser. "Das heißt, dass es sich bei den Wattendorfer Funden oft um unbekannte Arten handelt, die erst noch wissenschaftlich beschrieben werden müssen." Dass der Steinbruch so geschichtsträchtig ist, liegt daran, dass er früher den Grund der Lagune bildete, in der es irgendwann keinen Wasseraustausch mehr gab - und somit auch kaum mehr Sauerstoff. Zudem war das Tiefenwasser sehr salzhaltig. In der Salzlake konnten keine höheren Organismen mehr existieren, die abgesunkene Tierleichen und Pflanzenreste hätten zersetzen können. Letztere wurden nur von Mikrobenmatten überwuchert - und damit quasi versiegelt. Der permanent absinkende Kalkschlamm deckte sie zu.
"Dieser lebensfeindlichen Umgebung verdanken wir heute unser Wissen über das Leben", stellt Matthias Mäuser fest. "Das ist schon paradox."
Ehrenamtliche Arbeit im Steinbruch
"Und es ist faszinierend!", ergänzt Albert Lenze. Der Geologe aus Bischberg gehört zu einem halben Dutzend von Ehrenamtlichen, die Jahr für Jahr eine wochenlange Kerngrabung stemmen und auch darüber hinaus den Großteil ihrer Freizeit im Steinbruch verbringen - im Dienste der Wissenschaft. "Es ist wie die Suche nach einem sehr, sehr alten Schatz", findet der 63-Jährige und ergänzt mit schelmischem Grinsen: "Mit einem Unterschied: Wenn es für die Arbeit Geld gäbe, würde sie wohl keiner machen." Es sei schon anstrengend, auf dem Boden herumzukrabbeln und stundenlang jedes Fitzelchen Gestein umzudrehen.
"Aber jeder, der mal ein großes Stück gefunden hat, ist angefixt", meint Matthias Mäuser. "Das ist besser als ein Joint!", fügt Wolfgang Claus hinzu und lacht. Der 71-jährige Coburger ist seit vier Jahrzehnten leidenschaftlicher Hobbypaläontologe. Jetzt leuchtet er mit einer UV-Taschenlampe an einem Spalt im Gestein entlang. Im langwelligen Licht zeichnen sich deutlich lilafarbene Stellen ab. "Das hier gehört zum Panzer unserer Riesenschildkröte", erklärt der Oberfranke. "Dass wir die so kurz vor Schluss der Grabungssaison noch gefunden haben, ist genial." Die Wochen zuvor fasst Claus so zusammen: "Das war Sonne brutal und stundenlanges Spalten für nichts und wieder nichts!" Erst Ende Oktober, als jeder schon die Flinte ins Korn werfen wollte, zeichneten sich zwei Schildkrötenpanzer im Gestein ab - und das auch noch am gleichen Tag.
Geduld, die oberste Tugend aller Fossiliensucher, ist auch während der Bergung nötig. Bis die große Kröte in allen Einzelteilen fachgerecht zum Präparator gebracht werden kann, sind viele Stunden Detektivarbeit nötig. Claus: "Das ist wie ein Puzzle - nur ohne Vorlage."
"Hoffentlich ist mal einer abgestürzt"
Sicher ist jetzt schon, dass der gepanzerte Riese einen Ehrenplatz im Naturkunde-Museum Bamberg bekommen wird, sobald er - vielleicht im Jahr 2020 - als fertig präpariertes Objekt ausstellungsreif ist. Und sicher ist auch, dass Matthias Mäuser, Wolfgang Claus, Alfred Lenze, der technische Mitarbeiter Adi Weller sowie alle anderen Grabungshelfer das Fenster in die Jura-Zeit nächstes Jahr noch ein bisschen weiter aufstoßen wollen. "Ich bin sehr froh, dass wir so engagierte Mitarbeiter haben, denn ohne deren kompetente Hilfe könnten wir uns die Grabungen gar nicht leisten", sagt Matthias Mäuser.
Was ihn und seine Helfer immer wieder antreibt, sich sowohl bei Gluthitze als auch Eiseskälte auf die Knie zu begeben und uralte Steinplatten abzuklopfen? "Ich glaube, wir alle träumen von einem kleinen Dinosaurier oder einem oberfränkischen Urvogel wie dem Archaeopteryx aus Solnhofen - und unserer wäre dann ein paar hunderttausend Jahre älter als der älteste bisher bekannte." Wolfgang Claus nickt: "Hoffentlich ist genau über unserer Grabungsstelle in der Lagune mal einer abgestürzt."
Fossilien selbst sehen
Steinbruch Das Betreten des Steinbruchs ist strengstens verboten, würde aber auch keinem Hobby-Fossiliensucher etwas bringen: Die Plattenkalke müssen vor jeder Grabung per Bagger freigelegt werden. Außerhalb der Grabungszeit sind die fossilen Gesteinsschichten nicht zugänglich. Museum Das Naturkunde-Museum Bamberg präsentiert in mehreren Abteilungen spannende Themen aus den Bereichen Geologie, Mineralogie, Bodenkunde, Paläontologie und Zoologie. In der Ausstellung "Frankenland am Jurastrand" sind die Ergebnisse der Wattendorfer Grabungen zu sehen: der "Urfranke" (Flugsaurier), ein Krokodil, eine große Schildkröte, wunderbar erhaltene Fischfossilien wie der größte Quastenflosser, der je in Plattenkalken gefunden wurde, Schlangensaurier, Brückenechsen, Haie und so weiter. (www.naturkundemuseum-bamberg.de)
Öffnungszeiten Das Museum in der Fleischstraße 2 hat im Winterhalbjahr (bis Ende März) täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet, montags ist es geschlossen. Der Eintritt kostet regulär 3,50 Euro, für Sechs- bis 18-Jährige 1,50 Euro. (ldk) -- 20 Euro kostet der Jahresbeitrag beim Förderverein "Freunde des Naturkunde-Museums Bamberg e.V.", der das Museum ideell und finanziell unterstützt. Alle Infos dazu sowie zur Mithilfe bei Grabungen: www.naturkundemuseum-bamberg.de --- 140 Quadratmeter Boden kann das Grabungs-Team durchschnittlich pro Jahr nach Fossilien absuchen. Wie viel fossilienreicher Plattenkalk sich noch im Steinbruch verbirgt, kann niemand mit Sicherheit sagen. ---- 400 Stunden wird Präparator Thomas Bechmann etwa brauchen, um aus dem Fundteilen der Riesenschildkröte in akribischer Kleinarbeit ein ausstellungsfähiges Museumsstück zu machen. --- 14 Zentimeter ist das Schichtpaket des fossilreichen Wattendorfer Plattenkalks durchschnittlich dick.
Es war tropisch heiss und gab eine blaue Lagune? In Waddendorf? Haben gar Katrin Göhring-Geröllheimer und ihre Schwestern Annalena, Franzi SKA und Claudia Feuerstein darin gebadet? Und war es nicht der Ehemann von Katrin, dieser Barnie Geröllheimer mit seinen Kumpels, die durch den Kauf eines Stein-Umwälz-Vehikels (SUV) mit Essig-Antrieb drauf und dran waren, diese schöne Kalk-Welt zu zerstören? Ich jedenfalls freue mich (jetzt ohne Scherz), dass hier in unseren Breiten so bedeutende Funde möglich sind. Vielleicht gewinnt der Mensch durch Nachdenken wieder etwas mehr Demut vor der Erdgeschichte mit ihrem genauso milliarden Jahre alten beständigen Klimawandel.