Im Oktober tagt die Amazonas-Synode zu neuen Wegen für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie. Was hat diese Synode mit Deutschland zu tun?
Es ist wohl eine typisch deutsche Nabelschau, die sich im Vorfeld der Amazonas-Synode vom 6. bis 27. Oktober im Vatikan auf zwei Themen fokussiert: auf die Frage der Priesterweihe für verheiratete Männer und neue Ämter für Frauen. Natürlich lässt es aufhorchen, wenn von "viri probati" und Frauen als Diakoninnen die Rede ist, die dem massiven Priestermangel in den neun Ländern des Amazonasgebietes abhelfen könnten. Und natürlich erhoffen sich berufene und unberufene Münder hierzulande, dass es aus dem Regenwald sozusagen zu einem Schneeballeffekt kommt. Denn was in einem Teil der Universalkirche beschlossen wird, kann anderen Ortskirchen in der Welt nicht verboten werden.
Doch die etwa 250 Synodalen treiben vorrangig andere Brennpunkte um. Und das mit einer klaren politischen Botschaft: "Die politische Botschaft der Amazonas-Synode ist, dass alles mit allem verwoben ist, wie es Papst Franziskus ausgedrückt hat, und dass wird Konsequenzen auch bei uns haben", sagt Pater Michael Heinz, Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat gegenüber dieser Zeitung. Die Kirche müsse sich eben nicht nur um politische und wirtschaftliche Situationen in Deutschland und Europa kümmern, so der Adveniat-Chef: "Wir haben auch Verantwortung für die Weltengemeinschaft, für die Menschen in anderen Erdteilen, und müssen die auch nutzen."
Heinz wird als Beobachter die Tagung verfolgen. Schließlich hat Adveniat an der Vorbereitung der Synode mitgewirkt. Nach einem Konsultationsprozess mit der Anhörung von 85 000 Menschen und 45 thematischen Foren wurde das "Instrumentum Laboris" erstellt. Sein Titel: "Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie".
Lebenswelt ist bedroht
Das Dokument unterbreitet Vorschläge für die Bischofssynode, bei der über die Aufgabe der Kirche im Hinblick auf Amazonien beraten wird. Für eine Region mit einer Größe von 7,8 Millionen Quadratkilometern im Herzen Südamerikas also, und zwar entscheidend nicht nur, weil das Ökosystem Amazoniens die grüne Lunge der Erde schlechthin ist. Sondern weil die bedrohte Situation dieser Weltlunge den ökologischen und sozialen Wandel dringlich macht. "Es geht um die Bewahrung der Schöpfung, um Klimawandel, den auch wir spüren", erklärt Heinz.
Noch nie seien Amazonien und damit die indigenen Völker so gefährdet wie heute, beklagt der Adveniat-Chef. Abholzung, legaler und illegaler Bergbau, der Bau von gigantischen Staudämmen zur Energiegewinnung, die Verschmutzung von Flüssen und Wasserquellen, Monokulturen von Palmöl und Soja "bedrohen die Territorien der Indigenen und damit ihre Lebenswelt grundlegend", weiß der Steyler Missionar, der lange in Lateinamerika gearbeitet hat.
Er macht klar, dass der Lebensstil in den industrialisierten Staaten auch etwas mit der Ausbeutung Amazoniens zu tun hat. "Gerade wir in Deutschland müssen uns überlegen, wie es weitergehen kann, und dass jeder Einzelne seinen Lebensstil überfragen muss", fordert Heinz und führt als Beispiel den Fleischkonsum an: "Der hat Auswirkungen auf den Sojaanbau und die Abholzung in Amazonien." Denn wenn der Präsident von Brasilien wisse, dass Soja ein gutes Exportprodukt für den europäischen Markt und die Viehmästung sei, "wird er natürlich noch mehr abholzen".
Was ist mit dem Zölibat?
"Es geht darum, eine Kirche zu haben, die das, was an Mythen, an Kosmovisionen, an Weltwahrnehmung in den indigenen Völkern ist, auch einmal in die eigene Pastoral, in die eigene Liturgie integriert", weitet Martina Fornet Ponse im Gespräch mit dem FT den Blick auf die Vorhaben der Amazonas-Synode. Die Grundsatzreferentin bei Adveniat fragt durchaus provokant: "Sind denn die Zeichen von Brot und Wein die Zeichen, die in der Eucharistie in Amazonien auch wirklich verstanden werden? Gibt es nicht andere Modelle von Gemeindeleitung? Wie sieht es mit dem Zölibat aus, der eine lange Tradition in der westlichen Kirche hat, aber in anderen Kulturen einfach nicht zu kommunizieren ist?"