Sagenumwoben: das "Büttnerhaus in der Eck"

3 Min
Blick in die 1904 neugestaltete Gaststätte mit moderner Gasbeleuchtung Repro: Christian Fiedler
Blick in die 1904 neugestaltete Gaststätte mit moderner Gasbeleuchtung  Repro: Christian Fiedler
Marktfrauen um 1900. Dahinter sieht man die "Brauerei zum Eckenbüttner" Foto: Brauereimuseum
Marktfrauen um 1900. Dahinter sieht man die "Brauerei zum Eckenbüttner" Foto: Brauereimuseum
 

Eine Sage rankt sich um den "Eckenbüttner", noch 1906 Bambergs viertgrößte Braustätte. Auch ein Aktivist der Revolution von 1848/1849 praktizierte hier.

Die wenigsten dürften sich noch an die Sage erinnern, die einst in Volksschullesebüchern stand. Von einer mittellosen Frau, die mit ihrem Kind in eisiger Nacht in Bamberg Zuflucht suchte, handelte die Geschichte. Beim "Eckenbüttner" klopfte die Fremde an, wurde aber barsch abgewiesen und erlebte den nächsten Morgen nicht mehr. Im "Beinhaus", das zur alten Martinskirche gehörte, fand man die Bettlerin.


Für alleinstehende Frauen

Ja, Legenden ranken sich um das Anwesen der "Brauerei", die bis ins 20. Jahrhundert hinein am Maxplatz 2 existierte. Sie gehörte zu den "ältesten und traditionsreichsten Braustätten" der Domstadt, wie Christian Fiedler in "Bamberg, die wahre Hauptstadt des Bieres" schrieb. So wurde schon 1371 ein "Malz- und Brauhaus auf des Kornwibels Hofstatt bei dem St. Martinstor" urkundlich erwähnt. In direkter Nachbarschaft gab es damals noch das St. Martha Haus als erstes Bamberger Schwesternhaus. Wobei man unter Schwesternhäusern "Anstalten" verstand, in denen "alleinstehende Frauenspersonen" lebten, die über keinerlei finanzielle Mittel verfügten. Sie führten einen gemeinsam Haushalt, beschäftigten sich mit Handarbeiten und anderen Dingen, je nach Fähigkeiten und Neigung.



42 Jahre lang als Braumeister tätig

Bis ins Jahr 1804 diente das St.-Martha-Haus obdachlosen Frauen als Quartier, wie aus der Reihe "Die Kunstdenkmäler von Oberfranken" hervorgeht. Dann erwarb Michael Bardelmes als damaliger Eckenbüttner das Anwesen. 42 Jahre lang war der gebürtige Alitzheimer in Bamberg als Braumeister tätig.



Als "Drudengarten"

1906 schwang die Abrissbirne über Bambergs erstem Schwesternhaus. Der Eckenbüttnergarten zwischen Franz-Ludwig-Straße und Promenade wurde erweitert. Er war im 17. Jahrhundert auch als "Drudengarten" bekannt - benannt nach dem berühmt-berüchtigten Hexengefängnis an der Franz-Ludwig-Straße. Über mehrere Grundstücke erstreckte sich die Grünfläche. Erst um 1970 fällte man die letzten Ahorn-, Kastanien- und Lindenbäume, womit der Eckenbüttnergarten Geschichte war - wie zuvor schon das St.-Martha-Haus, in dem sicher auch die eingangs erwähnte Fremde Zuflucht gefunden hätte.

Die Jahrhunderte sind am "alten Eckenbüttner" nicht spurlos vorbei gegangen. Von der ursprünglichen Bebauung, die 1371 erwähnt wurde, ist nicht mehr viel zu sehen. Den ältesten Teil des heutigen "Eckenbüttners" stellten die Kellergewölbe dar. In ihnen befindet sich auch ein alter Brunnenschacht, aus dem frühere Bewohner des Hauses ihr Brauwasser zogen.


In der Paulskirchenversammlung

Das jetzige Anwesen entstand vermutlich im 17. Jahrhundert, erhielt um 1730 ein zweites Obergeschoss und 1863 eine neue Vorderhausfassade. Ein bekannter Anwalt hatte Mitte des 19. Jahrhunderts im "Eckenbüttner" seine Praxis, wie Gerhard C. Krischker in "Bambergs unbequeme Bürger" berichtete: Nikolaus Titus, einer der führenden Köpfe der Bamberger 1848er Bewegung. Als Vertreter der Domstadt zog der aus Forchheim stammende Republikaner in die Frankfurter Paulskirchenversammlung ein.



Radikal-demokratisch

Schon früh hatte Titus Krischker zufolge Führungsqualitäten gezeigt. Er begeisterte sich für die Demokratiebewegung und politisierte als Jurastudent die Würzburger Verbindung "Germania". Indes gelang es dem jungen Mann nicht, die Burschenschaften Münchens, Erlangens, Heidelbergs und Jenas zu einem schlagkräftigen politischen Instrument zu vereinen. Was Titus aber nur noch entschiedener um seine Ziele kämpfen ließ. Nach dem Umzug nach Bamberg sorgte der Anwalt gemeinsam mit dem Mediziner Heinrich Heinkelmann dafür, dass die radikal-demokratischen Kräfte der Stadt an Bedeutung gewannen. Das führte am 4. März 1848 zur "ersten Bamberger Volksversammlung" im ehemaligen Schießhaus am Schönleinsplatz. Man sprach sich für 14 Artikel aus, die eine Reihe von Bürgerrechten einforderten. Als demokratisches Zentrum wurde Bamberg an diesem historischen Tag weit über die Grenzen Frankens hinaus bekannt.

Titus' Traum von Freiheit, Gleichheit und deutscher Einheit war ein Jahr später bekanntlich ausgeträumt. Der bayerische Staat lehnte die vom Paulskirchenparlament entworfene Reichsverfassung ab, was Titus lange nicht wahrhaben wollte. Er ging ins Schweizer Exil, um nach einiger Zeit nach Bamberg zurückzukehren. Bis vier Jahre vor seinem Tod war Titus wieder als Anwalt im "Eckenbüttner" tätig. Er starb am 29. November 1878, wobei der 70-Jährige bis zuletzt als verdächtiges Subjekt unter polizeilicher Überwachung stand.



Zwei Felsenkeller

Aber zurück zur Brauerei, an deren Erfolgsgeschichte viele Familien mitschrieben. Darunter die Krapps, zu deren Besitz im 18. Jahrhundert auch ein Felsenkeller am Oberen Stephansberg gehörte. Hier wurde das am Maxplatz gebraute Bier gelagert. 1878 verfügte die Brauerei Christian Fiedler zufolge schon über zwei Felsenkeller (Nummer 25 und 29). Nach dem Ankauf eines dazwischenliegenden Grundstücks gelang es Michael Frank, ein zusammenhängendes Stollensystem zu schaffen. "Der aus dem Landkreis Neustadt an der Aisch stammende Braumeister erkannte die Zeichen der Zeit und brachte seinen Betrieb auf den neuesten Stand", berichtet Fiedler. Auch die Gasträume entlang der Franz-Ludwig-Straße seien um 1904 umgestaltet worden. "So entstand im Erdgeschoss ein Restaurationssaal mit Gasbeleuchtung und altdeutschen Märchenmotiven als Wandschmuck." Im ersten Obergeschoss wurden ein Tanzsaal und ein Vereinszimmer eingerichtet.


Meister im Gewichtheben

Zur viertgrößten Braustätte der Stadt - hinsichtlich der Bierproduktion - hatte sich das Unternehmen mittlerweile entwickelt. Dennoch meldete Frank sein Gewerbe 1906 bei der Stadt ab und zog nach Wittenberg. Ab 1932 bestimmte Familie Geldner die Geschicke des "Eckenbüttners". Babette Geldner erwarb das Anwesen, nachdem sie den Gasthof "Alter Eckenbüttner" 19 Jahre lang als Pächterin geführt hatte. Auch eine Metzgerei gab es damals im Haus am Maxplatz 2. Babette Geldners Mann Andreas führte den Betrieb: ein Bamberger mit vielen Talenten, der sich auch als Deutscher Meister im Gewichtheben einen Namen machte. So war halb Bamberg auf den Beinen, als Andreas Geldner mit nur 50 Jahren starb. Zahlreiche Vereine, darunter der Athletenclub "Herkules", begleiteten den Verstorbenen zu seiner letzten Ruhestätte, um seine Verdienste zu rühmen.

Bis 1975 hielt sich übrigens die Gaststättentradition im "Eckenbüttner". Dann zog ein Schuhgeschäft in die Räume, in denen heute eine Filiale der Parfümerie Douglas zu finden ist.