Die christliche Palästinenserin Kadra Zreineh aus Betlehem besuchte Bamberg und Stegaurach. Dabei räumte sie mit Missverständnissen auf. Nächstenliebe ist für die Reiseleiterin kein Fremdwort.
Versonnen blickt Kadra Zreineh auf die ruhig dahinfließende Regnitz. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Bassem und Sohn Emad hat sie einen Logenplatz am Bootshaus im Hain ergattert. Die 51-jährige Palästinenserin genießt einige Urlaubstage in Bamberg, die Gefahrlosigkeit, die Entspanntheit. Dabei verfolgt sie aufmerksam die Nachrichten aus ihrer Heimat über Raketenangriffe, über die Toten und Verletzten in Gaza und Israel.
"Immer zeigen die Medien, dass Blut fließt. Die vielen guten Begegnungen aber, die es überall zwischen Palästinensern und Israelis gibt, von denen berichten sie nichts. Nicht die ganze Bevölkerung schießt schließlich Raketen ab", sagt Kadra Zreineh. Es sei eben ein "Missverständnis, dass Palästinenser Juden hassen". Jeder habe einen Freund auf der anderen Seite. Nur traue sich kaum jemand, das offen zu bekennen. "Frieden ist nicht unmöglich", sagt die griechisch-orthodoxe Christin.
"Die Völker verstehen sich, aber sind die Regierungen an Frieden interessiert?", fragt Kadra Zreineh skeptisch.
"Freiluftgefängnis" Sie lebt in Beit Jala vor den Toren Betlehems, umgeben von einer neun Meter hohen Mauer, die Israel zum Schutz vor Terroranschlägen errichtet hat. "Wir leben in einem Freiluftgefängnis", beschreibt die Palästinenserin die Lage, die eigentlich weltweit bekannt sein müsste. Auch in Gaza seien die Menschen eingesperrt: "Da hat sich Israel seine Terroristen selbst gezüchtet", meint Kadra Zreineh. Fügt jedoch energisch hinzu, dass sie keine Probleme mit ihren Nachbarn, mit Israelis oder Juden habe, sondern mit der israelischen Regierung.
Gegen deren Politik würden sogar junge Israelis demonstrieren: "Aber davon berichten die Medien nichts."
Kadra Zreineh arbeitet als lizensierte Reiseleiterin mit israelischen und deutschen Reisebüros zusammen. Im Westjordanland führt sie nach Jericho, Nablus oder Hebron und macht dabei aus ihrem Herzen keine Mördergrube: "Ich möchte mein Leben nicht tauschen, weil ich eine Erfahrung gemacht habe: Weil ich Jesus in meinem Herzen habe, weiß ich, dass es wichtig ist, wie man lebt und nicht, wo man lebt." Überhaupt wehrt sich die Christin dagegen, Juden und Israelis Feinde zu nennen. Nächstenliebe ist für Kadra Zreineh kein Fremdwort.
Das spürt auch ihre Stegauracher Gastfamilie Jäger, in der die Palästinenserin mit ihrem Mann und Sohn herzliche Aufnahme gefunden hat. "Wir haben sie sehr gerne bei uns", sagt Adalbert Jäger, der mit seiner Tochter Johanna im Bootshaus dabei ist.
Johanna und andere Stegauracher haben Kadra Zreideh im vergangenen Jahr in Betlehem als Reiseführerin erlebt und die charismatische Frau nach Franken eingeladen. Schon seit Jahren kommt die Palästinenserin immer wieder nach Deutschland, um Vorträge zu halten und über ihre Bemühungen in der Heimat, Juden, Christen und Muslime zusammen zu führen, zu erzählen.
Das hat Kadra Zreineh jetzt auch vor über hundert Zuhörern im Stegauracher Pfarrheim Luigi Padovese getan. Nicht gerade ein "Heimspiel", aber auch nicht ein völlig fremdes Terrain, denn sie wurde 1963 in Engelskirchen bei Bonn geboren, wohin ihre Eltern 1956 von Betlehem aus hingezogen waren.
Angst vor Heimflug 1978 siedelte die inzwischen sechsköpfige Familie in die Geburtsstadt Jesu zurück. Dort heiratete Kadra, bekam vier Kinder und vier Enkel.
Sohn Emad studiert seit zwei Jahren an der Universität Mainz und wird mit seinen Eltern nicht nach Betlehem zurückreisen.
An ihren Heimflug denkt Kadra Zreineh in der derzeitigen brenzligen Situation mit Sorge. Eigentlich dürfen Palästinenser nicht den Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv benutzen, sondern müssen über Amman in Jordanien reisen. Das Ehepaar Zreineh hatte allerdings auf Vermittlung der deutschen Gastgeber für Tel Aviv eine Ausnahmegenehmigung bekommen.
"Jetzt würde ich gerne über Amman fliegen!", bekennt Kadra Zreineh ihre Angst vor Raketen. Und hofft, eines Tages gesund und wohlbehalten noch einmal Bamberg besuchen zu können: "Hier ist Rom und Venedig und ganz Europa", freut sie sich nach einer ausgiebigen Stadtführung und einem Spaziergang durch den Hain über ihre Entdeckungen im Weltkulturerbe.
Bravo!!
Der Artikel zeigt endlich die sonst sehr selten erwähnten Seiten des friedlichen Miteinanders auf.
Bei unserer kürzlich abgeschlossenen Jordanienreise haben wir in persönlichen Gesprächen von privaten Unterstützungen zwischen Moslems und Christen und umgekehrt in Dingen des täglichen Lebens efahren.
Dies Seite sollte mehr bekannt gemacht werden, oder wo möglich, auch unterstützt werden, dann kommt dieses
wichtige friedliche Miteinander, das vielfach unbekannt, aber prktiziert wird, auch an die Öffenlichkeit.