Im Missbrauchs-Prozess gegen einen ehemaligen Chefarzt am Bamberger Klinikum plädiert der Oberstaatsanwalt für eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren.
Mit Spannung wurden die Plädoyers im bisher größten Prozess der Bamberger Justizgeschichte erwartet, und direkt der erste Schlussvortrag setzte ein Ausrufezeichen: Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb forderte am Mittwoch die Höchststrafe für Heinz W.
Der 51-jährige ehemalige Chefarzt für Gefäßchirurgie, Gefäßmedizin und Phlebolgie am Klinikum Bamberg ist angeklagt, zwölf Frauen missbraucht und zum Teil vergewaltigt zu haben. Seit eineinhalb Jahren läuft der Prozess vor der Zweiten Strafkammer des Bamberger Landgerichts. Heinz W. bestreitet vom ersten Tag an jegliche sexuelle Motivation. Er habe aus wissenschaftlichem Interesse gehandelt und sei auf der Suche nach neuen Behandlungsmethoden gewesen.
Gericht schützt die Intimsphäre
Ganz anders sah das Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb. Er und die Nebenklage-Vertreter hielten am Mittwoch ihre Plädoyers - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Zuschauer hatten bereits während der bisher 68 Verhandlungstage mehrmals den Sitzungssaal verlassen müssen, da laut Gericht die Persönlichkeitsrechte und Intimsphäre des Angeklagten und der Zeuginnen zu schützen seien.
Gerichtssprecher Leander Brößler kommunizierte nach dem ersten Plädoyer einige grundlegende Aspekte von Liebs Vortrag. Demnach forderte dieser eine Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren und beantragte, Heinz W. für immer die Ausübung des Berufs als Mediziner zu untersagen.
Schwere Vergewaltigung
Der Oberstaatsanwalt sieht die vorgeworfenen Taten als erwiesen an. W. soll mehreren jungen Frauen im Alter von 17 bis 28 Jahren unter dem Vorwand ärztlicher Untersuchungen ohne deren Einverständnis und gegen ihren Willen ein Betäubungsmittel verabreicht haben. Dann soll er intime Bild- und Videoaufnahmen angefertigt und am Unterleib von Patientinnen manipuliert haben. Aus Sicht des Oberstaatsanwalts hat sich die Anklage im Laufe des Prozesses sogar noch verschärft: Es sei nicht nur von einfacher, sondern schwerer Vergewaltigung auszugehen. Lieb sprach von einer Steigerung: Erst habe W. Fotos gemacht, dann Videosequenzen, dann seien Berührungen gefolgt.
Eine Beeinflussung der Zeuginnen durch die mediale Berichterstattung - wie von der Verteidigung behauptet - sieht der Oberstaatsanwalt nicht. Viele Zeuginnen hätten gegenüber Dritten von Erinnerungslücken berichtet, und zwar unmittelbar nach Untersuchungen bei Heinz W., die bis ins Jahr 2008 zurückgehen. Öffentlich ins Rollen gekommen waren die Fälle erst im Jahr 2014.
Lieb beschrieb W. als zielstrebig und überdurchschnittlich intelligent, doch sein Verhalten zeuge auch von Selbstüberschätzung. Er habe sich für unangreifbar gehalten.