Bamberg in schwierigen Zeiten, oder wenn sich das Gehalt über Nacht halbiert

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30 Millionen Euro soll die Sanierung des Rathauses Maxplatz und mehrerer Immobilien an der Hauptwachstraße kosten. Der Einstieg für das zu 95 Prozent bezuschusste Projekt soll 2021 beginnen. Foto: M. Wehner
30 Millionen Euro soll die Sanierung des Rathauses Maxplatz und mehrerer Immobilien an der Hauptwachstraße kosten. Der Einstieg für das zu 95 Prozent bezuschusste Projekt soll 2021 beginnen.  Foto: M. Wehner
 
 
 
 
 

Ein Sündenfall wird möglich: Die Stadt macht 2021 15 Millionen Euro neue Schulden, um den öffentlichen Stillstand zu verhindern.

Bertram Felix ist sichtlich ein anderer geworden in den letzten zwölf Monaten. 20 Kilo hat der 46-jährige Finanzreferent unter anderem durch Verzicht auf kalorienreiche Nahrungsmittel verloren - nun schwört er die Stadtgesellschaft auf Wasser und Brot ein. Der großzügige Umgang mit Ressourcen, wie er in den letzten Jahren selbstverständlich geworden sei, werde künftig nicht mehr möglich sein, sagt Felix. Und dennoch ist es kein Untergangsszenario, was er an die Wand malt. Sein Motto für 2021 hat er sich bei der Kanzlerin abgeschaut: "Wir schaffen das."

Das klingt versöhnlich - und am Ende enthält der Haushaltsentwurf, den Felix am Mittwoch dem Stadtrat vorgelegt hat, die beiden Seiten der Medaillen. Es ist ein Haushalt der Einschnitte, aber auch ein Zahlenwerk, das Hoffnung macht, weil es die Stadt in einer schwierigen Zeit am Laufen hält. Warum Bamberg sparen muss. Die kreisfreie Stadt an der Regnitz hat mit 300 Euro pro Kopf eine der niedrigsten Pro-Kopf-Verschuldungen. Dennoch steckt sie mitten in einer Doppelkrise. Corona verschärft den schleichenden Prozess des Strukturwandels in der Autozuliefererindustrie, weil gewohnte Einnahmequellen seit Jahren wegbrechen. Wer wissen will, wie es der Stadt geht, stelle sich vor, dass sein Gehalt in drei Jahren auf 40 Prozent schrumpft. Von 2018 auf 2020 haben sich Gewerbesteuereinnahmen von 65 Millionen Euro um gut 30 Prozent verringert. 2021 rechnet die Stadt nur noch mit 28 Millionen Euro. "Allein das müsste zur Schockstarre führen", sagt Felix. Warum es trotzdem irgendwie weitergeht. In normalen Jahren verbietet die Gemeindeordnung die Aufnahme von Schulden, um laufende Ausgaben wie etwa Gehälter zu finanzieren. Das wäre so, als würde man Schulden machen, um seine Miete zu bezahlen. Doch Corona macht' s möglich: Der Freistaat hat das Gesetz geändert - und Bamberg greift gierig zu, um die Geschäfte am Laufen zu halten. 15 Millionen Euro frisches Geld sollen 2021 in die Adern des kommunalen Blutkreislaufs fließen. Doch die Droge ist ein einmaliger Kick. Schon 2022 müssen die Kommunen ihr Geld wieder auf seriöse Weise besorgen - und danach beginnt die Rückzahlung. Was Corona bringt und Corona nimmt. Die Stadt kann wegen des Kurzarbeitergeldes auch bei der Einkommens- und bei der Umsatzsteuer nicht auf Entlastung hoffen. Die Rückgänge belaufen sich zusammen auf minus zwei Millionen Euro. Zugleich bleiben oder steigen die Kosten in wichtigen Bereichen. So geht mittlerweile jeder elfte Euro in die Personalkosten der Kitas der Stadt, zusammen 8,5 Millionen Euro. Auch die Kosten für das Personal sind und bleiben ein großer Brocken: 2021 steigt dieser Posten auf 85 Millionen Euro. Sind es die Indianer, die hier zu Buche schlagen oder ist es eher die Vermehrung der Häuptlinge? Über die Gründe für den Aufwärtstrend und die nötigen Gegenmaßnahmen wird im Rathaus seit Jahren heftig gestritten. Warum für die Stadt auch der VGN ein Euro-Grab ist. Das 365-Euro-Ticket für Schüler, aber auch andere Wahlgeschenke des Stadtrats schlagen 2021 und danach voll durch. Laut Kämmerei haben sich die Kosten der Stadt für den Verkehrsverbund bis 2021 auf 560 000 Euro mehr als versechsfacht. Darin enthalten ist auch der einjährige Verzicht auf Tarifsteigerungen und Kosten für Infodisplays an den Haltestellen sowie andere Innovationen. Worüber Anfang Dezember gestritten wird. Die Grundzüge des 350-Millionen-Euro-Etats 2021 sind mit der Kooperationsgemeinschaft aus Grünes Bamberg-Volt und SPD bereits vorbesprochen. Von dieser Seite dürfte also wenig Gegenwind kommen. Dennoch bietet das Zahlenwerk den Fraktionen natürlich unzählige Sollbruchstellen, wenn es in der ersten Dezemberwoche darum geht, den Entwurf auch politisch abzusegnen. Eine davon ist die Tatsache, dass Bertram Felix eine Anhebung der Grundsteuer B empfiehlt. Das bringt der Stadt etwa zwei Millionen Euro.

Darüber hinaus soll die in den vergangenen Jahren angesammelte Haushaltsrücklage von über 15 Millionen Euro auch im Krisenjahr 2021 nicht angetastet werden, um damit 2022 die Löcher stopfen zu können, wenn keine Schulden für die laufenden Ausgaben mehr gemacht werden dürfen. Doch kann sich der zerstrittene Bamberger Stadtrat tatsächlich darauf einigen, sich einen Wurstvorrat anzulegen? Wer spart mehr, wer weniger? Spannung verspricht die Frage, wie viel der Haushalt 2021 denen zumutet, die ohnehin von der Krise am meisten gebeutelt sind. Die Künstler und das bunte Spektrum freier Kulturträger. Die neuen und neu zugeschnittenen Globalbeträge für Kultur, aber auch Sport sollen nach den Vorgaben um immerhin 15 Prozent gekürzt werden. Was der Debatte Brisanz nimmt, ist allerdings die Tatsache, dass die Verteilung der Einzelposten erst im Frühling von den Fachsenaten bestimmt werden soll. Es ist also noch Zeit. Betroffen vom Corona-Sparen ist auch die Verwaltung, die 25 Prozent weniger Geld für Sachkosten zur Verfügung hat. Selbst die Pressestelle ist beim als Hochglanzmagazin verschrienen Rathausjournal mit von der Partie. Nicht zuletzt leisten auch Theater, VHS und Musikschule ihren Anteil - mit 2,5 Prozent vom Budget. Kritikwürdig ist laut Kämmerer Felix die Verteilung der Finanzierung der Symphonikerkosten. So beteiligt sich die Stadt mit zwölf Prozent an den Kosten des Orchesters (1,8 Millionen Euro). Der doppelt so große Landkreis steuere nur ein Prozent zum Symphoniker-Etat bei. Wo die Stadt immer noch investiert. Den Schrecken der Krise zum Trotz soll die Stadt auch 2021 dazu beitragen, dass die Bautätigkeit nicht erliegt. Felix spricht von einem Konjunkturpaket für Handwerk und Gewerbe. Große Überraschungen sind allerdings nicht dabei: Der Löwenanteil fließt 2021 in die Konversion mit der Offizierssiedlung mit 15 Millionen Euro sowie der Entwicklung des Lagarde-Campus mit über 19 Millionen Euro. Die einzige Schule, die es ins 21-erProgramm geschafft hat, ist die Wunderburg-Schule (2,5 Millionen Euro). Mit Nachdruck soll außerdem die Breitenau für die weitere Brose-Ansiedlung erschlossen werden (1,2 Millionen Euro). Auch für die Brose-Arena schlägt der Bauunterhalt mit einer Million zu Buche. Unterm Strich hat auf der Liste der Großprojekte gegenüber dem Vorjahr ein stattlicher Schwund stattgefunden. Nicht nur den lange geplanten Neubau der Buger Brücke sucht man vergebens. Auch die Sanierung des Volksparks ist verschwunden - ebenso wie der vor einem Jahr noch stark favorisierte Radwegeausbau. Neu im Investitionsprogramm ist mit 300 000 Euro dagegen das "Quam" - das Quartier am Maxplatz.