Neue Initiative: Damit die Sau sich wohl(er) fühlt

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Thomas Link und seine Frau, die stellvertretende Kreisbäuerin Marion Link leben von der Ferkelproduktion. Foto: Matthias Hoch
Thomas Link und seine Frau, die stellvertretende Kreisbäuerin Marion Link leben von der Ferkelproduktion. Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
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Edith Neidhart
Edith Neidhart
 

Mit vier Cent pro Kilo wollen die großen Handelsketten dafür sorgen, dass Schweine artgerechter gehalten werden und sich wohler fühlen - bevor sie in der Kühltheke landen. Wie sehen das die Landwirte? Wir haben bei Ferkelerzeuger-Familie Link nachgefragt.

So recht weiß Familie Link noch nicht, was sie von der "Aktion Tierwohl" halten soll. Es handelt sich um eine Initiative von Handel, Landwirten und der Fleischindustrie, durch die sich die konventionellen Haltungsbedingungen von Schweinen und Geflügel verbessern, sich noch mehr auf das Tierwohl ausrichten sollen. Dabei reichen die Vorgaben über die derzeit geltenden gesetzlichen Anforderungen hinaus. Damit soll den Erwartungen der Verbraucher Rechnung getragen werden. Die Initiative ist mit Jahresbeginn angelaufen und zunächst auf drei Jahre ausgelegt. Dann soll ein Fonds mit 200 Millionen Euro gefüllt sein, aus diesem der Mehraufwand für die Landwirte kompensiert werden.


Kompensation immer nötig

Werner Nützel, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), sieht das Ganze durchaus kritisch.
Er befürchtet, dass die Landwirte nun auf freiwilliger Basis in zusätzliche Maßnahmen fürs Tierwohl investieren, gelockt durch den Fonds; später könnten die Vorgaben Standard werden, ohne entsprechende Kompensation. Die eigentliche Problematik sieht er beim Konsumenten angesiedelt: "Früh erklären fast alle Kunden, wie sehr ihnen am Tierschutz liegt und dass sie bereit sind, dafür zu zahlen. Nachmittags gehen sie zum Discounter und kaufen das billigste Schnitzel."

Das konventionell erzeugte kostet im Handel zwischen 4,99 und 10,99 Euro, das Kilo Bioschweinefleisch 21,90. Zum Vergleich: Der Erzeuger erhielt am 9. Januar diesen Jahres 1,34 Euro pro Kilo Schlachtgewicht. Der Jahresdurchschnitt 2014 lag bei 1,59 Euro. Wobei der Preis im vergangenen Jahr um 8,6 Prozent zurück gegangen ist. "Tendenz: weiter sinkend," wie die stellvertretende Kreisbäuerin Marion Link fürs derzeitige Quartal in Erfahrung gebracht hat. "Wir leben von den Rücklagen aus den besseren Zeiten," ergänzt ihr Ehemann Thomas Link. Aber der Schweinepreis liegt schon länger am Boden. Im Schweinesektor, in dem man von Zyklen spricht, kann das auch zwei Jahre lang der Fall sein.


Vieles noch unbekannt


Wie viele Schweinehalter aus der Region sich an der "Intiative Tierwohl" beteiligen, wissen beim BBV-Kreisverband weder Geschäftsführer Werner Nützel noch der stellvertretende Kreisobmann Peter Schlund. Vieles ist noch unbekannt, viele sind noch unentschlossen, so wie Links. Für die "Aktion Tierwohl" muss man sich bis April anmelden. Pro Tier kann man bis zu 9 Euro aus dem Fonds erhalten, zitieren Links aus einem Fachblatt. Gegen ein Mehr an Tierschutz könne man nicht sein, meint das Landwirtsehepaar. Wenn Tiere sich wohl fühlen, sind sie gesund, dann brauchen sie auch keine Medikamente.

Ein Zustand, von dem alle profitieren. Was man jedoch kritisch sehe sei etwa die Tatsache, dass es für die Teilnahme an der "Initiative Tierwohl" kein Siegel gebe. Eingebettet ist die Initiative in das Prüfsystem Lebensmittel QS, für das es Zertifizierungen gibt. Ferkelerzeugerbetrieb Link ist zertifiziert, was einen enormen Aufwand mit jeder Menge Kontrollen und Verwaltungsarbeit bedeutet. Insgesamt entfallen bei der Arbeit hier am Hof etwa 20 Prozent auf Verwaltungs-, meist Dokumentations-Tätigkeiten. Das habe doch sehr zugenommen, sagt das Ehepaar. Die Rahmenbedingungen sind in den letzten Jahrzehnten und Jahren immer schwieriger und komplexer geworden.

300 Mutterschweine

Die sechsköpfige Familie lebt von 300 Mutterschweinen, die in sieben Gruppen eingeteilt sind, und von deren Nachwuchs. Der ist zehnWochen am Hof und geht dann mit 30 Kilo zum Mäster. 70 Euro hat Thomas Link zu Spitzenzeiten dafür bekommen, jetzt sind es gerade 44,50 Euro. Link hat bis dahin aber bereits 60 Euro in das Ferkel gesteckt. Um sich an der "Initiative Tierwohl" zu beteiligen, müssten Links nun auch noch richtig investieren. "10 000 Euro sind da gar nichts," stellt der 47-Jährige fest. So viel kostet etwa eine Bewegungsbucht, also ein Abteil, in dem das Schwein umherläuft. 100 solche Buchten haben Links. Soll jede davon nur ein paar Prozent an Fläche gewinnen, müsste eine Million investiert werden. "Die Einrichtung kann man nicht einfach vergrößern," macht der Landwirtschaftsmeister deutlich. Die bisherigen Buchten wären nur noch ein Fall für den Schrotthändler.

In der neuen Intiative gibt es verpflichtende Basis-Kritierien, wie die Teilnahme an Antibiotika-Monitoring und Schlachtbefund-Monitoring, jährlicher Stallklima- und Tränkewasser-Check, sowie Tageslichteinfall in jedem Abteil. Zu den Wahl-Pflichtkriterien gehören entweder die Schaffung von zehn Prozent mehr Platz für jedes Tier (abhängig vom Gewicht) oder ständiger Zugang zu Rauhfutter. Individuell bemessene Zuschüsse gibt es dann für die Umsetzung von freiwilligen Kriterien wie 20 oder 40 Prozent mehr Platz, die Schaffung von Luftkühlung Rückzugsmöglichkeiten in den Buchten und vieles mehr. Bei den zwei Aussiedlungen vor zehn und 20 Jahren haben Links schon vieles für die Steigerung des Wohlbefindens der Tiere getan.

Noch unschlüssig

Im Moment aber ist man sich noch unschlüssig. So sorgen die Eltern und ihre vier Kinder auf ihre Weise dafür, dass sich Muttersauen und Ferkel wohl fühlen. Bewegliche Spielstäbe und Freiluftauslauf gehören dazu. Bis April hätten Links noch Zeit zur Anmeldung, wobei jedoch unklar ist, ob alle, die teilnehmen möchten, zum Zuge kommen, wie der landwirtschaftlichen Fachpresse zu entnehmen war.


DAS SAGT DIE ERNÄHRUNGS-EXPERTIN


Was sagen Ernährungsexperten zum Thema Schnitzel? Wir haben Edith Neidhart gefragt, Diätassistentin aus und in Burgebrach. Sie rät zum Kauf von regionalem Schweinefleisch, also am Bauernmarkt, direkt vom Hof oder "in der Metzgerei nebenan ".

Da habe man die Sicherheit, dass einem die bei langen Transporten produzierten Stresshormone erspart bleiben. Außerdem wisse man, dass das Fleisch frisch ist und habe auch die Möglichkeit, Fragen zur Produktion zu stellen. "Ich bin sicher, dass da wenig drin ist." Damit meint sie Medikamente. Hier bekomme man ihrer Meinung nach "gutes Fleisch", auch weil es nicht in der Massentierhaltung aufgezogen worden ist, wo zwangsläufig mehr medikamentiert werde.

In Deutschland sei die Überwachung relativ gut, aber dennoch bevorzuge sie regional produziertes (Schweine-) Fleisch. Über die Auswirkung von aus Massentierhaltung produziertem (Schweine-) Fleisch auf den Menschen gebe es ihrer Meinung nach noch zu wenig aussagekräftige Studien.
Letztlich müsste, so schließt Edith Neidhart, jeder entscheiden, was ihm wichtig ist: billiges Fleisch, oder hochwertiges und wenig belastetes .



KOMMENTAR

Letztlich liegt es an uns Verbrauchern: Wir wollen viel Fleisch verzehren, dafür möglichst wenig bezahlen und am besten erst gar nicht wissen, wie's Ferkel zum Billig-Schnitzel geworden ist. Eher reflexartig und nur halbherzig kommt immer dann der Ruf nach mehr Tierschutz, wenn uns wieder einmal ekelhafte Bilder von Sauereien in der Tierproduktion erwischt haben.

Wenn wir ehrlich sind, kann unser Hunger nach möglichst viel Fleisch nur durch möglichst billige Produktion gestillt werden. Die Zeche zahlen die eigentlichen Säulen der Produktion: die Tiere und die Landwirte. Die Lösung wäre einfach: Weniger Schnitzel verzehren und dafür solche, die auch mal Schwein sein durften, spielen, Licht und Luft erleben, auf weichem Untergrund liegen, vielleicht sogar herumrennen. Das aber ist mit Mehraufwand und -Kosten verbunden. Dass die Landwirte das nicht zum Nulltarif leisten können und wollen, liegt auf der Hand. Unsere müsste dafür tiefer in den Geldbeutel langen. Ob das mit der neuen Initiative gelingt? Wohl nur als Auftakt.