Müller-Lüdenscheidt und Doktor Klöbner kehren wieder

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Fotos: Thomas Bachmann
Fotos: Thomas Bachmann
 
 

Die Loriot-Revue "Bitte sagen Sie jetzt nichts" am Bamberger È.T.A.-Hoffmann-Theater macht aus den Sketchen des Hochkomikers eine reine Nostalgieshow.

Gibt es noch so etwas wie ein literarisches "Volksvermögen" (Rühmkorf)? Erinnerungsfetzen aus Goethe-Gedichten und Schiller-Balladen? Vorbei, verweht. Im Multimedia-Overkill aus Youtube-Filmchen und Privat-TV-Trivialitäten hat humoristische Kunst, so überhaupt vorhanden, die Lebensdauer einer Eintagsfliege. Eine krachende Aufregung folgt der nächsten, produziert wird am Fließband, lieblos meist, haften bleibt nichts. Ausnahmen wie Max Goldt oder das "Titanic"-Umfeld bestätigen die Regel.

Früher, ja früher war manches anders. Mancher Wilhelm-Busch-Vers hatte sich ins kollektive Gedächtnis eingegraben, und beim Namen Müller-Lüdenscheidt oder dem kurz und präzise hervorgestoßenen "Ach was!" horchten ganze Jahrgänge auf. Vicco von Bülows alias Loriots Figuren sind Allgemeingut zumindest der sagen wir mal über 40-Jährigen, und auch manche Jüngere sollen im Netz noch Evelyn Hamann und Loriot bei ihren verzweifelten Versuchen, zueinander zu finden, eifrig anklicken.

Grund genug also fürs Bamberger Theater, für den Jahreswechsel ein Potpourri mit Loriots "Dramatischen Werken und Sketchen" unter dem Titel "Bitte sagen Sie jetzt nichts" auf den Spielplan zu setzen als mutmaßlichen Publikumsmagneten  die Silvester-Vorstellung war denn auch gleich ausverkauft.

Entstanden ist eine brave und handwerklich durchaus gelungene Reproduktion sehr bekannter Szenen von der "Jodelschule" über den "Lottogewinner" bis zu den beiden "Herren im Bad". Schon das Bühnenbild (Jens Hübner) ließ die Nostalgieshow erahnen, die einen erwartete: Ein gigantischer Fernsehschirm mit zwei Drehknöpfen (drei Programme!) war angedeutet, durch den man ins wirklich gut getroffene 70er-Jahre-Milieu blickte. Da liegt ein Flokati auf dem Boden, da trägt ein Reporter einen Radiorecorder, da haben Fernsehredakteure lange Haare und tragen Nickel- statt Nerdbrillen, da umspielen Schlaghosen die Beine. Loriot hat ja in dieser Dekade seine größten Erfolge gefeiert, Intellektuelle wie Massenpublikum ("Wum") gleichermaßen begeistert.

Regisseur Peter Kesten führte sein junges Schauspieler-Team an der kurzen Leine. Erstaunlich originalgetreu bis in Intonation und Körperhaltung hinein wurden bekannte Fernseh- und Zeichentrick-Szenen für die Bühne umgesetzt. Der Opa stampft in "Weihnacht" wie weiland Loriot himself über die Bühne, der Trikotagen-Chef Meltzer und seine devote Sekretärin Fräulein Dinkel (hier besonders evelynhamannesk Nadine Panjas) verhaspeln sich heillos im Dickicht der Begierden und Konventionen, die biedere Hausfrau im "Vertreterbesuch" ("Es saugt und bläst der Heinzelmann") - die junge Ulrike Schlegel trifft Hamann ebenfalls ganz hervorragend  torkelt allerliebst angeschickert durch die Kleinbürger-Wohnung.

Thomas Jutzler im präzise gespielten Slapstick-Sketch "Das schiefe Bild", Patrick L. Schmitz, Gerald Leiß (die beiden z.B. schön als Müller-Lüdenscheidt und Doktor Klöbner in "Herren im Bad") überzeugen in wechselnden Rollen genauso. Ulrich Bosch nicht zu vergessen etwa als "Vampyr" mit Seitenhieben auf die "sozialistische Regierung" (der SPD, das waren noch Zeiten).

Das war gewiss ganz lustig und wurde auch immer wieder mit Szenenapplaus belohnt. Warum aber ging man aber mit dem Gefühl "Es war einmal ..." hinaus? Weil es Szenen einer bereits vergangenen Welt sind. Loriots Komik entsteht aus dem verzweifelten Bemühen seiner Personen, in entgleisenden Situationen bürgerliche Formen zu wahren. Es ist eine Bürgerlichkeit, die so kaum mehr existiert, so wie sich vor allem die Frauenrolle radikal gewandelt hat.

Das unterwürfige Fräulein, die zänkisch gewordene Hausfrau ("Das Ei") dürften heute Zwanzigjährigen vorkommen wie Figuren aus einem fernen Land. Zudem kennt man die Pointen. Wenn man vielleicht Entlegeneres wie die "Abschlägige Antwort an einen Lustmörder" für die Revue ausgewählt hätte?
Dennoch, ein heiterer Abend ist "Bitte sagen Sie jetzt nichts" sowieso. Ein wehmütiger Abend auch, denn der Humor Loriots steht zu dem sagen wir mal Mario Barths im selben Verhältnis wie eine Beethoven-Sonate zu einem Motörhead-Konzert. Mindestens.


Termine und Karten

Weitere Vorstellungen am 20.-22.12., 28.-31.12., 4./5., 18.-20., 26./27.1. Karten unter Tel. 0951/873030 oder E-Mail kasse.theater@stadt.bamberg.de