Druckartikel: Missbrauchsstudie für Erzbistum Bamberg steht an - "Möglichst umfassendes Bild"

Missbrauchsstudie für Erzbistum Bamberg steht an - "Möglichst umfassendes Bild"


Autor: Isabel Schaffner

Bamberg, Freitag, 24. Mai 2024

Am 1. Juli 2024 beginnt eine wissenschaftliche Studie zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Bamberg. Dabei nehme die Befragung Betroffener "einen besonderen Stellenwert" ein.
Ein Kreuz im Altarbereich des Bamberger Doms. Eine Studie soll weiter Licht ins Dunkel der Missbrauchsfälle zwischen 1946 und 2022 bringen.


Bambergs Erzbischof Herwig Gössl hatte 2023 nach seiner Ernennung ein Missbrauchsgutachten für das Erzbistum angekündigt. Man wolle die Fälle "systematisch bearbeiten", sagte er im Dezember. 2018 hatte das Erzbistum erschreckende Zahlen - Hinweise auf Missbrauch in 88 Fällen - auf Grundlage einer Studie der Deutschen Bischofskonferenz vorgelegt. Das Erzbistum München-Freising veröffentlichte seine Studie Anfang 2022. In dem Jahr brach ein Ex-Ministrant aus dem Kreis Bamberg sein Schweigen und berichtete von grausamen Misshandlungen durch einen Pfarrer

Am Dienstag (21. Mai 2024) stellte die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Bamberg eine geplante wissenschaftliche Studie im Detail vor. Sie sei für den Zeitraum vom 1. Juli 2024 bis zum 31. Dezember 2026 ausgelegt und solle helfen, das "quantitative Ausmaß des durch Kleriker an Kindern, Jugendlichen und Schutzbedürftigen begangenen sexuellen Missbrauchs im Zeitraum von 1946 bis 2022 weiter" aufzuklären. Interviews spielten dabei eine entscheidende Rolle.

Erzdiözese Bamberg will sexuellen Missbrauch mit Studie aufarbeiten - Betroffene sollen sich melden

Anfang Mai 2024 habe die Erzdiözese Bamberg mit der Universität Greifswald und der Psychologischen Hochschule Berlin eine Kooperationsvereinbarung zur Durchführung des Forschungsprojekts abgeschlossen. Geleitet werde es von dem Kriminologen und Strafrechtler Stefan Harrendorf aus Greifswald, der Berliner Rechtspsychologin Renate Volbert und der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Bamberg.

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Die Unabhängige Kommission nehme in diesem Rahmen alle Aufgaben, Rechte und Pflichten der Erzdiözese Bamberg wahr, "um eine unabhängige Aufklärung zu gewährleisten", wie es heißt. Ein Zugang seien "Interviews mit Betroffenen und Zeitzeugen, insbesondere kirchlichen Funktionsträgern". Die Befragung der Geschädigten nehme "einen besonderen Stellenwert ein, weil zu den Erfahrungen aus Betroffenensicht bislang nur wenige systematische Untersuchungen" vorlägen. Ziel sei, "ein möglichst umfassendes Bild vom Umfang des sexuellen Missbrauchs zu gewinnen".

Das Erzbistum Bamberg ruft dazu von sexualisierter Gewalt Betroffene auf, um im Rahmen der Studie von ihren Erfahrungen zu berichten. Dazu werden sie gebeten, sich an Renate Volbert, Professorin für Rechtspsychologie, Psychologische Universität Berlin, Am Köllnischen Park 2, 10179 Berlin (E-Mail: r.volbert@phb.de) zu wenden. "Die Betroffenen haben zu jeder Zeit die vollständige Kontrolle bezüglich ihrer Beteiligung am Forschungsprojekt. Allen befragten Betroffenen wird Verschwiegenheit gegenüber Dritten sowie die Anonymisierung ihrer personenbezogenen Daten für Dritte in der Veröffentlichung zugesichert", betont die Kommission.

"Etwaiges Fehlverhalten von Führungspersonal" soll analysiert werden 

Diejenigen, die sich für den Untersuchungszeitraum 1946 bis 2022 bisher noch nicht an kirchliche oder staatliche Stellen gewandt haben, bittet das Erzbistum, sich bei den Missbrauchsbeauftragten der Erzdiözese Bamberg zu melden. Die Kontaktdaten seien online zu finden. Noch nicht gemeldete Fälle, die bis spätestens zum 31. Dezember 2024 gemeldet werden, könnten noch Eingang in die Studie finden.

Neben den Missbrauchserfahrungen und deren Folgen solle es bei der Befragung auch um "Offenbarungsprozesse, Reaktionen auf Offenbarungen und den Umgang mit den Betroffenen seitens der kirchlichen Verantwortungsträger" gehen. Dazu gehörten "die Analyse von Einzelfällen, die Feststellung von Verantwortlichkeiten und etwaigem Fehlverhalten von Führungspersonal der Erzdiözese, die Identifikation begünstigender struktureller Einflussfaktoren für sexuellen Missbrauch sowie die Bewertung der Möglichkeiten zur Prävention und Intervention im Erzbistum Bamberg".

Das Forscherteam habe Zugriff auf "die Akten und Dokumente aus dem gesamten Datenbestand der Erzdiözese Bamberg". Informationen über den weiteren Fortgang des Forschungsprojektes seien auf der Website der Unabhängigen Aufarbeitungskommission zu finden. Weitere Fragen können an die E-Mail-Adresse info@kommission-bamberg.de gewandt werden.

Kritik an langsamer Reaktion des Erzbistums Bamberg: Pfarrer erhielt Jahrzehnte nach Taten Predigtverbot

In den vergangenen Jahren gerieten das Thema Missbrauch und der Umgang des Erzbistums Bamberg damit immer wieder in die Schlagzeilen. Kritik wurde vor allem darüber laut, dass Fälle teils erst nach Jahrzehnten an die Öffentlichkeit gerieten.

Nach zunehmendem Bedenken einer fränkischen Gemeinde erhielt ein Pfarrer 2022 ein Predigtverbot, nachdem er über sieben Jahre hinweg von Ende der 1980er- bis zur Mitte der 1990er-Jahre einen Jugendlichen sexuell missbraucht hatte.

In einem anderen Artikel fragte inFranken.de 2022, warum der damalige Erzbischof Ludwig Schick über Jahre zu sexuellen Missbrauchsfällen durch den langjährigen Wallenfelser Pfarrer Dieter S. schwieg. Der Missbrauchspfarrer musste in den 1960er Jahren zur "Besinnung" kurz ins Kloster - und machte danach weiter