Der Landkreis Bamberg ist Gründungsmitglied der "Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen". Künftig soll der Kreis die eigenen Aufnahmekriterien selbst erfüllen. Doch wer koordiniert das Projekt?
Braucht der Landkreis Bamberg einen Fahrradbeauftragten? Ja, wenn er weiterhin das Siegel der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) anstrebt. Als Gründungsmitglied ist der Landkreis seit Februar in dieser Arbeitsgemeinschaft, der inzwischen 38 bayerische Kommunen, darunter sechs Landkreise (Bamberg, Coburg, Fürth, Nürnberg, Augsburg und Starnberg) angehören. Laut Satzung müssen die Gründungsmitglieder innerhalb von vier Jahren, also bis Februar 2016, die Kriterien der AGFK erfüllen, um dabei bleiben zu dürfen. Dazu zählt nicht nur eine Infrastruktur für Radtouristen, sondern auch eine konzeptionelle Förderung des gesamten Fahrradverkehrs.
Am 26. März hatte der Kreisausschuss einstimmig beschlossen, "unverzüglich die organisatorischen, personellen und finanziellen Vorkehrungen" zu treffen, um die Aufnahmekriterien der AGFK zu erfüllen.
Dennoch gab es nun eine längere Diskussion um die neue Stelle eines Fahrradbeauftragten als Koordinator der Bemühungen.
Verteilt auf drei Fachbereiche Bisher ist der Radverkehr im Landkreis Angelegenheit von drei verschiedenen Fachbereichen des Landratsamtes: Um den touristischen Aspekt kümmert sich die Wirtschaftsförderung, die Mitgliedschaft im AGFK fällt in die Zuständigkeit des Öffentlichen Personennahverkehrs, da die Förderung des nicht-touristischen Radverkehrs Bestandteil des Nahverkehrsplans ist, und schließlich baut der Kreisbauhof Radwege.
Die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit zwischen den drei Fachbereichen besser zu koordinieren unterstrich CSU-Fraktionssprecher Wolfgang Möhrlein. Man habe A gesagt und sage nun B.
"Das Thema insgesamt passt in den Landkreis", stellte Möhrlein fest.
"Etwas erstaunt" über das Ansinnen, eine neue Stelle zu schaffen zeigte sich Bruno Kellner (FW-ÜWG). Er lehne es nicht generell ab, bitte aber zu bedenken, ob es zu den diversen Beauftragen noch weitere brauche. Zudem funktioniere der Radtourismus bereits. "Wir haben ein funktionierendes Tourismuskonzept, weil es koordiniert wurde", entgegnete Landrat Johann Kalb (CSU). Er verwies auch auf den einstimmigen Beschluss des Kreisausschusses vom März, diesen Weg weiterzuverfolgen. "Wir brauchen jemanden, der das bis 2016 in die Hand nimmt", meinte Kalb. Jetzt auf eine 20-Stunden-Stelle zu verzichten, wäre jedoch ein fatales Signal, so Kalb.
Ansprechpartner für Gemeinden Helmut Krämer (CSU) begrüßte die Diskussion.
Schließlich müsse man klären, was auf den Landkreis und die Gemeinden zu komme. Die Grundidee sei jedenfalls gut. Kellners Vorschlag, die Mitgliedschaft den einzelnen Gemeinden selbst zu überlassen, konterte er mit den Worten: "Wenn der Landkreis das nicht in die Hand nimmt, wird nichts passieren." Krämer teilte die Ansicht, dass bereits viel geschaffen worden sei. Man müsse es jedoch bewerben - wobei ein Prädikat hilfreich wäre.
Der Argumentation Kellners schloss sich Ekkehard Hojer (BBL) an. "Der Landkreis ist fahrradfreundlich", stellte er fest. Dass man sich auf dem bisher erreichten nicht ausruhen solle, betonte dagegen Bernd Fricke (Grüne). Es sei nötig, jetzt den nächsten Schritt zu machen. Denn der Fahrradverkehr, nicht nur der touristische, werde nicht zuletzt wegen der E-Bikes weiter zunehmen. Ein Fahrradbeauftragter sei wichtig als Ansprechpartner für die Gemeinden.
Auf eine gewisse Skepsis unter den Bürgermeistern verwies Carsten Joneitis (SPD) und regte eine Vertagung des Themas an, um es vorher mit den Gemeinden abzusprechen.
Kalb bot an, die Bürgermeister nach einer sogenannten Vorbereisung durch die Bewertungskommission der AGFK im kommenden Frühjahr zu informieren. Diese Vorbereisung, bei der eine Liste erstellt wird, was noch zu verbessern ist, soll vom Fahrradbeauftragten vorbereitet werden. Das weitere Vorgehen - und auch die Zukunft des Fahrradbeauftragten - soll dann auf der Bürgermeisterversammlung besprochen werden. Bei zwei Gegenstimmen beschloss der Kreisausschuss diese Lösung.
Werden die fachlichen Kriterien für die endgültige Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen herangezogen, fällt der Landkreis Bamberg mit Pauken und Trompeten durch. Denn zu den zu erfüllenden Kriterien gehört, die fachlichen Regelwerke für die Gestaltung von Radverkehrsanlagen zu beachten. Davon ist der Landkreis weit entfernt.
Kaum meterbreiter gemeinsamer Zweirichtungsfuß- und -radweg in Viereth, hochgefährliche Radverkehrsführungen an Kreisverkehren in Viereth, Hallstadt und bei Altendorf / Buttenheim, gefährliche und behindernde Umlaufsperren im Verlauf von Fahrradrouten, mehrere Zentimeter hohe Bordsteinkanten an Radwegzufahrten, umständliche und zeitraubende Verkehrsführung nach Memmelsdorf, gefährliches Radwegende mitten in den Querverkehr in Bischberg, ... - die Reihe ließe sich nahezu endlos fortführen. Radwegbenutzungspflichten, von Rechts wegen rechtfertigungsbedürftige Ausnahmen und nur unter Beachtung strenger Bedingungen zulässig, werden ohne Beachtung derselben nach Gutdünken angeordnet.
Etliche dieser Schildbürgerstreiche sind jüngeren Datums, werden (Kreisverkehr im Gewerbegebiet Laubanger) seitens der Verkehrsabteilung im Landratsamt vehement verteidigt. So leugnete diese bei entsprechender Vorlage schon vor geraumer Zeit, daß der Radweg entlang der Nürnberger Straße in Hirschaid (kaum Lenkerbreite, kaum Platz für Fußgänger, kein Sicherheitsabstand zu Parkstreifen, unsteter Verlauf, riskante Querung von Einmündungen) ein Risiko beinhalte. Kürzlich kostete er eine Radlerin das Leben.
Zu befürchten ist, daß der Landkreis der Bereisungskommission der AGFK nur ein paar Schokoladenstücke vorführen wird. Für den Alltagsverkehr sind diese schwerlich aussagekräftig. Den Radverkehr auf Tourismus und Wochenendfreizeit zu reduzieren, wird aber seiner Bedeutung nicht gerecht. Dieser Erkenntnis verweigern sich die zuständigen Politiker und Behördenverantwortlichen seit Jahren konsequent.