Luftballons sollen steigen und Botschaften übermitteln: Eine bunte Aktion erwartet Bamberg am 17. Mai zum "Day against Homophobia". Homosexuelle fordern am Gabelmann mehr gesellschaftliche Akzeptanz. Dass es daran noch immer mangelt, berichten zwei Vorstandsmitglieder von Uferlos.
"Man gab mir einen Orden, weil ich zwei Männer tötete, und feuerte mich, weil ich einen Mann liebte", steht auf dem Grab eines 1988 verstorbenen amerikanischen Unteroffiziers. Welch fragwürdiges Verständnis von Moral verbirgt sich dahinter - akzeptiert von einer schweigenden Mehrheit. Ist es ein Vierteljahrhundert später aber total normal, schwul oder lesbisch zu sein? Oder verbirgt sich hinter der Akzeptanz Vorzeige-Homosexueller wie beispielsweise Berlins Regierendem Bürgermeister nur Pseudo-Toleranz, während im persönlichen Bereich die Masken fallen? Bunte Luftballons sollen am 17. Mai am Gabelmann fliegen, um erstmals auch in der Domstadt am "Day against Homophobia" Zeichen zu setzen. "Wir wollen die Emanzipation Schwuler und Lesben weiter tragen - bis in die Provinz", sagt der Pressesprecher des Vereins Uferlos, der namentlich nicht genannt werden möchte.
Wüst beschimpft Keine Namensnennung eines Pressesprechers? Schämt sich der 36-Jährige etwa dafür, dass er Männer liebt? Nein, sicher nicht. Seine Zurückhaltung spiegelt Erfahrungen wider, die der Homosexuelle im persönlichen Umfeld, aber auch der Anonymität machte. "Hand in Hand mit einem Freund durch die Stadt zu gehen, musst du dich erst mal trauen", meint der im kreativen Bereich tätige Franke in der ach so toleranten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. In einer Stadt wie Nürnberg sei er schon wüst beschimpft worden.
Während sich in Bamberg ein Faschingsfan fassungslos angesichts der Uferlos-Straßenumzugsteilnehmer zeigte: "Schwul? Naa, wirklich? Ja, spinnt denn Ihr?", so die vielsagende Reaktion.
Bis heute ist der 36-jährige Homosexuelle familiär auch nur partiell geoutet: "Meine Mutter war schockiert, als ich mit ihr erstmals über meine sexuelle Orientierung sprach, mein Vater weiß bis heute offiziell nichts." Eine Mauer des Schweigens, die an keiner Stelle mehr bröckelt, verhindert weitere Dissonanzen. Demnach hält sich der Bamberger Uferlos-Sprecher aus Rücksicht auf seine Familie auch lieber zurück, als namentlich in der Öffentlichkeit zu stehen.
Aus der Liste gestrichen Vorbei sind die Zeiten, in denen Homosexualität als Krankheit galt (von der Weltgesundheitsorganisation am 17. Mai 1990 aus der Liste gestrichen). Vorbei die Zeiten, in denen es nach einem "Lindenstraßen"-Männerkuss noch Bombendrohungen gegen die Produktionsfirma gab.
Die Aids-bedingte neue Homophobie der 80er Jahre ist Geschichte.
Die rechtliche Gleichstellung kommt voran. Von einem Ende aller Klammheimlichkeiten und Selbstverleugnung kann aber dennoch keine Rede sein. "Man geht davon aus, dass fünf bis zehn Prozent aller Frauen und Männer gleichgeschlechtlich orientiert sind. Zu outen wagt sich aber nur etwa jeder Vierte", so der Uferlos-Sprecher.
Ist die Zeit des Kampfes vorbei? Dreieinhalb Jahrzehnte lang gibt es in Bamberg mittlerweile Uferlos. Über 70 Mitglieder gehören der Vereinigung an, wobei die Zahlen auch schon höher lagen. Ist die Zeit des gemeinsamen Kampfes angesichts verbesserter Rahmenbedingungen vorbei, während sich in den Köpfen der Mehrheit die alten, immer gleichen Ressentiments halten und von Generation zu Generation weitergegeben werden? "61 Prozent der deutschen Jugendlichen haben gegenüber ‚Schwulen‘ und ‚Lesben‘ eine Negativeinstellung", heißt es in
der repräsentativen mündlichen Befragung eines Marktforschungsinstituts unter 12- bis 17-Jährigen aus dem Jahr 2002 - Tendenz steigend (nachzulesen bei Wikipedia).
Gerade Stars wie Bushido machten die Hetze gegenüber Homosexuellen in jüngster Zeit fast wieder salonfähig. "Ja, die junge Generation hat's schwerer", sagt Martin Class als Vorsitzender von Uferlos. Eine Entwicklung, der man in Bamberg mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit begegnen will. So geht es beim ersten Rainbowflash am 17. Mai ab 17 Uhr am Gabelmann auch nicht um Forderungen gegenüber Politik und Gesetzgebung, sondern gesellschaftliche Akzeptanz, wie sie im 21. Jahrhundert selbstverständlich sein sollte.
Aktion und Infostand "2012 fand der Flashmob bereits in Hamburg, Köln, Dresden, Wiesbaden und über 50 weiteren Städten der Welt statt", berichtet Class. In Bamberg veranstalte man ihn zusammen mit der Aidshilfe Oberfranken, die sich am Infostand am Gabelmann ebenfalls beteiligt. "Denn wir Schwule haben auch in dieser Hinsicht unsere Lektion gelernt", so der Uferlos-Vorsitzende.