Hier können sie umbringen, wen sie wollen

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Der Memmelsdorfer Autor Gerd Groß bei der Schreibwerkstatt in der JVA Bamberg Foto: Matthias Hoch
Der Memmelsdorfer Autor Gerd Groß bei der Schreibwerkstatt in der JVA Bamberg Foto: Matthias Hoch

Der Memmelsdorfer Autor Gerd Groß hat zum 100. Mal zur Schreibwerkstatt in der Bamberger Vollzugsanstalt geladen. 180 Texte und zwei Romane hat er schon betreut.

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Soziales Engagement gehört zum Selbstverständnis von Gerd Groß und Schreiben zu seinem Leben. Genau das hat den 67-Jährigen ins Gefängnis gebracht: Jeden Montag von 17.30 bis 19.30 Uhr. Seit 4. März letzten Jahres und in dieser Woche zum nunmehr 100. Mal. Groß ist ehemaliger Gymnasiallehrer und Autor mehrerer Lyrik- und Kinderbuch-Bände.

Zur Feier des kleinen Jubiläums hat der Memmelsdorfer neben geistiger Nahrung auch Pizza dabei für die kleine Gruppe, die sich da wieder in der Gefängniskirche versammelt.

"Eingesperrt sein war für mich schon immer eine der schlimmsten Vorstellungen", sagt Groß. Und doch wollte er probieren, ob er es im Gefängnis aushalten würde. Denn nachdem er sich mehrere Jahre am Elterntelefon des Kinderschutzbundes engagiert hatte, suchte er nach einem neuen Betätigungsfeld. In Sachen Schreibwerkstatt im Knast - in Ebrach gibt es die dank einer Kooperation mit dem Internationalen Künstlerhaus seit vielen Jahren - fragte er zuerst bei der Carithek nach, ob es in Bamberg so etwas gebe. Tat es nicht.

Daraufhin nahm er mit dem Bamberger Gefängnis-Seelsorger Kontakt auf und fragte, ob der eine Schreibwerkstatt für denkbar und sinnvoll erachtete. Der Geistliche war dafür und Gerd Groß besuchte erst einmal ein paar Monate die Christengruppe in der Bamberger Vollzugsanstalt. "Es ging darum, zu erfahren, ob ich es aushalte, eingesperrt zu sein."

Warum wollte er das Schreiben ins Gefängnis bringen? Aus persönlichen Erfahrungen heraus. Literatur sei für ihn oft tröstlich gewesen. "Durchs Schreiben kommt man auch sich selbst oft auf die Schliche. Es macht weich, aufmerksam, empfänglich, es gibt Sicherheit und eine gewisse Freiheit." Kurzum Schreiben kann helfen. "Und man kann umbringen, wen man möchte", merkt Groß halb scherzhaft an. Was er gerade im Gefängnis als einen entscheidenden Aspekt ausgemacht hat, ist, dass man sich schreibenderweise leichter mit seinen Fehlern auseinandersetzen kann und zwar, "ohne dass da ein Richter ist."

Gerd Groß begegnet den Mitgliedern der Schreibwerkstatt vorurteilsfrei. Wenn jemand über seine Tat reden will, kann er das, muss aber nicht. Viele möchten. Neue Einblicke in eine andere Welt. Die Gruppen sind oft sehr gemischt: Verurteilte neben Untersuchungs-Häftlingen, der bislang jüngste Teilnehmer war 19, der älteste 65. Vom Analphabeten bis zum Akademiker ist alles dabei. Über die Teilnahme selbst entscheidet die Gefängnisverwaltung.

Archaische Themen

Was sind die Themen? Es gehe hier recht archaisch zu: Liebe, aber auch Hass seien die großen Themen. Meist beginne er mit einer Farbe und den Assoziationen dazu. Darüber wird gesprochen und dabei ergeben sich Themen, meist widmet man sich ihnen in Gedichten. Die Gruppe bespricht die Werke. Groß nimmt sie mit nach Hause, überarbeitet sie nach orthografischen Aspekten und gibt sie dann sauber ausgedruckt zurück. Das habe dann eine ganz andere Wertigkeit, findet er. Eine Kopie bleibt bei ihm. Inzwischen hat er so viel Stoff, dass der gut ein bis zwei Bücher füllen könnte: 180 Texte und zwei Romane. "Es wäre toll, wenn jemand die veröffentlichen würde." Dass solche Werke ankommen, belegt er mit einem Beispiel aus Lübeck. Texte aus dem dortigen Gefängnis werden in der Obdachlosen-Zeitung abgedruckt und sind da "der Renner".

Sind die Beiträge der Schreibwerkstatt dann nur für die Schublade? Es gibt auch Lesungen im Gefängnis, allerdings nur für die Gefangenen, so Groß. Er erlebe, wie manch einer da richtig stolz auf sein Werk ist. Stolz darauf, etwas geschaffen zu haben, was nichts mit Kriminalität zu tun hat. Manche bringen Talent mit, andere entdecken es. Etliche Teilnehmer seien allerdings einfach nur froh über die Abwechslung im tristen Gefängnisalltag und dass sie in der Schreibwerkstatt das Gefühl haben, etwas gegen das Verblöden zu tun.

Und was hat Groß von seinem Engagement? "Ich habe wieder mehr über das Leben gelernt." Denn wenn im Gefängnis die Geschichte besprochen ist, so nimmt Groß sie doch mit, bewegt sie ihn weiter. Ein Thema hat schon in einem Gedicht Ausdruck gefunden. Anderes hat er im Notizbuch notiert, das er stets bei sich hat. Vielen aus der Schreibwerkstatt schenkt er übrigens ein Notizbuch "für positive Gedanken."


Nachfolger gesucht

Etwa zwei Jahre oder so möchte Gerd Groß die Schreibwerkstatt hier noch weiter leiten, dann wünscht er sich einen Nachfolger. Einen, dem Literatur etwas bedeutet, und einen, der den Menschen hier vorurteilsfrei begegnet und verantwortungsbewusst ist. Ach ja und das vorübergehende Eingesperrtsein sollte ihm nichts ausmachen.