Heiß auf Eis? So eroberten Gelatieri Bamberg

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Ein Bild aus Trümmerjahren, das die "Venezianische Eis-Diele" hinter dem Gabelmann zeigt. Foto: Familie Vittoria
Ein Bild aus Trümmerjahren, das die "Venezianische Eis-Diele" hinter dem Gabelmann zeigt. Foto: Familie Vittoria
Hätten Sie ihn erkannt? Claudio Giacomini, der heutige Inhaber des Eiscafés Lido im Herzen der Stadt, mit zwei Kolleginnen Ende der Sixties.
Hätten Sie ihn erkannt? Claudio Giacomini, der heutige Inhaber des Eiscafés Lido im Herzen der Stadt, mit zwei Kolleginnen Ende der Sixties.
 
Attilio Vittoria mit seinen beiden Söhnen Pierluigi und Giuseppe.
Attilio Vittoria mit seinen beiden Söhnen Pierluigi und Giuseppe.
 
 

Er kam aus dem Tal der Eiskonditoren. Im ersten Kriegsjahr eröffnete Attilio Vittoria das Eiscafé Venezia im Herzen von Bamberg, in dem heute schon die vierte Generation italienisch-fränkischer Gelatieri heranwächst. Für eine fast 50-jährige Eismacher-Familientradition steht der Name Lido.

Heiß auf Eis? Ja! Sobald sich heute Punkt Mitternacht endlich auch die "kalte Sophie" verzieht, gilt es wieder den zarten Schmelz des Südens auszukosten. Wobei die 1-Euro-Marke mittlerweile Bamberg erreichte. Immerhin haben Genießer mehr Wahlmöglichkeiten denn je, um sich die Kugel(n) zu geben. Ganz anders als in den Pionierjahren, in denen kaum mehr in die Tüte kam als Nuss, Schoko, Vanille und Erdbeer. Dennoch eroberten italienische Gelatieri in den 20er Jahren die Weimarer Republik: Bitterarme Familien aus den Dolomiten, die ihr Glück als Eiskonditoren vier Jahrzehnte vor dem Siegeszug der Pizzabäcker versuchten.



"Venezia" heißt Bambergs ältestes italienisches Eiscafé. Im Herzen der Stadt steht Nino Vittoria an der Eistheke, wie einst sein Vater Pierluigi und Großvater Attilio. Mit Attilio Vittorias "Venezianischer Eis-Diele hinter dem Gabelmann" begann 1939 die Geschichte der Bamberger Gelatieri-Dynastie. "Aus Dozza kam meine Familie, einem Ort im Val Zoldana, dem Tal der Eismacher", berichtet der Enkel des Pioniers. "Weder Waffeln noch Becher gab's damals. Meine Großeltern reichten der Kundschaft das Eis in Papierfolie, eine Kugel für vielleicht 5 Pfennige."

Erster Eiswagen am Wiener Prater
Doch blenden wir weiter zurück: In die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Gelatiere aus eben dem Val Zoldana und dem benachbarten Cadore-Tal nach Österreich-Ungarn auszuwandern begannen. Tomea Antonio Bareta durfte 1865 als erster Italiener im Wiener Prater ein Eiswagerl aufzustellen. Und von der Walzermetropole schwärmten bald zahllose Eismacher aus, wie die Union der italienischen Speiseeishersteller auf ihrer Homepage ausführt. "Sie folgten den neu angelegten Eisenbahnlinien" und siedelten sich auch in deutschen Städten wie Darmstadt, Hannover und Köln an, von wo aus sich die süße n Köstlichkeiten weiter verbreiteten. "Eine der ersten Kölner Eisdielen, die heute leider nicht mehr existiert, besaß mein Urgroßvater ,Lalo'", berichtet Nino Vittoria in dem Zusammenhang.

Erdbeer, Zitrone, Schoko, Vanille und Nuss waren Sorten, die Attilio Vittoria Ende der 30er Jahres Bambergern offerierte, wie sich sein Enkel erinnert. Und die Kundschaft ließ sich seine Kreationen auf der Zunge zergehen. "So gründete unsere Familie in der Nachkriegszeit weitere Eisdielen - meine Großtante Gina mit ihrem Mann beispielsweise in der Luitpoldstraße."

"Sekt" floppte
Mehr als verdreifacht hat sich die Zahl der Eissorten im "Venzia" in den vergangenen sieben Jahrzehnten. Wobei sich gerade Klassiker Nino Vittoria zufolge besonderer Beliebtheit erfreuen, während "Sekt" und andere Geschmacksexperimente kaum Anklang fanden. Vittorias sechsjährige Tochter Valeria steht übrigens auf "Jogurt". Ja, schon wächst die nächste Generation heran, um die Kunst der Eiskonditoren zu lernen.

Über 30 Sorten bietet das "Lido" der Gartenstadt, das nun auch schon eine fast fünf Jahrzehnte lange Tradition hat. 1965 eröffnete Alberto Dal Fabbro sein Eiscafé zu einer Zeit, als die Kugel noch 10 Pfennig kostete, wie er sich erinnert. Mit zehn Geschmacksvarianten fing der Eismacher an, darunter Amaretto, Mokka, Pistazie und Malaga. Rasch fanden Dal Fabbros Rezepte auch so viel Anklang, dass der Wahlbamberger 1968 am Gabelmann das zweite Lido eröffnete und zusammen mit seinem Bruder führte. Hier begann der heutige Inhaber Claudio Giacomini 1971 als Verkäufer und stieg in den kommenden Jahren zum Geschäftsführer auf. 1990 übernahm der Eiskonditor das Lido.

Wie Nino Vittoria lehnt Claudio Giacomini schrille Experimente ab, obwohl er in seinem Café 33 Varianten zu bieten hat. Bier- oder Kartoffeleis sucht man hier also vergeblich. "Dann müsste ich eine andere Geschmacksrichtung aufgeben, die meine Kunden lieben. Gerade weiße Schokolade und Cookies sind derzeit der Renner", argumentiert Giacomini. Übrigens gibt's die Kugel im Lido (und dem Lido dal Fabbro der Gartenstadt) noch für unter 1 Euro, obwohl die Kosten seit der Euro-Umstellung stetig stiegen, wie Claudio Giacomini beklagt. Und auch in den beiden Lido-Cafés führt der Nachwuchs die Familientradition im Sinne der Väter in die Zukunft. Nostalgie . . .