Großes Kino: Bambergs Jubiläumskurzfilmtage

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Festivalkoordinator Volker Traumann Foto: Kurzfilmtage
Festivalkoordinator Volker Traumann Foto: Kurzfilmtage

Am 23. Februar hebt sich in Bamberg zum 25. Mal der Vorhang der Kurzfilmtage. Wir sprachen mit Organisator Volker Traumann über die Pionierzeiten, prominente Gewinner der Bamberger "Oscars" und Highlights der Jubiläumswoche. Darüber hinaus gibt's Videos zu diversen genannten Filmen.

Seit einem Vierteljahrhundert profiliert sich Bamberg als Eldorado der Kurzfilmfans. Kreative Köpfe aus verschiedensten Ländern beweisen sich alle Jahre wieder an der Regnitz in der Königsdisziplin der Filmemacher. So wurde das Bamberger Kurzfilmfestival im Freistaat auch zum Wegbereiter anderer Wettbewerbe wie der Regensburger Kurzfilmwoche und des internationalen Münchner Kurzfilmfestivals "Bunter Hund". Volker Traumann führt bei den Bamberger Kurzfilmtagen seit 2006 die Regie und verhalf dem Event zu seiner heutigen Größe und Bedeutung. So baten wir den Mann hinter den Kulissen zum Interview, bevor sich am Montag zum 25. Mal der Vorhang hebt.

Ein stolzes Jubiläum feiert Bayerns ältestes Kurzfilmfestival heuer. Doch blenden wir zurück zu den Anfängen: Wie begann die Geschichte der Kurzfilmtage?
Volker Traumann: Studentische Filmclubs hoben das Festival 1991 aus der Taufe. Zu einer Zeit, als im Lichtspiel (damals noch Rex) erotische Filme auf ein anderweitig orientiertes Publikum abzielten. Vorgeführt wurden an sechs Tagen 30 Filme: im UFA-Kinocenter, im Strandcafé der Memmelsdorfer Straße, im Palais Schrottenberg und im Hörsaal 1 der Universität. Was ich aber selbst nicht miterlebte, da ich erst im Jahr 2000 zu dem Festival stieß.


Als Vorfilme kennengelernt
Ihre erste Begegnung mit dem Genre? Wie wurden Sie vom Zuschauer zum Organisator?
Bevor ich nach Bamberg kam, waren Kurzfilme für mich in erster Linie Vorfilme, nach denen man im Kino früher den Hauptfilm sah. Als Theaterpädagoge komme ich ja auch aus einem anderen künstlerischen Bereich. Die Bandbreite, Vielfalt und besondere Ästhetik des Genres lernte ich tatsächlich erst im Jahr 2000 kennen. Ich liebe beispielsweise auch Animationsfilme, die anderweitig kaum auf der Leinwand zu sehen sind. So trat ich damals gleich dem Orga-Team bei, das ich seit 2006 leite.


Panne: Interviewpartner nicht verstanden
Was war die größte Panne in all den Jahren? Was waren die bewegendsten Momente?
Peinlich war ein Interview, das wir im Kino vor großem Publikum mit einem französischsprachigen Filmemacher aus der Schweiz führten. Eine Studentin hatte sich als Dolmetscherin angeboten. Nur war sie vom Dialekt und Fachwortschatz des Regisseurs hoffnungslos überfordert. Er sprach, sie blickte gebannt auf seine Lippen, zuckte dann aber nur mit den Schultern - und das live vor all den Zuschauern. Wunderbar sind Momente, in denen man Filmemachern ganz persönlich begegnet. Wie im vergangenen Jahr auch Alexandre Espigares, mit dem wir über die bevorstehende Oscarverleihung sprachen. Espigares "Mr Hublot" war nominiert und gewann die Auszeichnung einige Wochen später tatsächlich in der Kategorie "Bester Animations-Kurzfilm". So waren wir wieder ganz nah dran am großen Geschehen.

Bei welchen Filmemachern war die Bamberger Auszeichnung wegweisend - für den Oscar?
Bei Pepe Danquart, der mit "Schwarzfahrer" 1994 den Oscar für den besten Kurzfilm gewann. Und bei Jochen Alexander Freydank, dem der Oscar in der Kategorie Kurzspielfilm 2009 verliehen wurde.


Detlev Buck, Tom Tykwer, Andreas Dresen und andere
Große Filmemacher präsentierten in Bamberg erste Kurzfilme, bevor ihnen der Durchbruch gelang. An wen erinnern Sie sich?
Das waren neben Danquart und Freydank Tom Tykwer ("Das Parfum"), Detlev Buck ("Männerpension"), Andreas Dresen ("Sommer vorm Balkon, Wolke 9"), Peter Thorwarth ("Was nicht passt, wird passend gemacht") und Florian Henckel von Donnersmarck ("Das Leben der Anderen"). In unserer Retrospektive zu den Publikumspreisträgern der vergangenen 24 Jahre beleuchten wir übrigens diverse Erstlingswerke der Filmemacher. Besonders freue ich mich auf Dresens Beitrag aus dem Jahr 1992 "So schnell es geht nach Istanbul".

Welche Meilensteine gab's in der Geschichte der Kurzfilmtage?
Eine wichtige Weichenstellung war die Ausweitung des Festivals im Jahr 2010. So gibt's seither neben dem Lichtspielkino weitere Spielorte, z. B. sind wir heuer wieder in der Stadtbücherei und im Luli des ehemaligen UFA-Kinos zu Gast. Auf diese Weise können wir mehr Filme als zuvor (heuer 150 Streifen aus 15 Ländern) zeigen und weiteten die Laufzeit des Festivals von vier Kurzfilmtagen auf eine ganze Woche aus. Auch beschränkt sich der Wettbewerb seit 2012 nicht mehr allein auf Deutschland, Österreich und die Schweiz, sondern bezog darüber hinaus noch Luxemburg und Südtirol ein. Die Publikumszahlen haben sich seit 2010 demnach mehr als verdoppelt: von rund 2000 auf rund 4600 Besucher im vergangenen Jahr.


Zu Nischenzeiten im Nischenprogramm
Vom Kurzfilm als "höchster filmischer Kunstform" schwärmte Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei einer Preisverleihung. Dennoch führt das Genre ein Nischendasein. Was muss sich ändern?
Die Kurzfilmbranche ist selbstbewusster geworden, zumal es seit 2002 die AG Kurzfilm als bundesweite Interessenvertretung für Filmemacher, Festivals und Filmhochschulen gibt. Das Genre muss dennoch weitaus mehr als bisher in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken. Schließlich begann die Geschichte des Kinos vor 120 Jahren mit einem Kurzfilm der Brüder Lumière ("Arbeiter verlassen die Lumière-Werke"). Langfilme kamen erst 1914 auf. Und wie unterrepräsentiert ist der Bereich angesichts dieser Historie bis heute sowohl im Kino, wo ausschließlich Langfilme laufen, als auch im Fernsehen, wo man Kurzfilme nur zu Nischenzeiten in Nischenprogrammen sieht.

Dabei starteten etliche prominente Filmemacher ihre Karriere mit Kurzfilmen.
Alle Filmemacher verschreiben sich anfangs dem Kurzfilm. So werden jährlich weitaus mehr Kurz- als Langfilme produziert: Qualitativ hochwertige Streifen entstehen mit guten Schauspielern, erstklassiger Technik, Kameraführung und Ausstattung. Nur bekommt die breite Öffentlichkeit jenseits der Festivals diese Arbeiten nie zu sehen.


Die besten Filme aus 25 Jahren
Welche Highlights gibt's im Jubiläumsjahr?
Ich persönlich freue mich auf das Best-of sämtlicher Bamberger Kurzfilmtage. Dann ist heuer das russische Filmfestival "Beginning" aus St. Petersburg zu Gast, das Einblick in die russische Kurzfilmszene gibt. Parallel dazu gibt's "Oberfranken dreht auf" mit 16 interessanten Beiträgen. Und wir zeigen am 1. März, einen Tag vor der Erstausstrahlung im ZDF, den in Bamberg gedrehten Langfilm "Die Seelen im Feuer": Nach einem Roman von Sabine Weigand, die anwesend sein wird, beleuchtet der Streifen die Bamberger Hexenprozesse zwischen 1626 bis 1631.

Zuletzt noch zur finanziellen Situation: Schwebt weiterhin ein Damoklesschwert über den Kurzfilmtagen, die lange einer ungewissen Zukunft entgegensahen?
Nein, wir sind inzwischen ganz zufrieden, was die finanzielle Situation angeht. Im vergangenen Jahr kam es erneut zu einem wichtigen Zusammenschluss: Der Verband Bayerischer Filmfestivals entstand, unterstützt von der Bayerischen Staatsregierung. So haben wir erreicht, dass die Festivalförderung im Freistaat um über 70 Prozent aufgestockt wird. Was für uns in Bamberg ebenfalls bedeutet, dass wir 2016 unsere Kurzfilmtage mit einem noch besseren Etat planen können.



Aus den Pionierzeiten des Kurzfilms: Georges Méliès - Erfinder der Special Effects
Am Anfang war: der Kurzfilm. Als die Bilder vor 120 Jahren laufen lernten, bestand ein Streifen meist nur aus einem Akt, was sich erst 1914 mit D.W. Griffiths "Judith von Bethulia" änderte. Zu den Pionieren des Genres gehörte Georges Méliès als Erfinder des narrativen Films und der Special Effects: Ein Illusionist, der dem geschätzten Publikum mehr als nur die sattsam bekannte Realität zeigen wollte. So sorgte in Schaubuden und Wanderkinos ab 1899 auch Méliès "Cendrillion" als erster Märchenfilm und ab 1902 "Die Reise zum Mond" als erstes Science-Fiction-Abenteuer für Furore.

Die Kurzfilmtage erinnern vom 23. bis 28. Februar an Marie-Georges-Jean Méliès als 1861 geborenen Sohn eines Schuhfabrikanten, der sich lieber künstlerischen Neigungen widmete. Als der Magier und Varietébesitzer die Möglichkeiten des gerade erst erfundenen Kinos erkannte, errichtete er 1898 in der Nähe von Paris Frankreichs erstes Filmstudio.

Magische Welten entstanden hier mit Hilfe von Falltüren, Doppelbelichtungen, Modellaufnahmen und "Stop Motion". In nur 15 Jahren produzierte Méliès 500 Filme - als Produzent, Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor und Kulissenbauer. Zum Publikumsrenner wurde "Die Reise zum Mond", die die Kurzfilmtage gleich zur Eröffnung aufleben lassen (Karten vergriffen). Während "Cendrillion" in der Sonderschau "Märchen im Kurzfilm" zu sehen ist, wo noch andere Interpretationen zu fabelhaften Geschichten laufen: von 24. bis 28. Februar von 10 bis 18 Uhr in der Stadtbücherei. Der Streifen wird in einer handcolorierten Fassung gezeigt.
Erfolgreich war Georges Méliès übrigens nur wenige Jahre. Schon 1913 sorgte die wachsende Konkurrenzsituation dafür, dass seine Filmproduktion zum Erliegen kam.Während des Ersten Weltkrieges trat der Franzose wieder als Varietékünstler auf, verlor jedoch sein gesamtes Vermögen.



Highlights zum 25-jährigen Bestehen der Bamberger Kurzfilmtage
Retrospektive: Das Best-of aus einem Vierteljahrhundert mit den Bamberger Publikumspreisträgern läuft im Luli-Kino (Luitpoldstraße 17) und im Lichtspiel (Untere Königsstraße 34): Best-of 1991 bis 1993 (Thema Wiedervereinigung): 24. Februar, 18 Uhr (Luli)/ Best-of 1994 bis 1998 (von Sehnsucht und Liebe, Angst und Verbrechen); 24. Februar, 20.15 Uhr (Luli)/ Best-of 1999 bis 2003 (zu neuen Welten und dem neuen Jahrtausend): 27. Februar, 16 Uhr (Luli): Best-of 2004 bis 2008 (persönliche Kathastrophen), 27. Februar, 22.30 Uhr (Luli) / Best-of 2009 bis 2014 (Probleme mit dem Loslassen): 28. Februar, 14.30 Uhr (Luli) und 18 Uhr (Lichtspiel)

Regionalfilm: Der Regionalfilmpreis nimmt die Region ins Visier - vom Krieg bis in die Neuzeit, von der Giechburg bis in den Marktredwitzer Kochtopf. 16 Kurzfilmbeiträge, gedreht von Profis, Schulen oder Hobbyfilmern, konkurrieren um den Preis als "Bester Regionalfilm". Zu sehen am 28. Februar ab 16.30 Uhr (Luli)

Der junge russische Film: 26. Februar, 20.15 Uhr (Luli) und 28. Februar, 22.30 Uhr
(Lichtspiel)

Spezial Kurz-Lang: Die bereits ausgezeichnete israelische Regisseurin Ester Amrami präsentiert ihren Kinoerstling "Anderswo". Als Vorfilm ist "Zwei Männer und ein Tisch" zu sehen: am 27. 2., 20.15 Uhr im Luli

Programm/Trailer: In Kürze ist der Trailer zu den Kurzfilmtagen online auf der Homepage zu sehen, wo man das gesamte Programm aufgelistet findet. Mit dabei auch Jürgen Heimüller und Arnd Rühlmann.