Brutal und grausig: Die Morde in Bamberg seit 1968

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Im dichten Niederwald fand man die tote 16-Jährige: nur etwa 50 Meter von einem Waldweg entfernt, der vom Golfplatz aus in südlicher Richtung führte. Foto: Stadtarchiv/ Rudolf Mader
Im dichten Niederwald fand man die tote 16-Jährige: nur etwa 50 Meter von einem Waldweg entfernt, der vom Golfplatz aus in südlicher Richtung führte. Foto: Stadtarchiv/ Rudolf Mader
Der Tanzsaal des Freizeitwerkes St. Heinrich wurde im November 1981 in einen Gerichtssaal umfunktioniert. Vor der Bühne der Richtertisch, demgegenüber die Tische mit den Angeklagten und ihren Verteidigern. Foto: Emil Bauer/Stadtarchiv
Der Tanzsaal des Freizeitwerkes St. Heinrich wurde im November 1981 in einen Gerichtssaal umfunktioniert. Vor der Bühne der Richtertisch, demgegenüber die Tische mit den Angeklagten und ihren Verteidigern.  Foto: Emil Bauer/Stadtarchiv
 
Barbara S.
Barbara S.
 

An einem sonnigen Frühlingstag wurde Barbara S. vor 35 Jahren in Bamberg grausam ermordet. Fünf Jugendliche töteten die Schülerin mit 26 Messerstichen.

"16-Jährige vermisst": Über den FT rief die Polizei am 15. April 1981 zur Mithilfe bei der Suche nach einem jungen Mädchen auf: Barbara S. "Sie spricht fränkische Mundart und war zuletzt mit einer weißen Bluse, Bluejeans und braunen Slippern bekleidet." Wenige Stunden später erschütterte die Nachricht von einem grausigen Verbrechen die Domstadt: Soldaten der US-Army hatten Barbara S. im Hauptsmoorwald nahe dem Golfplatz gefunden - vergewaltigt und durch 26 Messerstiche in Bauch, Brust und Hals getötet.


Das grauenhafteste Verbrechen

Es war einer der Fälle, der von Bamberg aus Wellen schlug: Ein brutaler Mord, der viele Fragen aufwarf und Menschen unter die Haut ging: So handelte es sich bei den Tätern, die kurz darauf gefasst wurden, um fünf Bamberger Jugendliche im Alter zwischen 15 und 19 Jahren.


"Eine Tat aus dem Nichts heraus"

"Am Palmsonntag war es zu dem Verbrechen gekommen - dem grauenhaftesten in meiner gesamten beruflichen Laufbahn", erinnert sich Konrad Dengler, zu dieser Zeit beisitzender Richter der Jugendkammer des Landgerichts, die über den Fall entschied. "35 Jahre sind mittlerweile vergangen. Komme ich am Hauptsmoorwald vorbei, so denke ich aber noch heute an den schrecklichen Tod des jungen Mädchens zurück - und die Verkettung unglückseliger Umstände, die dazu führte." Schließlich handelte es sich "um keine Tat, die aus Hass begangen wurde, sondern einen gemeinschaftlichen Mord, der aus dem Nichts heraus entstand".


Ganz harmlos

Ganz harmlos hatte alles begonnen: Jugendliche feierten gemeinsam in der Gartenstadt, darunter Barbara S. und die fünf Jungs, die sie Stunden später mit 26 Messerstichen ermordeten: ein Schüler, ein Auszubildender, zwei Arbeitslose und ein Gelegenheitsarbeiter. Weil's spät wurde, übernachtete man in einer Blockhütte. Am nächsten Tag ging's weiter zum Grillen in das Kieferwäldchen, in dem die 16-Jährige später gefunden wurde. Mittlerweile war Barbara S. allein mit Klaus-Dieter W., Robert M., Reiner D., Rainer O. und Rainer M., die zu ihren Mördern wurden.



Zu vertrauensselig

Man aß gemeinsam eine Dose Ananas, trank Bier. "Irgendwann stachelte der eine den anderen auf und es kam zur Vergewaltigung", so Konrad Dengler. Klaus-Dieter W. missbrauchte Barbara S., die von den anderen festgehalten wurde: "Ein Mädchen, das tragischerweise zu vertrauensselig war", sagt der langjährige Strafkammervorsitzende des Landgerichts. So hatte die eifrige Schülerin zuvor auch keine "Männerbekanntschaften", wie Zeugen aus dem privaten Umfeld der Ermordeten später vor Gericht angaben. Selten sei sie ausgegangen - und dann auch immer pünktlich um 22 Uhr zu Hause gewesen, um keine Probleme mit ihrem strengen Vater zu bekommen.


Unheimliche Stille während der Tat

"Mucksmäuschenstill" sei es während der Vergewaltigung durch Klaus-Dieter W. gewesen, berichtete einer der Jugendlichen während des Prozesses im Freizeitwerk St. Heinrich. Danach fürchteten sich alle vor den Konsequenzen ihrer Tat, was zum noch weitaus schlimmeren Verbrechen führte, das Barbara S. das Leben kostete. "Tote reden nicht", bemerkte Robert M. angeblich nur aus Spaß. Aus Spaß aber wurde grausiger Ernst, als die fünf Jungs danach begannen, ein Grab für die 16-Jährige auszuheben, die zu diesem Zeitpunkt noch lebte. "Es gab so viele Momente, in denen der Ablauf der Ereignisse noch zu ändern gewesen wäre", sagt Konrad Dengler. Aber es entwickelte sich eine Gruppendynamik, die Klaus-Dieter W. schließlich zum Messer greifen ließ, das danach reihum ging. "Alle sollten wieder zu Mittätern werden und somit Stillschweigen bewahren."


Über Tagebucheinträge

Am Sonntagnachmittag war Barbara S. gestorben, während ihre Familie schon nach ihr suchte. Über Tagebuchaufzeichnungen, in denen die Schülerin Rainer O. erwähnt hatte, kam man den Tätern auf die Spur. Ein Onkel suchte nach dem Bekannten seiner Nichte und brachte ihn mit Rainer M. zur Polizei, wo die Jugendlichen dann auch ihr Verbrechen eingestanden.


Stumm auf ihren Plätzen

Zeigten die fünf Bamberger nach dem Mord Reue? Die Ermittlungsrichter, die sie wenige Tage nach der Tat vernahmen, beschrieben sie später als "sehr ruhig und unbeteiligt wirkend", wie im FT zu lesen war. Die Jugendlichen hätten nur Mitleid mit sich selbst, nicht aber ihrem Opfer gehabt. "Von Reue habe ich nichts gesehen", erinnert sich auch Konrad Dengler. Stumm hätten die Angeklagten im Gerichtssaal auf ihren Plätzen gesessen, bis sie gefragt wurden und die nötigen Angaben machten.


Verwahrlost, entwurzelt

Einige von ihnen kamen wohl aus schwierigen sozialen Verhältnissen, "ich empfand sie als verwahrlost und entwurzelt". Andere aus einem ganz normalen bürgerlichen Umfeld. Nicht mal auf übermäßigen Alkoholgenuss schoben die Jugendlichen ihre Tat: "Betrunken war keiner von uns, wir wussten, was wir machten", hatte der 16-jährige Rainer O. gegenüber der Polizei gleich nach der Festnahme erklärt.


Christbaum schmückte den Saal

Am 15. Dezember fiel das Urteil. Jugendstrafen zwischen sechs und zehn Jahren bekamen die Angeklagten, die mit "kindlicher Grausamkeit" gemordet hatten, wie sich der Vorsitzende Richter Armin Barthelmann ausdrückte. Einer der Verteidiger von Klaus-Dieter W. war übrigens der Münchner Staranwalt Rolf Bossi. "Ein Christbaum schmückte den Saal, die Kerzen brannten, während dieses letzten Prozesstages", erinnert sich Konrad Dengler.

Wie es mit den Angeklagten nach der Haftentlassung weiterging, weiß der langjährige Strafkammervorsitzende des Landgerichts nicht zu sagen. "Denke ich an den Mord zurück, denke ich aber auch in erster Linie an Barbara S. und frage mich, was aus dem jungen Mädchen hätte werden können": einem Mädchen, das der Bamberger auf den Tatortfotos erstmals sah - "mit halb geschlossenen Augen und einem Gesichtsausdruck, der mich an die Salome von Gustav Klimt erinnerte."


Morde und andere Verbrechen, die in und um Bamberg Geschichte schrieben

1968: Angelika Stark wird von einem nie gefassten Täter in der Plattengasse durch 23 Messerstiche schwer verletzt. Die 16-Jährige stirbt im Krankenhaus, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

1973: Mord am Studenten Peter Faatz, der in der Zollnerstraße an der Haustür zur Wohnung seiner Freundin erstochen wird.

1975: Ungeklärter Mord an Richard Flores, einem US-Soldaten, dessen Leiche man im Hain findet.

1979: Der Wirt der Pizzeria "Pizz Augusto" wird an der Ecke Zollnerstraße/Kloster-Banz-Straße durch zahlreiche Messerstiche brutal getötet. Ein 24-jähriger Bamberger aus der Nachbarschaft ist der Täter.

1983: Die 72-jährige Witwe Margarete Fuchs wird kurz vor Weihnachten in ihrem Reihenhaus an der Zollnerstraße erschlagen. Ein Raubmord. Ermittlungen wegen eines Falls von Brandstiftung führen die Polizei schließlich rein zufällig auf die Spur der Mörder: zwei 17-jährige Bamberger.

Mitte der 80er Jahre: Ein Landwirt aus dem Bamberger Raum ermordet seine Frau aus Verzweiflung mit einem Kälberstrick, nachdem sie ihn betrogen hatte. Er scheitert beim Versuch, sich danach das Leben zu nehmen.

1993: Ein eineinhalbjähriger Bub aus Seigendorf wird von seinen Eltern ermordet: Tobias Hofmann. Seine Mutter versetzte ihm "aus spontaner Wut" heraus einen Fußtritt, der Kleine stirbt an inneren Verletzungen. In der Mülltonne entsorgt ihr Mann Tobias daraufhin. Das Paar täuscht eine Entführung vor. Übers Fernsehen fleht der Vater die angeblichen Entführer an, den Eltern ihren Sohn zurückzugeben. Als kein Erpresserbrief eingeht, werden die Hofmanns festgenommen und im Jahr darauf zu neun Jahren Haft (Tobias' Mutter) und sieben Jahren Haft (der Vater) verurteilt.

1999: Ein Forchheimer Familienvater stiehlt den toten Körper der 14-jährigen Nicole, die von einem Zug erfasst und getötet worden war, aus der Buttenheimer Aussegnungshalle. Der Mann, der zuvor schon andere Leichen geschändet hatte, missbraucht die tote Nicole und zerstückelt sie.

2010: Ein 45-Jähriger versucht in Bamberg, zwei 12-jährige Mädchen sexuell zu missbrauchen. Er spricht die beiden in einem Kaufhaus an und bietet 50 Euro für "ein bisschen Zärtlichkeit". Die Kinder flüchten.

2011: Der Fall um das "tote Baby von Walsdorf" sorgt für Aufsehen. Eine 28-Jährige bringt beim Toilettengang ein Mädchen zur Welt. Sie lässt das Kind auf dem kalten Badezimmerboden zurück und legt sich ins Bett. Die Kleine stirbt an Unterkühlung. Die aus Baden-Württemberg stammende Mutter, die zu dieser Zeit bei ihrem Freund in Walsdorf lebte, versteckt das Baby - in Plastiktüten gewickelt - in einem Schrank und später in einem Gebüsch am Ortsrand, wo es gefunden wird.

2012: Ein 23-jähriger Bamberger überfällt die Raiffeisenbank Burgwindheim. Auf der Flucht vor der Polizei rast er auf der B 505 in einen Sattelzug. Schwerste Verbrennungen am gesamten Körper und im Gesicht erleidet der junge Mann, der auf diese Weise für immer gezeichnet ist.

2012: In Schlüsselfeld tötet ein 27-Jähriger mit einem Messer seinen Vater. Er ruft noch den Notarzt und stellt sich der Polizei.

2015: Ein 45-Jähriger aus Schweinfurt holt seine Mutter aus einem Bamberger Pflegeheim und tötet die alte Dame. Die Heimleitung informiert bald darauf die Polizei, die den Wagen des Mannes in Bamberg sieht, das Auto stoppt und im Kofferraum den leblosen Körper findet.

2015: In einem Haus der Langen Straße kommt es zur Auseinandersetzung zwischen zwei 35-jährigen Bambergern. Der Streit eskaliert, einer der beiden fügt seinem Kontrahenten mit einem Messer so schwere Verletzungen zu, dass er daran stirbt. P.M.