Gibt es einen neuen Trend zu kalten Wintern?

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Seit 2008 hat es keinen milden Winter in Bamberg mehr gegeben. Steckt hinter dieser Serie die mitteleuropäische Wetterküche oder macht der Klimawandel eine Pause? Meteorologe Lüers sieht eher einen "Verwöhnungseffekt".

Fast 30 Zentimeter Schnee auf dem Jura, 60 Zentimeter in der Rhön und kaum weniger im Fichtelgebirge. Das kurze Tauwetter am Montag konnte wenig daran ändern. Die fränkische Landkarte ist seit dem Wochenende bis in die Tallagen in dichtes Weiß gehüllt. Nichts Ungewöhnliches Anfang Dezember, sollte man meinen. Und doch auch wieder nicht.

Wer sich an die meisten Winter in den 90er Jahren und auch zu Beginn des neuen Jahrtausends erinnert, muss schon lange in seinem Gedächtnis kramen, bis er auf einen strengen Winter oder auch nur einen sehr kalten Wintermonat stößt. Da gab es Dezember, in denen beinahe täglich ein feucht-milder Wind aus Südwest blies. Schnee und Eis wurden zur seltenen Ausnahme, nicht nur an Weihnachten 2006, als die gelb blühenden Senf-Felder rings um Bamberg gar nicht so unpassende Frühjahrsgefühle auslösten.
Mit 4,9 Grad sollte der Januar danach zum wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Bamberg 1879 werden.

Fünf Jahre später sieht die Welt (um uns herum) scheinbar ganz anders aus. Die Reihe milder Winter ist erkennbar zu Ende gegangen, vorerst zumindest. Immer wieder haben Frost, Schnee und Eis in den letzten Jahren zugeschlagen und gezeigt, dass der Winter auch in Mitteleuropa noch eine Größe ist, mit der man rechnen muss.
Beispielsweise der Februar 2012: Gleich mehrere Male sackte das Quecksilber in Bamberg unter die extreme Marke von minus 20 Grad, brachte lange nicht gesehene Bilder einer erstarrten Landschaft zum Vorschein - den dick zugefrorenen Main etwa, den Wagemutige bei Hallstadt trockenen Fußes überqueren konnten.


Statistik: Letzten vier Winter waren kälter


Auch der Schneesturm vom Sonntag weckt Erinnerungen an grimmige Vorgänger. Im Dezember 2010 mussten die Bewohner der Region einen sechs Wochen lang währenden Kampf mit dem Schnee ausfechten. Beinahe jeden Tag rieselten die Flocken vom Himmel, und auf den Kämmen von Steigerwald und Haßbergen türmte sich die glitzernde Pracht mehr als einen halben Meter hoch.

Der subjektive Eindruck, dass in den letzten Jahren viel häufiger harte Winter das Regiment geführt haben als davor, täuscht nicht. Andreas Friedrich, der für uns in den Annalen des deutschen Wetterdienstes in Offenbach geblättert hat, kann bestätigen, dass alle vier letzten Winter bayernweit die Normalwerte unterboten. Am kältesten war demnach der vorletzte Winter 2010/2011. Er schlug mit einer Mitteltemperatur von minus 1,8 Grad zu Buche.


Klimawandel stoppt nicht


Doch darf man daraus den Schluss ziehen, der Klimawandel habe eine Pause eingelegt oder werde durch sinkende Temperaturen widerlegt, wie teilweise spekuliert wird? Friedrich widerspricht dem wie die meisten Experten. Das hat vor allem damit zu tun, dass man aus den Erfahrungen weniger Jahre in Mitteleuropa mit seiner vergleichsweise winzigen Fläche keine Rückschlüsse für den Globus ziehen kann. Weltweit kompensieren auftauende Permafrostböden und schmelzendes Gletschereis die Effekte bei uns um ein Vielfaches.

Die derzeit zu beobachtende Abkühlung ist eher schon ein Schritt zurück nach vorn. Weil das Wettergeschehen grundsätzlich unberechenbar ist, verlaufen Veränderungen nicht geradlinig, sondern mit der Zackenkurve jeder Statistik. Im Klartext: Es geht auf und ab, auch wenn die Richtung nach oben zeigt.

Alles ist also drin 2012: Ob der Winter bei uns ein rechter Winter wird wie sein Vorgänger vor zwei Jahren oder doch ein wachsweicher Geselle wie der 2006, das hängt laut Klimaforscher Johannes Lüers von der Uni Bayreuth vor allem davon ab, wie sich die beiden Antagonisten in Europas Wetterküche, das Azorenhoch und das Islandtief, verhalten. Nur kleine Abweichungen genügen - und schon weht der Wind aus Nordosten statt aus Südwesten, und ein milder Nieselregen wandelt sich zum eisigen Schneesturm.

Und noch etwas widerspricht den "Klimaskeptikern", die sich durch die Rückkehr der gefühlten Winter bei uns bestärkt sehen: Mit jenen Extremperioden, die 1962/1963 etwa den Bodensee zufrieren ließen, oder 1985 zwei Mal den Main, lässt sich nichts in den letzten Jahren vergleichen. Eher hat das warme Wetter der 90er Jahre und danach die Messlatte verschoben: "Wir empfinden heute schon als kalt, was früher noch normal war", sagt Lüers. Der Blick auf die Statistik zeigt: Auch wenn den Bewohnern Frankens die zurückliegenden Winter als kalt vorkommen mögen, so ist der Klimatrend ungebrochen. Beispiel Bamberg: In den letzten 25 Jahren unterschritten nur drei Jahre den 30-jährigen Mittelwert von 8,5 Grad. Alle anderen waren zu warm.