Die Elektromobilität zwingt die Autoindustrie, sich neu aufzustellen. Das spüren zuallererst die Zulieferer. Dabei ist noch lange nicht klar, welche Antriebsform in den nächsten zehn Jahren das Rennen macht. Unser Blick auf sechs fränkische Unternehmen zeigt die Problematik.
Absatzschwäche, Stellenabbau, Diskussion um Schadstoffgrenzwerte: Deutschlands und auch Bayerns Vorzeigebranche ringt in einem sich wandelnden Markt darum, Kurs zu halten. Nur welchen Kurs? Die Entscheidung, in eine bestimmte Antriebsform zu investieren, kann morgen schon falsch sein. Diese Unsicherheit der Autohersteller spüren zuallererst die Zulieferer, die in der Region vielen Menschen einen Arbeitsplatz bieten. Betrifft die Krise nur Dieselautos und damit die Hersteller von Dieselprodukten? Nein. Die schon mehr als drei Jahre dauernde Diskussion um Dieselfahrzeuge und ihren Stickoxidausstoß hat die jetzige Schwächephase zwar stark beschleunigt. Aufgrund der Klimaschutzziele der EU steht aber der Verbrennungsmotor allgemein im Blickfeld. Und die momentane Absatzschwäche auf dem zuletzt so wachstumsgetriebenen asiatischen Markt, vor allem in China, trifft die gesamte Branche, also auch Hersteller von Komponenten, die mit Antriebstechnik gar nichts zu tun haben. Der Verbrennungsmotor wird noch sehr lange dominierend sein, hieß es zuletzt immer. Lange Zeit sah es danach aus. Die Bundesregierung hatte bereits 2010 das Ziel ausgegeben, dass auf den Straßen im Jahr 2020 eine Millionen Elektroautos aus deutscher Produktion fahren. "Wer in der Automobilindustrie jetzt nicht energisch auf Elektromobilität setzt, der wird bald nicht mehr wettbewerbsfähig sein", sagte Norbert Röttgen, der damalige Bundesumweltminister. Getan hat sich wenig. Die Kauflust der Deutschen an teuren batteriebetriebenen Autos mit wenig Reichweite hielt sich bisher in Grenzen. Doch die Zukunft der Antriebstechnik wird nicht in Deutschland entschieden. Die Chinesen haben beschlossen, sich vom Verbrennungsmotor zu verabschieden. In Peking etwa gibt es schon jetzt kaum noch Zulassungen für Diesel oder Benziner. Auch Länder wie Schweden, Indien, die Niederlande oder Frankreich haben Ausstiegsszenarien festgelegt - in ein oder zwei Jahrzehnten. Bedeutet das, die deutschen Autohersteller und ihre Zulieferer haben noch genug Zeit, den Strukturwandel weg vom Verbrennungsmotor zu gestalten? Bis vor vier, fünf Jahren hatte das jeder gedacht, insbesondere die Manager der Autohersteller. Dann flog 2015 der Abgaswerte-Betrug bei Dieselautos auf - und seitdem ist alles anders. Dabei hatten die Autokonzerne und Zulieferer mit ihren Entwicklungen stark dazu beigetragen, dass Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen gesenkt werden konnten. Der Diesel stoße etwa 25 Prozent weniger Kohlendioxid aus als vergleichbare konventionelle Benzinmotoren, lautete ein Argument für die Fortentwicklung dieses Motors. Das Problem: Der Verkehr ist in Deutschland der einzige Sektor, der seine Treibhausgasemissionen seit 1990 insgesamt nicht reduziert hat. Die Gesetzgebung der EU sieht vor, dass ab 2021 ein Flottengrenzwert für den -Ausstoß von 95 Gramm pro Kilometer gilt. Aktuell liegen in Deutschland zugelassene Fahrzeuge bei 157 Gramm. Die Grenzwerte bedeuteten umgerechnet Durchschnittsverbräuche von 3,6 Liter Diesel und 4,1 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Ohne E-Autos ist der Flottengrenzwert also so gut wie nicht zu erreichen. Deshalb investieren die Autohersteller stark in diese Technik. Sollte die Autoindustrie dann nicht voll auf Elektromobilität setzen? Im Moment investieren die Hersteller in die Entwicklung von E-Autos, ohne schon einen großen Mehrwert aus der Investition generieren zu können. Außerdem ist es Augenwischerei, dass E-Fahrzeuge mit einem -Ausstoß von null Gramm in den Flottenverbrauch eingehen. Da sind die Auswirkungen der Produktion und der Stromerzeugung vollkommen außen vor. Und was ist eigentlich mit der Wasserstofftechnik? Die hat sich bisher nicht durchsetzen können, ist aber längst noch nicht abgeschrieben. Das zeigt schon, dass der japanische Hersteller Toyota voll auf die Brennstoffzelle setzt.
Bosch
Eines der größten Bosch-Werke ist der Standort in Bamberg. Dort ist man seit geraumer Zeit beunruhigt. Nicht aus Angst vor Kündigungen. Das Kfz-Technik-Werk, das voll am Verbrennungsmotor hängt, spürt zwar inzwischen die Absatzschwäche bei Diesel- und Benzinautos. Betriebsbedingte Kündigungen sind aber infolge einer Betriebsvereinbarung nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat möglich. Allerdings gibt es Bestrebungen der Werkleitung, die Arbeitszeit abzusenken. Und durch die altersbedingte Reduzierung der Belegschaft verliert der Standort jährlich 250 Mitarbeiter. 2500 Beschäftigte weniger in zehn Jahren? Dieses Szenario wäre für die Region nur schwer zu verkraften, meinen IG Metall und Betriebsrat und gingen vergangene Woche bis vor die Werkstore, um auf diese Situation aufmerksam zu machen. "Es ist aktuell noch ausreichend Arbeit vorhanden. Die Frage ist nur: Wo tun sie diese hin?", sagte Bambergs Betriebsratsvorsitzender Mario Gutmann und spielte damit auf die Praxis an, Aufträge an ausländische Standorte zu vergeben.
( Standorte in Franken (Kfz-Technik): Bamberg, Nürnberg, Ansbach
baut: u.a. Einspritzkomponenten für Diesel- u. Benzinmotoren, Zündkerzen, Steuergeräte f. Airbag, ABS oder Getriebe
Mitarbeiter: ca. 12 500 in Franken (Kfz), davon rund 7400 in Bamberg)
Leoni
Leoni steht im Spagat zwischen einer beschwerlichen Gegenwart und einer vielversprechenden Zukunft. 2018 hat sich der Konzernüberschuss gegenüber dem Vorjahr auf 73 Millionen Euro halbiert. Den Einbruch begründete die Unternehmensführung mit den Problemen eines mexikanischen Werks im Besonderen und einem schwierigen Marktumfeld im Allgemeinen. Als Reaktion plant Leoni den Abbau von 2000 seiner weltweit über 92 000 Stellen. Ob auch die 1000 Beschäftigten in Kitzingen um ihre Jobs zittern müssen, hat Leoni bislang nicht kommuniziert. Die IG Metall allerdings ist alarmiert. Die Niederlassung in Kitzingen ist die Bordnetz-Zentrale von Leoni.
Perspektivisch könnte Leoni dagegen zu den Gewinnern des automobilen Transformationsprozesses zählen. Sowohl in elektrisch als auch in autonom fahrenden Fahrzeugen müssen in hohem Maße Kabel verbaut werden. Sie vernetzen Sensoren, Bordcomputer und Fahrsysteme. In den Autos der Zukunft könnten mehr Leoni-Produkte stecken als heute. ( Standorte in Franken: u.a. in Nürnberg, Roth, Kitzingen