Vor Jahren lernte Horst Gehringer das Stadtarchiv als Praktikant kennen. Jetzt übernimmt er von Robert Zink die Leitung der Einrichtung. Über Meilensteine der Vergangenheit und künftige Herausforderungen sprachen wir mit beiden zum Amtswechsel.
Archive sind das Gedächtnis einer Stadt und erlauben den Blick in vergangene Welten. Bis ins 13. Jahrhundert zurück reichen Akten, Amtsbücher, Urkunden und andere Dokumente in den Beständen der Unteren Sandstraße 30a, wo sich nun ein neuer Leiter den Herausforderungen des digitalen Zeitalters stellt. Zum Stabwechsel sprachen wir mit Robert Zink, der nach 32 Jahren ausscheidet, und Horst Gehringer, der das Stadtarchiv in die Zukunft führt.
inFranken: Herr Zink: Gerade übergaben Sie ihr Amt einem Nachfolger. Erinnern Sie sich an ihren ersten Tag zurück: Kann man die Arbeit eines Archivleiters heute noch mit der in den 80er Jahren vergleichen?
Robert Zink: Mein erster Tag bestand daraus, dass ich Anträge des künftigen Haushalts des Stadtarchivs formulieren musste, ohne zu wissen, was mich genau erwartet.
- Aber ja: Ein Vergleich ist durchaus noch gestattet. So sind viele Tätigkeitsbereiche wie das Bewerten, Erschließen und Zugänglichmachen gleich geblieben, obwohl sich dje Methoden und Medien verändert haben, mit denen wir erschließen und verzeichnen. Statt Karteikarten gibt es heute eben Datenbanken.
Einstieg in die digitale Welt inFranken: Was waren die größten Herausforderungen, denen Sie sich im Lauf der Jahrzehnte stellten?
Robert Zink: Anfangs war die größte Herausforderung die Frage, wie man das Archiv angesichts der schwierigen räumlichen Bedingungen, die wir am alten Standort Franz-Ludwig-Straße 7c vorfanden, in die Zukunft führen könnte. Daraus resultierte 1991 der Umzug in die ehemalige "Chirurgie" innerhalb von acht Wochen.
Eine weitere Problematik: der Übergang in die digitale Welt. Uns gelang es frühzeitig, die Verzeichnungsdaten und einen Teil der Archivalien online zugänglich zu machen. Die Fortführung dessen wird ein Aufgabenbereich bleiben.
inFranken: Darüber hinaus verstärkten Sie in Zusammenarbeit mit der Universität die wissenschaftliche Erforschung der Stadtgeschichte, um sie auch Laien über eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit wie zuletzt bei den Bamberger Hexenverfolgungen nahezubringen. Glauben Sie, dass heute mehr Menschen auf diese Weise Zugang zur Vergangenheit suchen und finden?
Robert Zink: Viele Menschen sind heute durch Film, Funk und Fernsehen mit historischen Phänomenen gefüttert - allerdings äußert plakativ.
Bei uns geht es nüchterner zu, wir untersuchen Fakten, befassen uns mit Zahlen, Zusammenhängen und erstellen auf diese Weise eine neue Sicht der Stadtgeschichte. Daraus resultierend können wir über Vorträge, Ausstellungen, Kolloquien und Seminare aber viele Erkenntnisse und Entwicklungen benennen, die für Bamberg von großer Bedeutung waren und zum Teil bis heute prägend sind.
Zusammenarbeit mit Schulen inFranken: Nicht jeden erreicht man über derartige Angebote. Wie versuchten Sie z. B. auch auf junge Leute zuzugehen, um ihr Geschichtsbewusstsein zu stärken ?
Robert Zink: Wir arbeiten mit Schulen, wie übrigens auch Vereinen und anderen privaten und öffentlichen Einrichtungen zusammen, um geschichtliche Entwicklungen themen- oder interessenbezogen darzustellen.
Ebenso widmen wir uns den Fragen Einzelner - bis hin zu Haus- und Familienforschern.
inFranken: Worauf sind Sie nach über 30 Jahren stolz? Und was würden Sie nach Negativerfahrungen heute anders machen?
Robert Zink:Ein wenig stolz können wir daraus sein, dass es gelang, breiteren Bevölkerungsschichten die Präsenz des Stadtarchivs bewusst zu machen. Das Archiv ist heute eine Einrichtung, die von den Menschen gut angenommen wird. Was ich mir tatsächlich gewünscht hätte, wäre zuweilen mehr Personal, um nicht zuletzt die historische Bildungsarbeit breitgefächerter gestalten zu können.
inFranken: Herr Gehringer: Als Praktikant lernten Sie das Stadtarchiv kennen, als dessen angehender Leiter Sie zurückkehrten.
Was lag dazwischen und bestärkte Sie in ihrem Wunsch, sich keiner anderen Aufgabe zu widmen?
Horst Gehringer: Dazwischen lag zunächst die Ausbildung zum Archivar in München, lagen berufliche Stationen im Stadtarchiv Bayreuth, Stadtarchiv München und Staatsarchiv Coburg, das ich zuletzt leitete. - Geschichte fasziniert mich seit der Schulzeit. Ein tiefergehendes Interesse entwickelte ich aber tatsächlich bei der Quellenarbeit als Praktikant im Bamberger Stadtarchiv während meines Geschichtsstudiums. Und dieses Interesse führte mich nun letztendlich wieder dorthin zurück.
inFranken: Was heute noch aktuell ist, ist morgen Geschichte. Wobei die Datenschwemme und Informationsflut, die Stadtverwaltung, Bürger und Vereine produzieren, nie größer war.
Welche Probleme sehen Sie auf sich und die Archivare der Zukunft zukommen?
Horst Gehringer: Schwieriger wird die Bewertung und Übernahme von Daten aufgrund der Datenmenge. Denn es bleibt bei der Verpflichtung aller Archive, Dokumente als Nachweis zur Rechtssicherung für Städte und Bewohner zu erhalten. Und es bleibt die Verpflichtung zur historisch-politischen Bildungsarbeit. Allerdings steht man im digitalen Zeitalter auch vor der Herausforderung, Daten, die nurmehr in digitaler Form vorliegen, dauerhaft zu sichern.
"Größte Gefahren: Feuer, Wasser und Archivare" inFranken: Ein Blitz ließ 1440 die Bestände des Stadtarchivs in Flammen aufgehen.
Was ist die größte Gefahr, die Sie heute für die Bestände fürchten?
Horst Gehringer: Die weiterhin größten Gefahren für Archive bleiben: Feuer, Wasser und Archivare. Nein, im Ernst: Von größter Bedeutung ist es, für den Erhalt digitaler Dokumente - unter Berücksichtigung der Speichermedien, Dateiformate u. a. - Gegebenheiten zu schaffen, die eine dauerhafte Sicherung ermöglichen. Nicht vergessen darf man dabei, dass wir uns auch um alle analogen Unterlagen kümmern müssen, die in Papier- oder Pergamentform vorliegen. Gerade das säurehaltige Papier, das seit 1840 in Gebrauch ist, zeigt erhebliche Substanzschäden.
inFranken: Glauben Sie, dass der Informationsüberfluss das Interesse an der Vergangenheit schwinden lässt? Wollen Sie die Öffentlichkeitsarbeit weiter verstärken? Wie möchten Sie die Bamberger in den kommenden Jahren ansprechen?
Horst Gehringer: Ich denke nicht, dass das Interesse an Geschichte schwindet. Es wird aber weiter von Bedeutung sein, das Stadtarchiv in der Öffentlichkeit präsent zu halten. Das streben wir über Ausstellungen, Vortragsreihen, Publikationen, Führungen, aber auch gemeinsame Projekte mit anderen Archiven, Museen, Bibliotheken, Universitäten und Vereinen an - nicht zu vergessen: Schulen.
inFranken: Viele Vorhaben.
Was hat für Sie gleich nach der Amtsübernahme Priorität?
Die Fortsetzung der digitalen Erschließung unserer Katalogsdaten ( www.archivdatenbank.bamberg.de ), die dann natürlich auch jedem Interessenten im Netz zur Verfügung stehen. Digitale Dokumente, Akten, Sammlungen und ihre sichere Archivierung spielen eine immer bedeutsamere Rolle: Nicht anders ist das Gedächtnis der Stadt für die Zukunft zu wahren.