Freie Lehrstellen: Junge Flüchtlinge als Lösung?

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Noch die Ausnahme: Dieser Flüchtling aus Ägypten hat einen Ausbildungsplatz als Bäcker gefunden. Foto: Bettina Knauth
Noch die Ausnahme: Dieser Flüchtling aus Ägypten hat einen Ausbildungsplatz als Bäcker gefunden.  Foto: Bettina Knauth

Teile der Region leiden unter einem Rückgang der Bevölkerung. Unternehmen beklagen einen Mangel an Azubis. Die Integration kann eine Chance sein.

Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt ist eine Aufgabe, die auch Behörden, Verbände und Unternehmen in Franken vor enorme Herausforderungen stellt. Rund ein Jahr nach der großen Flüchtlingswelle mit rund 900 000 Asylbewerbern, die nach Deutschland kamen, zeigen sich erste Erfolge, aber auch erste Enttäuschungen.

Vor allem mit jungen Flüchtlingen will die heimische Wirtschaft die Lücken bei den Ausbildungsplätzen stopfen. Denn nach Jahrzehnten eines Überangebots von Bewerbern herrscht in vielen Bereichen nun ein Mangel an jungen Menschen. Aber sind Flüchtlinge überhaupt schon so weit, dass sie mit ihren Deutschkenntnissen und ihrem Bildungsstand dieses Missverhältnis ausgleichen können?

In diesem Teil der Serie "Alt werden in Franken" soll diesen Fragen nachgegangen werden. Tatsache ist, dass es junge Menschen in der Region unbedingt braucht, um die Folgen der Überalterung stoppen zu können. Landkreisen wie Kronach, Hof, Wunsiedel, Haßberge oder Bad Kissingen droht bis zum Jahr 2030 ein Bevölkerungsschwund - mit all den negativen Folgen für die Wirtschaft.

Allein in Oberfranken leben derzeit über 8500 Flüchtlinge - 819 sind sogenannte unbegleitete Minderjährige. Sie sollen jetzt fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden.

Größtes Problem: Viele konnten bei der Ankunft weder Deutsch noch Englisch. Diese Barriere gilt es zu durchbrechen, bevor die Jugendlichen Schulungen oder Unterricht als Vorbereitung für das Berufsleben bekommen.
Oberfrankens IHK-Präsident Heribert Trunk erklärt: "Die deutsche Sprache ist das A und O, um eine Ausbildung erfolgreich absolvieren zu können. Es berichten uns viele Unternehmen, dass die Jugendlichen die Alltagssprache schon sehr gut beherrschen, die berufsspezifischen Sprachkenntnisse jedoch häufig noch nicht ausreichen."


Bürokratie als Hürde

Die Sprache sei aber nur eine von vielen Hürden, ergänzt Trunk. "Hinzu kommt, dass viele Flüchtlinge im Alltag nicht mobil sind, und ihr Wohnumfeld oft die Konzentration auf die Ausbildung und das Lernen erschwert. Eine große Hürde ist auch die Bürokratie."

Etwa 22 Monate vergehen, bis ein junger Flüchtling seine Ausbildung beginnen könne. Zahlen, die sich mit aktuellen Erhebungen decken. Die Dauer der Integration entspricht der bei früheren Zuwanderern: In den ersten beiden Jahren finden demnach nur etwa 13 Prozent der Menschen einen Job. Im dritten Jahr sind dann etwa 22 Prozent der Flüchtlinge erwerbstätig und im vierten Jahr etwa 31 Prozent.

In den Mitgliedsunternehmen der IHK für Oberfranken-Bayreuth würden laut Trunk derzeit rund 20 Flüchtlinge eine Ausbildung machen, weitere 20 absolvieren eine sogenannte Einstiegsqualifizierung als Vorstufe zur Ausbildung. Diese Zahlen werden im kommenden Jahr signifikant steigen, hofft Trunk, weil deutlich mehr Jugendliche die Flüchtlingsklassen der Berufsschulen abschließen werden.

Bei den Betrieben der Handwerkskammer Oberfranken absolvieren zwischen 60 und 70 junge Flüchtlinge eine Lehre, sagt Christian Ohlraun. Auch er ist sich sicher, dass diese Zahlen in die Höhe gehen werden. Problem: Laut einer Studie haben nur sechs Prozent der Geflüchteten einen beruflichen Abschluss. Zum Vergleich: In Deutschland sind es knapp 60 Prozent.

Die meisten Herkunftsländer würden kein Ausbildungssystem, das mit dem deutschen Berufsbildungssystem vergleichbar wäre, kennen, steht in der repräsentativen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Viele Berufe wurden in der früheren Heimat ohne formelle Ausbildung ausgeübt. Die meisten Geflüchteten haben dennoch Berufserfahrung: 73 Prozent waren in ihrem Heimatland erwerbstätig. Zwei Drittel der Flüchtlinge haben bereits einen Sprachkurs besucht.

Rund 1000 Flüchtlinge werden derzeit im Bezirk Unterfranken mit verschiedenen Schulungen und Maßnahmen auf ihren Start ins Berufsleben vorbereitet. Insgesamt sind dort rund 11 000 Asylbewerber im Bezirk untergebracht. Allein im Bereich der Handwerkskammer fehlen gegenwärtig jährlich 1000 Azubis.
Doch mit jungen Flüchtlingen könne dieser Mangel nicht so rasch ausgeglichen werden, schätzt Kammer-Sprecher Daniel Röper. "Für viele Bereiche gibt es hohe Anforderungsprofile, die die jungen Menschen derzeit nicht erfüllen", Röper.

Weiteres Problem: Flüchtlinge aus dem Nahen Osten würden nicht gerne traditionelle Handwerksberufe lernen wollen. In diesen Regionen der Welt hätten diese Jobs nicht das beste Ansehen. "Junge Flüchtlinge und junge Deutsche unterscheiden sich wenig in ihren Vorlieben. Die meisten wünschen sich eine Lehrstelle als Kfz-Mechatroniker oder Elektroniker", meint Röper. Hier helfe es, die vielfältigen Möglichkeiten des Dualen Ausbildungssystems besser darzustellen.


Kein Interesse an Ausbildung

Zudem gibt es auch Fälle, in denen minderjährige Flüchtlinge überhaupt kein Interesse an einem Ausbildungsplatz haben. Das beklagte auch eine Zahnärztin aus dem Landkreis Forchheim. Sie wollte einem Flüchtlingsmädchen einen Ausbildungsplatz als Zahnarzthelferin ermöglichen. Ohne Erfolg: Gleich drei Absagen handelte sich die Medizinerin ein.

Es gibt also noch viele Baustellen: Die Integration läuft auch nach Ansicht des Zentralverbands des Deutschen Handwerks ernüchternd. "Es dauert viel länger, als die meisten es erwartet haben", hebt Verbands-Generalsekretär Holger Schwannecke hervor. Bis zum Jahr 2018 sollen rund 10 000 Menschen eine Ausbildung absolvieren, hofft Schwannecke. Die Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, es werde acht bis zehn Jahre dauern, den Großteil der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, scheint sich zu bewahrheiten. Die Euphorie, die manche Unternehmen im Hinblick auf ihr Fachkräfteproblem hatten, ist wohl ein wenig verflogen.

Es gibt aber auch Lichtblicke: Die seit September 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge sind nach Angaben des Leiters des Bundesamtes für Migration (BAMF), Frank-Jürgen Weise (65), besser ausgebildet, als Fachleute bisher gedacht hatten.

Nach Weises Angaben sind zwischen September 2015 und September 2016 etwa 50 000 Flüchtlinge in Arbeit gekommen, 30 000 davon seien sogar sozialversicherungspflichtig beschäftigt - überwiegend üben sie Helfertätigkeiten sowie Beschäftigungen in der Logistik, der Lagerbranche und der Landwirtschaft aus. Einige Flüchtlinge hätten sich auch selbstständig gemacht.

Oberfrankens IHK-Chef Heribert Trunk gibt die Hoffnung nicht auf, dass die heimischen Unternehmen von den Flüchtlingen in Zukunft profitieren werden: "Schon mehr als 160 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben bislang den Berufsorientierungstest unserer IHK absolviert. Anhand der Ergebnisse können sie von uns in passende Berufe, Praktika und Unternehmen vermittelt werden. Die Vernetzung der unterschiedlichen Akteure funktioniert in Oberfranken vorbildlich."