Flüchtlings-Unterkünfte: Geschäft mit der Not

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Ein verschwundener Balkon und eine neue Fluchttreppe sind zum Schauplatz der Debatte um die Qualität der Asylbewerberunterkünfte im Landkreis geworden. Foto: Ronald Rinklef
Ein verschwundener Balkon und eine neue Fluchttreppe sind zum Schauplatz der Debatte um die Qualität der Asylbewerberunterkünfte im Landkreis geworden. Foto: Ronald Rinklef

Nach den Vorgängen um die in Walsdorf geplante Notfallunterkunft stellen sich weitere Fragen. Eine ist die nach der Seriosität der Betreiber - und ob das Landratsamt hier sorgfältig auswählt.

Der Fall klingt zunächst wenig spektakulär. Ein Vermieter reißt bei einem seiner Mieter den Balkon ab. Der Mieter verklagt ihn daraufhin auf Wiederherstellung. Doch dahinter tut sich ein Thema auf, das derzeit im Landkreis Bamberg für Schlagzeilen sorgt. Es geht um die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern und die Seriosität von Betreibern dieser Unterkünfte, mit denen das Landratsamt sogenannte Beherbergungsverträge schließt und pro Bewohner bestimmte Tagessätze zahlt.

Rechtsstreit in Strullendorf

Der konkrete Fall spielte in der Unterkunft in Strullendorf, wo seit dem Frühjahr etwa 50 bis 60 Asylbewerber und Flüchtlinge untergebracht sind. Sie befindet sich im Gewerbegebiet. In dem Gebäude waren aber bereits zuvor drei Wohnungen privat vermietet. Die Mietverhältnisse bestehen fort. Und einer der Mietparteien, einem aus Ungarn stammenden Ehepaar, wurde nun der Balkon abgerissen. Die Begründung des Hausbesitzers: Der Platz wurde für eine Fluchttreppe für die Asylbewerberunterkunft benötigt. Diese wird wiederum von der F&F Consulting GmbH betrieben, die dafür das Gebäude angemietet hat. F&F betreibt im Landkreis bereits zwei weitere Unterkünfte in Reckendorf und Burgebrach. Zuletzt sollte auf dem von ihr erworbenen ehemaligen Unex-Metall-Gelände in Walsdorf eine Notfallunterkunft für mehr als 100 Flüchtlinge entstehen.

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Notwendig wurde die Fluchttreppe, weil für Asylbewerberunterkünfte die neuesten Brandschutzbestimmungen gelten. Im Jahresbericht 2014 des Landratsamtes wird dazu ausgeführt: "Sehr viele leer stehende Gebäude und Gasthöfe wurden dem Fachbereich Ausländerwesen von verschiedenen Investoren angeboten. ... In vielen Fällen, vor allem bei alten Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Bauordnung schon genehmigt wurden, musste nachgerüstet werden. ... In Anbetracht der vermehrten Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte ist dies eine ganz wichtige Aufgabe, um hier ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleisten zu können."

Ohne Rücksicht auf Mieter

Die Notwendigkeit der Treppe leuchtet also ein. Allerdings vertritt der Anwalt der Familie, deren Balkon dafür geopfert wurde, die Meinung, die Fluchttreppe hätte auch an anderer Stelle am Haus angebracht werden können. Er vermutet, dass es auch ein Schachzug war, um die Mieter aus dem Haus zu drängen. Der Anwalt ist Christian Beickert, der auch SPD-Gemeinderat in Strullendorf ist. Und als solcher sieht er den Skandal ganz woanders. "Es ist ein Unding, dass das Landratsamt einen solchen Beherbergungsvertrag abschließt, wohlwissend, dass im selben Haus noch Wohnungen vermietet sind."

Beickert stört auch das Geschäftsmodell, dass mit geringst möglichem Aufwand - "ein Hausmeister, ein paar Waschmaschinen ..." viel Geld mit der Not der Menschen verdient werde. "Die Betreiber der jeweiligen Unterkunft sind für die Situation vor Ort verantwortlich (Hygiene, Hausordnung, usw.)", heißt es auf Anfrage aus dem Landratsamt.

Unterschiedliche Tagessätze

Zwischen 20 und 28 Euro beträgt nach verschiedenen Angaben der Tagessatz, der pro Kopf im Landkreis bezahlt wird. 21,42 Euro bestätigte etwa das Landratsamt 2013 für die Unterkunft in Aschbach. Dies liege im bayerischen Durchschnitt, hieß es. 25 Euro nannte die Stadt Bamberg für die Unterkunft in der Neuerbstraße und bezeichnete dies als "normal".

Es lässt sich also Geld verdienen. Bei derzeit nach Angaben von Landrat Johann Kalb (CSU) etwa 560 Asylbewerbern, die auf 16 Unterkünfte in elf Landkreiskommunen verteilt sind, geht es bei einem angenommenen Tagessatz in den niedrigen Zwanzigern um etwa 4,5 Millionen Euro pro Jahr.

Der Bogen der Betreiber solcher Unterkünfte ist weit gespannt. Es gibt Hoteliers, denen der Spatz in der Hand lieber ist als die Taube auf dem Dach, Immobiliengesellschaften, die auch sonst auf dem Wohnungsmarkt tätig sind oder auch Investoren, mit eigens zu diesem Zweck gegründeten Firmen.

Das Geschäft ist legal und durchaus auch legitim, angesichts steigender Flüchtlingszahlen - Menschen die in festem Wohnraum untergebracht werden müssen. Doch wie wird diese verantwortungsvolle Aufgabe kontrolliert? So fordern etwa die Grünen im Kreistag angesichts der um die Vorgänge in Walsdorf kursierenden Gerüchte und Hinweise, dass das Landratsamt "ein erweitertes Führungszeugnis" vom Investor einfordert. "Jede Erzieherin muss heutzutage ein solches Zeugnis vorlegen, bei Jugendleitern etwa wird es dringend empfohlen", wird Kreisrat Bernd Fricke in einer Pressemitteilung zitiert. Und weiter: "Die Unterbringung von Flüchtlingen sollte da mindestens ebenso abgesichert sein."

Grüne kritisieren Krisenmanagement

Hintergrund ist, dass der in Erscheinung getretene Investor vielen Menschen im Raum Bamberg noch unter einem andern Namen aus den 1990er Jahren ein Begriff ist. Dass diese Namen auch im Zusammenhang mit einem Spielcasino im tschechisch-deutschen Grenzgebiet immer wieder auftauchen, nährt die Spekulationen.
Die Reaktionen darauf "deuten nicht gerade auf ein wirksames Krisenmanagement und ein Bemühen um sachliche Aufklärung hin", meint etwa Grünen-Kreisrat Andreas Lösche. Hier sei der Landrat gefordert.

Den Prozess um den abgerissenen Balkon haben übrigens die klagenden Mieter gewonnen. Dem Eigentümer haben die Mieter Zeit bis Mitte Oktober gewährt, den Balkon wiederherzustellen.