Feier als vorösterliches Fiasko

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Bambergs Fußgängerzone entsteht. Eine Aufnahme von 1976 Foto: Heinrich Altmann/Stadtarchiv
Bambergs Fußgängerzone entsteht. Eine Aufnahme von 1976 Foto: Heinrich Altmann/Stadtarchiv
Eine Aufnahme von 1970, die den Parkplatz am Obstmarkt zeigt, wo 1977 der "Schwimmkörper"-Brunnen entstand Foto: Norbert Haas/Stadtarchiv
Eine Aufnahme von 1970, die den Parkplatz am Obstmarkt zeigt, wo 1977 der "Schwimmkörper"-Brunnen entstand Foto: Norbert Haas/Stadtarchiv
 
Am Grünen Markt drängten sich bei der Einweihung des legendären Röhrenbrunnens die Menschen.
Am Grünen Markt drängten sich bei der Einweihung des legendären Röhrenbrunnens die Menschen.
 
Der Röhrenbrunnen als Faschingsthema in den 70ern
Der Röhrenbrunnen als Faschingsthema in den 70ern
 

Zur peinlichen Veranstaltung wurde am Gründonnerstag des Jahres 1977 die Inbetriebnahme des legendären Röhrenbrunnens. Ein Blick zurück

Vorbei ist die Winterpause. Bambergs Wasserspiele sind eröffnet. Auch der Brunnen am Obstmarkt, der an einem Gründonnerstag vor 40 Jahren erstmals zum Leben erwachte, plätschert wieder. Als "kompliziert, aber akzeptabel" werteten viele Bamberger damals die Neuerrungenschaft. Während eine parallel dazu stattfindende Zeremonie am Grünen Markt, die rund 300 Menschen erlebten, aus dem Ruder lief. Der legendär gewordene Röhrenbrunnen sollte zum krönenden Abschluss des Großprojekts "Fußgängerzone" sprudeln, nahm seinen Dienst aber so unwillig auf, dass er zum weithin bekannten Spottobjekt avancierte.


Proteste gegen das "Osterei"

"Brunnen vor St. Martin stößt auf totale Ablehnung", war am Tag darauf im FT zu lesen. Viele Bamberger waren wütend und sprachen von einer "Blamage", nachdem den mattglänzenden Röhren bei der Inbetriebnahme statt der erwarteten Fontäne nur ein beschaulicher Strahl entrann. Die Proteste gegen das faule "Osterei" ebbten auch in den kommenden Wochen und Monaten nicht ab, worüber selbst Die Zeit schrieb. So erfuhren Leser quer durchs Land von Bambergs "Prostatabrunnen".


Den "Bidet-Effekt genießen"

"Wie lang wird's dauern, bis sich der erste beschwipste Passant auf eine Röhre setzt und den Bidet-Effekt genießt?", lästerte der langjährige Leiter der Bamberger Lokalredaktion Willy Heckel in einem Kommentar. Nach knapp einem Jahr gab der Stadtrat auf und ließ das verhasste Werk entfernen, dessen Befürworter unterlagen. Zuvor noch hatte der Club moderner Hausfrauen die Gelegenheit genutzt, um sämtliche 96 Röhren im Fasching mit Hütchen zu verkleiden.

Mit welchem Enthusiasmus hatte man im Jahr zuvor noch die Fertigstellung der Fußgängerzone zelebriert. Tausende kamen zum "Bürgerfest", das am 25. September in der nun autofreien Innenstadt veranstaltet wurde. Bambergerinnen zeigten sich in der Tracht von Bürgersfrauen des 19. Jahrhunderts. Ein Moritatensänger erwartete das Publikum, das auch mit Blasmusik, Seemannsliedern und etlichen anderen Darbietungen unterhalten wurde.


Seit Anfang der 60er Jahre

Rund vier Millionen Mark hatte die lang ersehnte Umgestaltung der Innenstadt gekostet. Schon Anfang der 60er Jahre waren die Stadtväter Willy Heckel zufolge auf die Idee gekommen, dem Fußgänger als "vom Aussterben bedrohter Spezies" ein "Reservat" einzuräumen. Was damals im Trend lag, nachdem in Kassel 1953 Deutschlands erste allein dem Fußvolk vorbehaltene Einkaufsstraße eingeweiht worden war.



Autos und Busse verschwanden

In Bamberg aber dauerte es, bis das Projekt in Angriff genommen wurde. Neben Autos hatten die Busse zu weichen, die sich bis dahin am Grünen Markt trafen. Der Wochenmarkt musste - unter lautem Protest der Marktkaufleute - Anfang der 70er Jahre von der Promenade auf den Maxplatz ziehen. Während die benachbarte "Humsera" mit ihrem Brunnen auf dem Grünen Markt landete, wo sie noch heute zu finden ist.



Der Verein "Ja zur Fußgänger-Zone Bamberg" gründete sich am 1. Mai 1972, um die autofreie Innenstadt attraktiv zu gestalten. Neben Puppendoktor Eric Kluge gehörten dem Vorstand Paul Walter Arendt vom gleichnamigen Modehaus und Juwelier Josef Stappenbacher an. "Arendt finanzierte die Leuchten mit, die Bambergs Zentrum nachts illuminieren sollten", so Kluge. Vor allem aber stellte der Vereinsvorsitzende den Kontakt zum Starnberger Architekten Bernhard Winkler her, der sich mit der Gestaltung von Münchens Zentrum profiliert hatte, und nun den Bamberger auf die Sprünge half.


Nicht in Abgasen ersticken

1976 war's so weit: Man feierte die - weitgehende - Fertigstellung der "urbanen Idylle", wie wir sie kennen. Ohne Fußgängerzone wäre das Herz der Innenstadt in Blech und Abgasen erstickt, meinte Oberbürgermeister Theodor Mathieu bei der Eröffnung. Und natürlich wurde die neue Einkaufsmeile, auf der man ungestört flanieren konnte, angenommen - jedenfalls in den ersten Jahren. Dann aber ließ die Akzeptanz schon nach, aufgrund mangelnder Parkmöglichkeiten. "Es dauerte mehr als acht Jahre, bis mit der Tiefgarage Geyerswörth 1984 eine erste große Parkanlage am Rande der Innenstadt eröffnet werden konnte", berichtete Willy Heckel in "Bamberg im 20. Jahrhundert". Gegen hartnäckigen Widerstand habe Oberbürgermeister Paul Röhner das Projekt durchgesetzt. Ein Jahr später kam das Parkhaus Schützenstraße und Mitte der 90er Jahre die Tiefgarage Georgendamm.