Vor dem Bamberger Amtsgericht musste sich ein Rechtsanwalt verantworten, der auf Facebook seinem Ärger über Erzbischof Schick Luft gemacht hatte.
Im Sitzungssaal des Amtsgerichts war fast so etwas wie Überraschung zu spüren, als Richterin Anne Breith den ersten Satz des Urteils spricht: "Der Angeklagte ist freigesprochen." Fast mag man vermuten, dass Richard C. (Name geändert), selbst Rechtsanwalt, nicht damit gerechnet hat. Hatte er doch in seinem "letzten Wort" zuvor noch angedeutet: "Ich weiß, dass eine junge Richterin sich das vielleicht gar nicht erlauben kann." Diese jedoch entschied: "Es handelt sich um keine strafbare Beleidigung."
Es geht um einen Kommentar, den der 50-Jährige im Oktober 2016 im Internet veröffentlicht hatte. Vorausgegangen war eine Podiumsdiskussion in Nürnberg, in der der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gefragt worden war, ob er sich einen muslimischen Bundespräsidenten vorstellen könne. Schick hatte darauf geantwortet, dass er dafür derzeit keine gesellschaftliche Mehrheit sähe. Sollte es jedoch durch demokratische Entscheidungen dazu kommen, werde die Kirche diese akzeptieren.
Folgen des AfD-Posts
Auf ihrer Facebook-Seite postete die AfD Deutschland daraufhin einen Beitrag mit dem Titel: "Kirche: Muslimischer Bundespräsident denkbar." Die Folge: zahllose hasserfüllte Sätze in den Kommentarspalten.
Der Beitrag von Richard C.: "Stell dir vor, dieser Heini wird im Gottesdienst geköpft und niemand schaut hin." Eine Formulierung, die Richterin Breith als "äußerst geschmacklos und unangemessen" bezeichnete. Gleichwohl: Dass der Angeklagte sich über den Erzbischof geärgert habe, sei keine strafbare Beleidigung. "Die Äußerung unterfällt der Meinungsfreiheit", sagte Richterin Breith.
Genau darauf hatte der Angeklagte aus NRW abgezielt. Gleich zu Beginn der Verhandlung gab er zu: "Ja, der Facebook-Eintrag ist von mir. Die Frage ist nun die rechtliche Würdigung."
Was war überhaupt der Hintergrund für den Kommentar? Richard C. findet: "Kirchliche Würdenträger beider Konfessionen sind nicht nur auf den Isalm zugegangen, sondern haben sich vor ihm verbeugt." Er bringt das Beispiel, dass kirchliche Vertreter bei ihrem Besuch am Tempelberg in Jerusalem im Oktober 2016 ihre Kreuze abgelegt hatten. Außerdem verwies der Angeklagte auf einen Vorfall in Nordfrankreich im Sommer 2016, als ein Priester in einer Kirche von IS-Kämpfern getötet wurde.
"Das Interview mit Ludwig Schick war sozusagen das Sahnehäubchen", sagte der Anwalt am Dienstag vor dem Bamberger Amtsgericht. Seiner Meinung nach reagiere die Kirche "nicht angemessen", wenn sie "immer wieder die andere Wange hinhält".
"Leicht angeschickert" habe er dann abends seinen Kommentar im Internet abgesetzt, seine Formulierung wollte er als satirische Anlehnung an das Zitat "Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin" wissen.
Staatsanwalt André Libischer jedenfalls stellte in seinem Plädoyer klar: "Auch ein Facebook-Post kann strafbar sein." Libischer sah in der "martialischen Äußerung die Grenze der Meinungsfreiheit überschritten" und forderte eine Geldstrafe.
Anderer Ansicht war da Richterin Anne Breith. Sie wertete zu Gunsten des Angeklagten, dass es sich um eine Unmutsäußerung gehandelt habe. Der Unterschied zur Beleidigung: "Bei dieser muss das Bestreben vorhanden sein, jemanden herabwürdigen zu wollen", erklärte Peter Neller, Pressesprecher des Amtsgerichts, auf Anfrage.
Bistumssprecher Harry Luck sagte nach der Verhandlung, dass man über das Urteil geteilter Meinung sein könne. "Für uns ist das Signal wichtig, dass bei Äußerungen im Internet die vermeintliche Anonymität nicht gesichert ist."
Geldstrafe in einem anderen Fall
So habe die Justiz einen weiteren Kommentator ausfindig machen können. Der Mann hatte geschrieben: "Dieses ganze Politiker- und Pfaffengesindel sind korrupte Verbrecher und gehören liquidiert." Dafür wurde er zu einer Geldstrafe von 4000 Euro verurteilt.
Der Freispruch von Richard C. ist noch nicht rechtskräftig. Der Anwalt rechnet offenbar auch gar nicht damit, wie er in einem Fernsehinterview nach der Verhandlung sagte. "Ich werde wohl noch öfter nach Bamberg kommen müssen, ist ja auch eine schöne Stadt."
Offenbar geht der 50-Jährige davon aus, dass die Staatsanwaltschaft überlegt, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Ursprünglich war das Verfahren eigentlich schon eingestellt worden. Nach einer rechtlichen Würdigung durch den Leitenden Oberstaatsanwalt wurde es jedoch wieder aufgenommen.
Ich treibe mich nicht in diesen "sozialen" Medien herum und weiß auch nicht was dort über mich verbreitet wird, interessiert mich auch nicht. Das rate ich dem Bischof auch. Denn einige seiner Aussagen und Verhaltensweisen passen mir, als Christ, auch nicht und es gelüstet mich dies auch öffentlich kund zu tun.
Dieser Mann sollte besser den Stand der Christenheit festigen und nicht den Moslems den Weg bereiten.
Den kirchlichen Amtsträger zu kritisieren, ist von der Meinungsfreiheit gedeckt, Beleidigungen oder Todesdrohungen sind es natürlich nicht. Daß Richter oft mit zweierlei Maß arbeiten oder auch aus eigener Willkür das Recht über die Maßen interpretieren, stimmt leider - auch in anderen Fällen.
Wenn ein katholischer Bischof aber eine politische Selbstverständlichkeit von sich gibt, zum Beispiel sagt, die Kirche werde die demokratische Wahl eines politischen Amtsträgers unabhängig von dessen Religion akzeptieren, bereitet er weder Moslems noch anderen den Weg. Er respektiert, daß sie nach dem Grundgesetz den Christen und Nichtgläubigen politisch gleichgestellt sind. Punktum!
Intoleranz war noch nie eine christliche Tugend, wenngleich die Kirchen keineswegs immer mit gutem Beispiel vorangegangen waren. Mit Aus- und Abgrenzung überzeuge ich niemanden von meinen Werten. Hier hilft allein das gelebte Vorbild.
„Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ sagt der Volksmund. In Gottes Hand? Nein, man ist der Willkür von Richtern ausgesetzt, die offenbar einen riesigen Spielraum darin haben, das Zusammenleben in dieser Gesellschaft vor schlimmsten Entgleisungen zu bewahren. Die Diskussionskultur, ja die Grundprinzipien eines notwendig friedlichen Miteinanders drohen - nicht zuletzt aufgrund der Anonymität im Internet - zugrunde zu gehen. Und die Justiz schaut zu oder ist sie blind? Wie in der Zeit, als sich der Naziwahn in Deutschland Bahn brach? Mit schönem Gruß an die Amtsrichter im Land, an jene am AG Bamberg im Speziellen: Als Verkehrsteilnehmer muss man fürs Vogelzeigen 300 Euro Strafe und drei Punkte in Flensburg quittieren. Selbst das Zeigen des Stinkefingers in Richtung Verkehrskamera ist strafbar: Der Stinkefinger gelte nicht einer toten Sache wie der Kamera, sondern den Polizeibeamten und erfüllt den Tatbestand einer Beleidigung, urteilte mal das Bayerische Oberste Landesgericht und verhängte eine Strafe in Höhe von 900 Euro.
Aber das scheint ja auch was anderes zu sein als wenn einer im Internet seinen Traum von der Gleichgültigkeit unserer Gesellschaft gegenüber einer furchtbaren Gewalttat an einem honorigen Kirchenmann, Geisteswissenschaftler und Chef von über 10000 Beschäftigten als freie Meinungsäußerung zum Besten geben darf. Man darf so einen Mann ungestraft Heini nennen. Einen Amtsrichter auch?
Immerhin gibt die verfluchte Äußerung jenes 50jährigen Rechtsanwalts auf einer AfD-Seite einen tiefen Blick in die verkommene Gemütslage der Neonazis. Die kennen wie vor 80 Jahren nur eine Form des Umgangs mit hellen Köpfen und Querdenkern: Rübe ab. Schon 12 Prozent im Land akzeptieren solche Denkweisen. Welche Schande! Hüten wir uns!
Kann mir nicht helfen, aber ich denke wenn man der Richterin einen (auf sie) abgewandelten Spruch präsentieren würde, sähe das Urteil anders aus.
ich bin auch mal für einen Ironischen oder flappsigen Kommentar in einem Forum zu haben.
Die Anonymität der sozialen Medien erlauben so manchen Exzess. Das schwappt leider sogar immer mehr in die reale Welt hinüber.
Nicht sehr kultiviert für das 21. Jahrhundert.