Bamberg
Landwirtschaft

Es geht um die Zukunft der Äcker - BBV Bamberg kritisiert Volksbegehren

Ab heute können sich Unterstützer für das Volksbegehren für Artenvielfalt eintragen. Was viele befürworten, stößt beim Bauernverband auf Kritik: Die Konsumenten würden wegen ihres schlechten Gewissens einen Sündenbock suchen.
Auf und zwischen Bayerns Äckern soll es nach dem Volksbegehren mehr blühen - zum Wohle der bedrohten Arten. Der Bauernverband sieht das skeptisch und will lieber weiter  auf Freiwilligkeit setzen. Günther Geiling/Archiv
Auf und zwischen Bayerns Äckern soll es nach dem Volksbegehren mehr blühen - zum Wohle der bedrohten Arten. Der Bauernverband sieht das skeptisch und will lieber weiter auf Freiwilligkeit setzen. Günther Geiling/Archiv

"Rettet die Bienen!" - Der Kurztitel des Volksbegehrens der ÖDP für Artenvielfalt und Naturschutz ist klug gewählt, auch wenn es um mehr geht als das beliebte Fluginsekt. Denn wer kann da schon dagegen sein? Wie sang Karel Gott schon in den 70ern, als es mit dem Artensterben noch nicht so weit fortgeschritten war: "Alle lieben Maja." Entsprechend wäre "Rettet die Schlangen" wohl weniger populär, obwohl unter vielen anderen auch der Landesverband für Amphibien- und Reptilienschutz das Volksbegehren unterstützt, für das ab Donnerstag (31. Januar) im Rathaus unterschrieben werden kann. Übrigens stand laut ÖDP auch einmal "Rettet die Bauern" in der Unterzeile.

BBV kritisiert Volksbegehren

Nicht gegen die Rettung der Bienen, aber gegen das Volksbegehren spricht sich der Bayerische Bauernverband (BBV) aus. "Natürlich brauchen auch wir die Insekten", sagt Edgar Böhmer, Kreisobmann der BBV-Geschäftsstelle Bamberg-Forchheim. "Aber das Volksbegehren ist wie der Brexit: Die Leute unterschreiben etwas, ohne zu wissen, was für Konsequenzen das hat." Die Befürchtungen des Bauernverbands lassen sich auf drei Hauptpunkte festlegen.

Vor allem fürchten die Landwirte, dass sie die finanziellen Konsequenzen alleine tragen müssen. Im Volksbegehren wird unter anderem gefordert, dass mehr Blühwiesen erhalten und die ökologisch bewirtschafteten Flächen von derzeit rund zehn Prozent schrittweise auf 30 Prozent erhöht werden sollen. Diese Ziele sollen in das Bayerische Naturschutzgesetz aufgenommen werden. Laut Werner Nützel, Geschäftsführer des BBV Bamberg-Forchheim, gibt es alleine im Kreis Bamberg rund 1000 Bauern, die freiwillig Maßnahmen zum Umwelt- und Artenschutz ergreifen - und dafür mit über drei Millionen Euro pro Jahr von EU und Freistaat gefördert werden. "Auch wir wollen einen Wandel, aber das braucht Zeit. Wir setzen auf Freiwilligkeit", sagt Nützel. "Der Kohleausstieg ist doch auch erst für 2038 geplant, warum werden die Bauern so gedrängt?" Nützel fürchtet, dass es keine Förderung mehr geben wird, wenn die Forderungen umgesetzt werden.

"Ich glaube eher, dass die Bauern durch das Volksbegehren gestärkt werden", sagt Ilona Munique, Imkerin und Mitinitiatorin von "Bienenleben in Bamberg". Um die Ziele des Volksbegehrens zu erreichen, müsse die Regierung die Fördermittel erhöhen statt streichen. Munique hat der ÖDP schon bei der ersten Hürde mit Unterschriften-Aktionen geholfen. Die Zulassung war ein voller Erfolg: Statt der benötigten 25 000 waren es fast 100 000 Unterzeichner. Nun geht die Arbeit für Munique weiter, als stellvertretende Sprecherin des Bamberger Aktionsbündnisses. Die nächste Hürde ist zwar hoch - eine Million Bayern müssen unterschreiben - doch wegen der vielen Unterstützer sind die Erfolgsaussichten gut.

"Die Sache ist es wert, weil sich nun alle mit dem Artensterben auseinandersetzen müssen. Das ist eine historische Chance", sagt sie. Große Probleme mit der Bienenzucht habe Munique zwar nicht. Aber als Imkerin betrachte sie die Natur "mit den Augen der Bienen", sorge sich auch um andere Insekten und die Umwelt. "Wir sehen, wie alles abgemäht wird, wie man den Insekten keine Chance lässt. Wir sehen die Zeichen", sagt sie. "Es wird Zeit zu handeln, bevor es zu spät ist. "

Es sei noch zu früh, meint dagegen der BBV: "Bereits jetzt haben Biobauern eine Warteliste bei der Molkerei, weil die Nachfrage nach Biomilch nicht da ist", sagt BBV-Obmann Böhmer. Der zweite Hauptkritikpunkt: Es werde künstlich ein Angebot geschaffen, für das es keine Nachfrage gebe.

Bio-Überproduktion zu erwarten?

"Bei der Milch stimmt das", sagt Tobias Sieling, der für die ÖDP im Bamberger Kreistag sitzt und Sprecher des Aktionsbündnisses ist. "Aber das ist wirklich das einzige Bioprodukt, bei dem es Überkapazitäten gibt." Bei Gemüse und Getreide sei die Nachfrage größer als das Angebot, entsprechend werde viel importiert. Die ÖDP habe laut Sieling immer betont, dass es nicht gegen die Bauern gehe, auch wenn die Forderungen vor allem die Landwirtschaft betreffen. "Wenn das Volksbegehren Erfolg hat, ist es an der Staatsregierung, die Ziele zu erreichen." Es soll laut Sieling nicht nur weniger importiert und die Äcker blühender werden. "Wir wollen an den großen Brocken ran", sagt er. Und zwar "weg von einer exportorientierten Landwirtschaft mit ressourcenintensiven Kreisläufen".

"Aber warum müssen das nur die Bauern leisten?" fragt BBV-Obmann Böhmer. "Wenn da stehen würde, dass Mähroboter und Steingärten verboten werden, weniger Autos, weniger Flugverkehr, weniger Licht in der Nacht gefordert würde, dann würde ich auch unterschreiben", fügt er an. "Wir sollen uns nach der Gesellschaft richten, aber die Gesellschaft lässt uns im Stich", pflichtet ihm Geschäftsführer Nützel bei. "Viele werden nur unterschreiben, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen." Natürlich seien auch die Privatleute gefragt, meinen Munique und Sieling. "Wenn ich Steingärten oder Englische Rasen sehe, macht mich das auch traurig. Aber mit dem Volksbegehren haben wir den Stein ins Rollen gebracht", hofft Sieling.

Weder ÖDP noch Naturschutzorganisationen haben sich bisher mit dem BBV über die Ziele ausgetauscht. Der Landesverband Bayerischer Imker unterstützt sowohl das Volksbegehren, als auch die Freiwilligen-Aktion des BBV "Bayern blüht auf", bei der Landwirten Saatgut geschenkt wird, wenn sie freiwillig Blühstreifen anlegen. "Die Aktion finde ich cool", sagt Alexandra Vollmayer, zweite Vorsitzende des Bamberger Imkervereins. "Wir wollen eine Veränderung im Austausch mit den Bauern schaffen."

Infos zum Volksbegehren:

Wann? Wer das Volksbegehren "Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern - Rettet die Bienen!" unterstützen will, kann vom 31. Januar bis 13. Februar im Rathaus seines Erstwohnsitzes dafür unterschreiben. In Bamberg (13.30 Uhr) und Scheßlitz (16.30 Uhr) finden heute vor dem Rathaus Erstunterzeichner-Aktionen mit Vorträgen statt. Was? Die Unterstützer wollen eine Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes erreichen. Schwerpunkte sind unter anderem der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, die Vernetzung der Lebensräume, mehr Blühwiesen und weniger Pestizide. Der vollständige Gesetzesentwurf ist auf der Homepage des Aktionsbündnisses zu finden.

Kommentar: Wann, wenn nicht jetzt?

Ein Wandel ist nötig, wenn wir unseren Lebensraum schützen wollen. Um das große Sterben der Arten aufzuhalten, muss unsere Art einen kleinen Tod sterben, nämlich vor allem deutlich mehr für (bessere) Lebensmittel ausgeben und Produktionsgewohnheiten hinterfragen. Dafür braucht es aber politische Rahmenbedingungen, die den Wandel belohnen.

Ob es dafür Regeln braucht, die hauptsächlich die Landwirte betreffen, darüber streiten sich Unterstützer des Volksbegehrens und der Bauernverband. Während die einen auf feste Ziele setzen, sind die anderen skeptisch: Werden die produzierten Biolebensmittel aus der Region überhaupt gekauft, oder entscheidet sich der Konsument weiter für Billigprodukte - sei es aus finanzieller Notwendigkeit oder bequemer Gewohnheit? Die Landwirte haben Angst, die Finanzierung des Wandels alleine stemmen zu müssen. Und vor dem Verlust von Fördermitteln, sollten sie bereits freiwillig auf Nachhaltigkeit setzen. Falls sich das Volksbegehren durchsetzt - was recht wahrscheinlich ist - müssen die Bauern auf ihren Kollegen Hubert Aiwanger hoffen: Der bayerische Finanzminister und Landwirt muss die nötigen Mittel bereitstellen. Bayern kann es sich derzeit leisten, ein Vorbild für andere Bundesländer zu werden. Also: wann Wandel, wenn nicht jetzt?