Die Richter am LSG folgten wie die Vorinstanz der Argumentation der AOK Bayern nicht und verklagten die Kasse zur Zahlung. Sie ließen eine Revision zum Bundessozialgericht in allen drei Fällen zu.
Die Entscheidung darüber, ob es eine Revision am Bundessozialgericht geben wird, liegt bei der AOK Bayern. Die wollte dazu zunächst keine Angaben machen, hatte aber bereits zuvor angekündigt, strittige Kostenunabhängig von der Streitfrage vorerst weiter zu übernehmen.
Für manche Leistungen die Pflegekasse zuständig, für andere die Krankenkasse. Mit dem Unterschied, dass die Krankenkasse Kosten in der Regel ganz erstattet, die Pflegekasse oft nur pauschal. Claudia Spiegel vom Sozialverband VdK Bayern sieht nicht nur in der jetzigen Entscheidung der AOK die Motivation, Kosten zu sparen, sondern sie fürchtet "dass die Krankenkassen versuchen, ambulante Pflegekosten in Senioren-WGs zunehmend der Pflegeversicherung zuzuordnen".
Das laufe auch dem Ziel des Gesundheitsministeriums zur Stärkung der WGs zuwider. Rolf Claus verfolgt die Debatte zwar nicht täglich. Aber auch er baut darauf, dass er und seine Mitbewohner weiterhin angemessen versorgt sein können.
Senioren-WG: das steckt hinter dieser modernen Alters-Wohnform
Was ist eine Senioren-WG?
In ambulant betreuten Wohngemeinschaften im Sinne des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG) können pflegebedürftige Menschen in einem gemeinsamen Haushalt leben. Von externen Dienstleistern können die Bewohner Pflege- oder Betreuungsleistungen buchen - gegen Entgelt.
Ab wann ist die Wohnung eine Senioren-WG? Voraussetzungen für die Anerkennung als ambulant betreute Wohngemeinschaft sind laut Bayerischem Gesundheitsministerium fünf Punkte:
1. Selbstbestimmung der Mieter muss gewährleistet sein. Alle Bewohner bilden ein Gremium der Selbstbestimmung, in dem sie alle Angelegenheiten des Zusammenlebens sowie die Wahl der Dienstleister für Pflege und Betreuung regeln.
2. Wahlmöglichkeit: Der Pflege- und Betreuungsdienst sowie Art und Umfang der Leistungen müssen frei wählbar sein.
3. Pflege- und Betreuungsdienste dürfen keine Büroräume in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft oder in enger räumlicher Verbindung haben - sie sind lediglich Gast in der WG.
4. Selbstständigkeit der WG: Die Wohngemeinschaft muss baulich, organisatorisch und wirtschaftlich selbstständig und darf nicht Teil einer stationären Einrichtung sein. Zudem dürfen sich nicht mehr als zwei solcher WGs gleicher Initiatoren in unmittelbarer räumlicher Nähe befinden.
5. Größe: Es dürfen darin nicht mehr als zwölf Personen leben.
An wen kann ich mich wenden?
Interessierte können sich kostenlos an die Koordinationsstelle ambulant betreute Wohngemeinschaften in Bayern wenden: telefonisch unter 089 / 20 18 98 57 oder per Mail an kontakt@ambulant-betreute-wohngemeinschaften.de. Vor Ort können auch Berater der Wohlfahrtsverbände wie Caritas und Diakonie oder Koordinatoren in den Landratsämtern oder Stadtverwaltungen helfen.
Kommentar von unserem Redakteur Stephan Großmann:
"Endlich grundlegende klären!"
Wie will ich im Alter leben? Welche Lebensweise ist meinen Eltern zuzumuten? Fragen, die sich jeder irgendwann stellen muss. Wohnformen für pflegebedürftige Senioren sind so vielfältig wie die (oft begründeten) Vorbehalte gegen sie. Logisch: Wo lassen sich an der Würde am ehesten Abstriche machen? Eine Antwort darauf bietet in der Regel in erster Linie die Kaufkraft.
Eine gute Alternative zur von strukturellen und personellen Problemen gebeutelten Stationärpflege sind sogenannte Senioren-WG's. Die sind oft teurer, aber Selbstbestimmung mit häuslichem Anstrich kostet halt. Umso wichtiger ist das Urteil der Sozialrichter in München.
Je nach Pflegebedürftigkeit kommen schnell vierstellige Summen zu Mietkosten und Betreuungspauschalen hinzu, die sich weniger vermögende Selbstzahler kaum bis gar nicht leisten könnten. Dass sich Krankenkassen vor ihrer Verantwortung drücken, muss verhindert werden. Und zwar grundlegend. Senioren und ihre Angehörigen brauchen Rechtssicherheit.