Seit Anfang Juni müssen die Sicherheitsleute im Ankerzentrum Namensschilder tragen, um identifizierbar zu sein. Beobachter bezweifeln die Wirksamkeit dieser Maßnahme, die Schilder würden gar nicht erst angelegt oder im Zweifel wieder abgenommen.
Die Polizei Bamberg teilt mit, sie gehe jedem Hinweis auf eine Straftat nach, egal welche Stelle oder Nationalität der Beschuldigte hat. Sprecher Christian Heyd: "Es gibt Fälle, wo es zur Anzeige von Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes kommt, aber diese sind relativ selten."
Zuletzt stand allerdings die Polizei selbst im Fokus. Zeugen berichten von Gewalt im Rahmen der Abschiebung einer iranischen Familie Anfang Juli. Die Familie wurde getrennt, der 15-jährige Sohn sei auf den Boden geworfen worden, wobei er sich am Kopf verletzt habe. Beide Elternteile seien am Boden fixiert worden. Aufregung erregte die Aktion insbesondere, weil der Mann dem Haftrichter in Unterhosen, in den Worten der Polizei einer "sehr kurzen Hose", vorgeführt wurde. Der Mann habe nicht nach einer anderen verlangt.
Alexander Czech, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken, betont, niemand sei zu Boden gestoßen worden. Die Beamten hätten den Sohn ein Mal festgehalten, um ihn an der Störung des Einsatzes zu hindern. Der Vorgang sei intern jedoch thematisiert worden. Kleidung immerhin soll in Zukunft nachgereicht oder auf der Dienststelle vorgehalten werden.
387 Einsätze fuhr die Polizei im ersten Quartal 2019 im Ankerzentrum. Damit liegt sie etwas unter dem Wert des Vorjahres. Zu den Ursachen gehören körperliche Auseinandersetzungen, Eigentumsdelikte, Sachbeschädigung, hinzu kommen 35 Verfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. "Keine Schwerkriminalität", so Heyd, "nichts, was es draußen nicht auch gibt".
Dass im Camp auch Drogen verkauft werden, war durch Arian Baraheni (Name geändert) an die Öffentlichkeit gelangt. Er hatte der Einrichtungsleitung die Namen von Dealern genannt und mit der Presse gesprochen. Wenig später entließ ihn die Regierung als Dolmetscher, angeblich ohne ihm dafür einen Grund zu nennen. "Ich habe das Gefühl, es ist eine Bestrafung", sagt Baraheni. Auch er hatte die gewalttätigen Übergriffe durch Sicherheitsleute bestätigt.
Offiziell ist es den Bewohnern natürlich nicht verboten, Interviews zu geben. Von Barahenis Interview habe man jedoch gar keine Kenntnis gehabt, so Regierungssprecher Michael Weiser. Der Iraner sei entlassen worden, weil er als wiederholter Ruhestörer aufgefallen sei. Menschen, die in den vergangenen 14 Monaten mit Baraheni zusammengearbeitet haben, bezeichnen diese Darstellung als schwer zu glauben. Vielleicht habe er die Ruhe vielmehr dadurch gestört, dass er ein Bild vom Ankerzentrum als gefährlicher Ort zeichnete.
Ankerzentrum wird teurer
Für Horst Seehofer war Bamberg einst Vorzeigemodell für bundesweite Einrichtungen der Art. Der UN-Ausschuss gegen Folter hatte die Zentren im Mai unter anderem wegen der langen Aufenthaltszeiten kritisiert. Insider sehen, wie die Menschen genau darunter leiden. Unter der Langeweile, weil es nichts zu tun gibt und Bewohner nicht arbeiten dürfen, unter dem Missbrauch von Drogen und Psychopharmaka. Am schlimmsten sei die Situation für Kinder, die dort aufwachsen und regelmäßig Zeuge von teils dramatischen Abschiebungen werden.
"Hinterm Zaun hat sich eine Parallelwelt entwickelt", sagt eine Person, die die Einrichtung gut kennt und anonym bleiben möchte. "Viele Bewohner sagen, sie sind nach Deutschland gekommen, weil das ein Rechtsstaat ist. Dem vertrauen sie heute nicht mehr. Hier geht es bloß noch ums Überleben."
Im Juni teilte das Innenministerium mit, Bambergs Ankerzentrum habe 2018 Kosten von 17.837.385 Euro verursacht. 2016 waren es nicht ganz 8 Millionen.