Doch kein versuchter Totschlag

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Ein Familienvater aus Stegaurach rastete aus - jetzt wurde er verurteilt. Symbolfoto: Maurizio Gambarini/dpa
Ein Familienvater aus Stegaurach rastete aus - jetzt wurde er verurteilt. Symbolfoto: Maurizio Gambarini/dpa

Wegen gefährlicher Körperverletzung bekommt ein 47-jähriger Familienvater eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten auf Bewährung.

Ein Fall häuslicher Gewalt brachte einen 47-jährigen Familienvater aus Stegaurach vor acht Monaten in Untersuchungshaft und hernach vor das Landgericht. Der Vorwurf des versuchten Totschlags konnte indes nicht bewiesen werden. Es blieb eine gefährliche Körperverletzung, die dem arbeitslosen Lageristen eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten auf Bewährung einbrachte.

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Richter einen anderen in den Zeugenstand ruft. Ermittlungsrichter Marco Dippold ist genau das passiert. Weil die 45-jährige Frau des Angeklagten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte, musste der Amtsrichter aussagen.
Er schilderte das Geschehen, wie es die nun schweigsame Gattin einst erzählt hatte. Zuerst habe es einen ehelichen Streit ums Geld gegeben. Später sei der Angeklagte "ausgeflippt". Mehrere Faustschläge hätten das Gesicht des Stiefsohnes getroffen, der sich vor seine Mutter gestellt hatte. Dann habe der Angeklagte ihn am Hals gepackt und gegen die Wand gedrückt, "bis er rot angelaufen war und die Adern hervortraten". Erst zwei andere Stiefsöhne hätten durch beherztes Eingreifen Schlimmeres verhindert.

Wie sich später herausstellte, waren entgegen den Erwartungen aus anderen, ähnlichen Vorfällen, weder Alkohol noch Drogen im Spiel. Damit gelang der Versuch der Familie nur teilweise, durch das für enge Verwandte bestehende Zeugnisverweigerungsrecht die vor dem Prozess gemachten Aussagen aus dem Verfahren herauszuhalten. Hatten zwei Stiefsöhne (24 und 22 Jahre) des Angeklagten vor Polizeibeamten der Kripo Bamberg noch geredet und das Geschehen im August 2017 in Strullendorf geschildert, so schwiegen sie vor der fünfköpfigen Strafkammer. Daher kamen ihre belastenden Aussagen auch nicht zur Sprache.

Vom Tötungsvorsatz rückten alle Verfahrensbeteiligten allmählich ab, weil klar wurde, dass der Angeklagte zwar des Öfteren gedroht hatte, er werde seinen Stiefsohn umbringen, es aber bei den verbalen Entgleisungen geblieben war. Auch habe er, nachdem er von zwei Stiefsöhnen von seinem Opfer losgerissen worden sei, nicht weiter auf sein Opfer eingewirkt. Weil sein Würgen am Hals aber eine "das Leben gefährdende Behandlung" sei, käme die gefährliche Körperverletzung in Betracht. Schließlich habe man, so der Sachverständige Eduard Schwabauer (62), bei einem Griff gegen den Hals nicht im Griff, ob nicht etwa durch den Druck auf die Blutgefäße ein reflektorischer Herzstillstand einträte. Für den Rechtsmediziner von der Universität Erlangen war das Luftabdrücken daher nur zweitrangig. Er fand allerdings keine klassischen Würgemale.

Schließlich rang sich der Angeklagte auf Anraten seiner beiden Verteidiger doch noch zu einem Geständnis durch. Rechtsanwalt Thomas Drehsen (Bamberg) räumte ein, sein Mandant habe geschlagen und am Hals gepackt. Anlass sei gewesen, dass er sich über seinen Stiefsohn aufgeregt habe, der in einer Nürnberger Disco eine Flasche Whisky für 400 Euro gekauft hätte. An weitere Einzelheiten könne er sich nicht erinnern.
Von einem einmaligen Versagen sprach Rechtsanwalt Drehsen und sah einen minderschweren Fall, der eine weitaus niedrigere Freiheitsstrafe zur Folge gehabt hätte. In der Folge beschleunigte sich der Prozess, weil zwei Polizeibeamte, eine Nachbarin und deren Besucherin, sowie weitere Familienangehörige durch das Geständnis als Zeugen nicht mehr notwendig waren.


Salomonische Mitte

In ihren Plädoyers wichen Staatsanwalt André Libischer und die beiden Verteidiger, darunter auch Rechtsanwalt Thomas Dräger (Strullendorf), nur wenig voneinander ab. Der Anklagevertreter forderte zwei Jahre, die Gegenseite ein Jahr - jeweils zur Bewährung. Nur die Vertreterin des Nebenklägers, Rechtsanwältin Mareen Basler (Bamberg), "störte" mit ihrem Antrag, auf die Bewährung zu verzichten, das harmonische Miteinander. Sie fürchtete weitere Angriffe auf ihren Mandanten, weil selbst vier minderjährige Kinder im Haus den Angeklagten nicht von der Gewalt abgehalten hätten.

Vorsitzender Richter Manfred Schmidt blieb mit seinen beiden haupt- und den beiden ehrenamtlichen Richterkollegen in der salomonischen Mitte und eher am unteren Rand des möglichen Strafrahmens, der bis zu zehn Jahre Gefängnis ermöglicht hätte. Zugunsten des Angeklagten wertete das Schwurgericht das Geständnis, die mehrmonatige Untersuchungshaft in der JVA Bamberg und die nur geringen Verletzungsfolgen. Das Opfer war nach der Tat weder zum Arzt gegangen, noch war es beruflich länger außer Gefecht gesetzt. Auch Spätfolgen waren nicht auszumachen. Zu seinen Lasten wurden seine Vorstrafen gewertet. Während eine wegen Betruges vor fünf Jahren nicht groß ins Gewicht fiel, passten zwei Strafbefehle aus dem Jahre 2012 ins Bild eines aggressiven Angeklagten. Das eine Mal bedrohte er einen Polizeibeamten während einer Verkehrskontrolle, das andere Mal beleidigte er einen Mitarbeiter des Ordnungsamtes unter anderem als "Penner" und "Arschloch". In allen drei Fällen gab es Geldstrafen. Außerdem sei durch seine Provokationen, Aggressionen und Tätlichkeiten eine "Kluft durch die Familie" entstanden, so Staatsanwalt Libischer.


Kontaktverbot zu Stiefsohn

Während der dreijährigen Bewährungszeit darf sich der Verurteilte nun keine neuen Straftaten zuschulden kommen lassen. Die ersten beiden Jahre hilft ihm dabei ein Bewährungshelfer. Auch bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung, die der Angeklagte im Schlachthof Bamberg aufnehmen will. Zudem sind innerhalb von drei Monaten 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit zu leisten. Jeder Wohnsitzwechsel ist sofort anzugeben. Das ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Verurteilte ein Kontaktverbot zu seinem Stiefsohn einhalten muss und daher einstweilen bei einem guten Freund in Bamberg unterkommt. Zur neunköpfigen Familie nach Stegaurach darf er nur, wenn sichergestellt ist, dass er dort nicht seinem früheren Opfer über den Weg läuft.