Glaubt man den Experten, hat die Märzkälte ihren Ursprung im warmen Atlantik. Die "perverse Logik des Klimawandels" ist aber auch für Hitzewellen gut.
Klimaforscher blicken derzeit mit Sorge auf die Temperaturen und Druckverhältnisse in der Arktis. Auch Thomas Foken ist da keine Ausnahme. Der in Bischberg lebende emeritierte Professor für Meteorologe erkennt im verspäteten Winter, wie er derzeit in fränkisch Sibirien herrscht, die "perverse Logik" des Klimawandels: Verkürzt könnte man sagen: Die Erderwärmung bläst uns den Eishauch ins Gesicht.
Wer die Lage des sogenannten Polarwirbels seit Mitte Februar auf den einschlägigen Karten verfolgt, entdeckt tatsächlich ein ungewohntes Bild: Dieses großflächige Höhentief, das sonst meist mittig über dem Pol kreist, hat sich geteilt und bildet mehrere Kerne - einer lappt in Richtung Nordkanada, der andere nach Sibirien und Mitteleuropa. Dieses Phänomen, auch Arctic Outbreak genannt, lässt die Kälte ungewöhnlich weit nach Süden vordringen. Die Folge: Langlebige Hochdruckgebiete blockieren anhaltend die Warmluft des Meeres.
Natürlich kamen solche Wetterlagen auch schon früher vor. Doch sie waren nicht so hartnäckig und zäh. Experten sind sich einig: Die Erhaltungsneigung gewisser Wetterlagen nimmt zu.
So dauert der späte Eiswinter im Regnitztal mit einer kurzen Unterbrechung nun bereits seit Mitte Februar: Schon zum zweiten Mal lässt ein grimmig kalter Nordostwind die Temperaturen purzeln. Minus 16 Grad waren es am 28. Februar. Am gestrigen 20. März hat der Deutsche Wettterdienst an der Galgenfuhr noch einmal minus neun Grad gemessen. Ist das alles noch normal? Hört man den Klimaforscher Foken, dann steckt hinter den Strömungsmustern die gleiche physikalische Dynamik wie immer. Neu ist aber, dass das Erhaltungsmuster der Wetterlagen zunimmt. Für den Sommer sei dieses Phänomen bereits erforscht. "Gegenüber früher hat sich Häufigkeit blockierender Wetterlagen im Sommer verdoppelt bis verdreifacht", sagt Foken.
Für den Winter steht eine solche Untersuchung noch aus. Doch die Indizien legen nahe, dass sich sich Wetterlagen, die sich einmal eingependelt haben, auch im Winter zunehmen. In den zurückliegenden Monaten war das ein dauerfeuchter milder und vor allem trüber Witterungsabschnitt, der von September bis Mitte Februar währte. Nun spielt sich genau das Gegenteil ab: Spätwinterliche Hochdruckwetterlagen blockieren Wärme und Feuchtigkeit des Atlantiks - und das ebenfalls schon seit Wochen.
Was ist die Triebfeder für diese Wetteranomalie? Auch da scheinen sich die Klimaforscher einig: Die zunehmende Verdunstung von Wasser in subtropischen Breiten führt dazu, dass sehr viel Wasser in hohen Luftschichten bis in die nordlichen Bereiche des Planeten transportiert wird und dort kondensiert. "Bei diesem Vorgang wird sehr viel Energie freigesetzt. Und die Zirkulation des Polarwirbels gerät durcheinander", sagt Folken.
So ist der derzeitige Eiswinter möglicherweise nur die Kehrseite einer Erwärmung weiter Meeresgebiete durch den Treibhauseffekt. Keine gute Perspektive für Mitteleuropa, dessen Wettercharme angesichts seiner nördlichen Lage bislang vor allem im raschen Wetterwechsel bestand. Extreme waren dadurch selten.
Doch die Neigung dazu nimmt zu: Denken wir etwa an den extrem kalten März 2013 und den darauf folgenden total verregneten Mai . Nur zwei Jahre später ächzte Europa unter einem Hitzesommer mit Rekordtemperaturen. Auch damals waren es blockierende Wetterlagen, die einen Wechsel verhinderten.
Und was macht der Polarwirbel an Ostern 2018? Hört man die Meteorologen vom Wetterdienstleister Wetterkontor.de, so ist wohl nicht damit zu rechnen, dass sich das derzeitige Strömungsmuster rasch umstellt. Statt über grüne Wiesen wird der Osterhase möglicherweise über Schneefelder hoppeln.