Was Paare untereinander aushandeln
Laut Gesetz können Väter beispielsweise ein Jahr Elternzeit nehmen. "Aber faktisch können es die meisten nicht, sondern bleiben nur zwei Monate zu Hause. Oft ist mit den Rahmenbedingungen des Berufslebens auch nicht vereinbar, wenn ein Vater Teilzeit arbeiten will." Aber warum eigentlich?
In den Niederlanden arbeiten 26 Prozent der Männer nicht voll. Teilzeitmitarbeiter sind nicht automatisch Kollegen zweiter Klasse, wenn ein Unternehmen gut aufgestellt ist. Da lassen sich Erwerbs- und Familienarbeit zwischen Frau und Mann gerechter verteilen. Die Kinder verbringen mit Mama und Papa gleichermaßen Zeit. Beide Eltern können Geld verdienen. Aber sie können Zuständigkeiten nicht einfach individuell aushandeln, wenn die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf alte Rollenmuster ausgerichtet sind. Da kann das Paar noch so cool, modern und gebildet sein, der Mann kann noch so sehr beteuern, dass er zu Hause bei seinem Kind bleiben würde - verdient er 1000 Euro mehr als sie, wird Mama Teilzeit arbeiten und Papa ganztags. Das ist Teil der Spirale, die dazu führt, dass Frauen in Deutschland weniger verdienen. Und die Politik fördert das Zuverdienermodell mit Maßnahmen wie dem Ehegattensplitting.
Geld und Gesetze
Frankreich stellt die politischen Weichen anders. "Dort müssen oftmals beide Eltern ganztags arbeiten, um gut über die Runden zu kommen", sagt Rost. Aber Kinder werden als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen. "In die Infrastruktur wird viel investiert und es gibt viele Anreize, Kinder zu bekommen."
In Island, das zum zehnten Mal in Folge den Global Gender Gap Report anführt, ist 2018 ein Gesetz in Kraft getreten, das Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten zwingt, Männern und Frauen gleiche Löhne zu zahlen - und dafür einen Beweis zu erbringen. In der isländischen Politik sind Frauen sehr präsent. Außer bei der wirtschaftlichen Gleichstellung hat Deutschland auch bei der politischen Teilhabe Nachholbedarf. Im neuen Bundestag sind so wenig Frauen wie seit 20 Jahren nicht mehr vertreten.
Gute Kita, gleiche Chancen
Rost glaubt, dass das Gute-Kita-Gesetz, das seit 1. Januar in Kraft ist, einiges dazu beitragen kann, mehr Chancengleichheit zu erreichen. "Da wird an der richtigen Schraube gedreht. Deutschland ist ja ein Land, das bislang sehr wenig in Kinderbetreuung investiert. Es geht dabei nicht nur um Quantität. Eltern ist es ein Grundbedürfnis, dass sie ihre Kinder gut versorgt wissen, wenn sie arbeiten gehen." Allerdings fehlen die Erzieher für die "gute Kita". Diese Lücke zu schließen, sei nicht nur ein Schritt, um die Chancen vieler Frauen zu verbessern. Es verbessert auch die Chancengleichheit der Kinder. Denn auch die existiert - auf dem Papier.
Sex, Macht, Gesetzesvorlagen: Meilensteine in der Geschichte der Gleichberechtigung
1911Der erste Frauentag wird in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz gefeiert. Vorgeschlagen hatte das ein Jahr zuvor die deutsche Sozialistin Clara Zetkin auf der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen. Der Weltfrauentag wird inzwischen stets am 8. März begangen. 1919 Frauenwahlrecht: Erstmals dürfen Frauen bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 teilnehmen. In Wyoming, USA, konnten Frauen bereits im Jahr 1870 ihre politische Stimme abgeben.
1933 Im Nationalsozialismus pausiert die Geschichte der Frauenbewegung. Frauen wird das passive Wahlrecht entzogen. Die Rolle als Hausfrau und Mutter hat Priorität. Der Frauentag wird verboten und stattdessen der Muttertag propagiert.
1949 Im Grundgesetz wird die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Artikel 3 verankert. Im ersten deutschen Bundestag liegt der Frauenanteil bei knapp sieben Prozent. Maria Probst (CSU, Wahlkreis Karlstadt) ist die einzige weibliche Abgeordnete aus Franken.
1958 Das Gleichberechtigungsgesetz wird eingeführt mit dem Ziel, die bereits 1949 festgeschriebene Gleichberechtigung von Mann und Frau nun auch im Bundesrecht umzuset zen.
1968 Das Mutterschutzgesetz wird verbessert, es gibt nun für berufstätige Mütter eine Schutzfrist von sechs Wochen vor und acht Wochen nach vor der Entbindung.
1971 Die Illustrierte "Stern" titelt mit der Schlagzeile "Wir haben abgetrieben!". In der von Alice Schwarzer initiierten Aktion geben 374 Frauen an, gegen Paragraf 218 des Strafgesetzbuches verstoßen zu haben. Dies befeuert die öffentliche Auseinandersetzung um den Schwangerschaftsabbruch. Es folgen mehrere Reformen. Heute wird ein Abbruch nach einer Beratung durch eine anerkannte Stelle in den ersten zwölf Wochen nicht mehr bestraft. 1972 Die erste Frauenliste Deutschlands bei Kommunalwahlen wird in Hirschaid bei Bamberg gegründet.
1975 Die UNO ruft das "Internationale Jahr der Frau" aus. Zum Internationalen Frauentag richten die UN erstmals eine Feier aus. In Mexiko-Stadt wird die erste UN-Weltfrauenkonferenz abgehalten. Es folgt von 1976 bis 1985 die "UN-Dekade der Frau".
1977 Das Ehe- und Familienrecht wird reformiert. Frauen dürfen nun unter anderem ohne Zustimmung ihres Ehemannes arbeiten gehen. 1980 Das Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz wird erlassen.
1986 Das Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub wird eingeführt.
1987 Die Abteilung für Frauenpolitik im Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit nimmt die Arbeit auf.
1991 Das Bundesministerium für Frauen und Jugend wird ein eigenes Ressort.
1994 Das Familiennamensrechtsgesetz wird novelliert. Ehepaare können von jetzt an frei über den gemeinsamen Familiennamen entscheiden.
1996 Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz wird eingeführt. Er gilt grundsätzlich für Kinder mit Vollendung des dritten Lebensjahres.
1997 Vergewaltigung in der Ehe wird unter Strafe gestellt.
2005 Bei Sitzen in Parlamenten und Kabinetten und Ministerposten sind Frauen weltweit unterrepräsentiert. Noch seltener sind weibliche Staatschefs: Mit Angela Merkel hat Deutschland erstmals eine Bundeskanzlerin.
2013 Die Journalistin Laura Himmelreich stößt nach anzüglichen Bemerkungen des FDP-Politikers Rainer Brüderle eine Sexismusdebatte mit an. Beim Internetdienst Twitter etabliert sich der Hashtag #Aufschrei für Nachrichten über Sexismus. 2015 Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen verpflichtet 108 börsennotierte Unternehmen, Aufsichtsräte zu mindestens 30 Prozent mit Frauen zu besetzen. 2016 Das Sexualstrafrecht wird verschärft: Erstmals ist der Grundsatz "Nein heißt Nein" festgeschrieben. Dieser sogenannte "Grapscherparagraf" soll Frauen besser vor sexualisierter Gewalt schützen.
2017 Mit Enthüllungen um den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein beginnt eine Diskussion über sexuellen Missbrauch, Nötigung und Belästigung. Unter dem Hashtag "Me too" machen Frauen weltweit darauf aufmerksam. 2018 Das Gesetz zur Förderung von Transparenz von Entgeltstrukturen, oft Lohngleichheits-Gesetz genannt, wird in der Praxis wirksam. Arbeitnehmer haben nun ein Auskunftsrecht.
Quellen (Meilensteine): Bundesfamilienministerium, Bundeszentrale für politische Bildung, Archiv, eigene Recherchen.