Cordula Pflaum zählt zu den wenigen Pilotinnen in Deutschland. Die 47-jährige Bambergerin über Flugangst, Machosprüche und pöbelnde Passagiere.
Ein Vater, der Pilot werden wollte, und als Schülerin selbst ein begeistertes Mitglied der Astronomie-AG: Der Berufsweg von Cordula Pflaum war irgendwie vorbestimmt. "Schon als Kind war mir klar: Ich werde Pilotin oder Astronautin", erinnert sich die heute 47-Jährige.
Den letzten Impuls bringt ein Vortrag von Ulf Merbold, 1983 der zweite Deutsche im All. Neben fesselnden Geschichten kann die damals Elfjährige an diesem Abend auch ein Foto mit ihrem Idol ergattern. Hübsch eingerahmt ziert den Schnappschuss fortan der passende Satz: "Wenn du magst, greife nach den Sternen".
Knapp zehn Jahre später wird der Traum vom Fliegen zur Realität - allerdings mit einem kleinen Umweg. Weil die gebürtige Darmstädterin aufgrund ihres Alters noch nicht zur Flugschule darf, studiert sie zunächst Maschinenbau und Physik. 1990 ist es soweit: Flugschulausbildung in Bremen, 30 Kursteilnehmer, nur zwei davon sind junge Frauen. "Wir waren Exotinnen in einer Männerdomäne." Doch Cordula Pflaum boxt sich durch, bewältigt die schwierigen Tests, unter anderem in den Bereichen Mehrfachbelastbarkeit oder Motorik. 1992, nach zwei Jahren Ausbildung, darf sie sich "Verkehrsflugzeugführerin" nennen.
Die Irak-Krise verhindert den sofortigen Berufseinstieg. "Wenn es weltweite Konflikte gibt, trifft das alle in der Branche." Zweieinhalb Jahre muss sich die Flugkapitänin gedulden, überbrückt die Zeit mit Nebenjobs und Trainingsflugstunden, um die Lizenz nicht zu verlieren. Eine Zeit, die Geduld braucht. Und eine Zeit, die Cordula Pflaum trotzdem nicht missen will. "Es ist wichtig, über den Tellerrand zu schauen. Man lernt, dass man nicht zu einer elitären Gruppe zählt, die immer sofort einen Job findet."
Ende 1994 wird die junge Pilotin bei der Lufthansa eingestellt. Die ersten drei Monate schauen ihr im Cockpit noch Ausbildungskapitäne über die Schulter. Das erste Flugziel? "Weiß ich nicht mehr." Pflaum erinnert sich nur noch, dass sie am Abend überglücklich in den Hotelpool gehüpft ist.
Viele Flugstunden sind seither hinzu gekommen, 9000 bis 10 000 müssten es mittlerweile sein. Seit 27 Jahren fliegt sie für die Lufthansa, seit 2008 gibt sie auch zwei bis drei Mal im Monat bei Langstreckenflügen ab München die Richtung vor. "Eine große Ehre." Einen dieser neuen Airbusse A350 mit einer Spannweite von fast 65 Metern zu steuern, sei ebenso spannend wie bei den kleineren Modellen. Fliegen sei eben jedes Mal eine große Herausforderung - egal wie groß die Maschine ist. "Es gibt viel zu beachten und die Konzentration muss aufrecht erhalten werden." Wer nicht "fit to fly" ist, steigt nicht ins Cockpit. "Da muss man ehrlich zu sich selbst sein."
Angst hat die Kapitänin nicht, wenn sie mit einem der riesigen Flieger abhebt. Eher Respekt. Dass viele ihrer Passagiere mit einem mulmigen Gefühl an Bord steigen, ist ihr bewusst - auch wenn Autofahren statistisch gesehen weitaus gefährlicher ist. "Wenn ein Flugzeug abstürzt, sind immer viele Menschen betroffen. Das prägt sich bei den Menschen ein." Piloten werden deshalb auch in diesem Bereich geschult. Offen zu sein, sei sehr wichtig. Und nicht unbedingt gleich von "Problemen" reden, wenn es mal kritisch wird. Nicht selten nimmt Cordula Pfla um auch Freunde und Bekannte mit in die Luft, um deren Flugangst zu bekämpfen. "Das hilft."
Betrunkener Fluggast
Etwa sechs bis sieben Prozent beträgt der Pilotinnenanteil bei der Lufthansa. Da bleiben
Macho-Sprüche natürlich nicht aus. "Hätte Gott gewollt, dass Frauen fliegen, wäre der Himmel rosa" ist einer davon. Dass ihr als Frau weniger Respekt entgegengebracht wird, hat Cordula Pflaum trotzdem noch nicht erlebt. Vielleicht liegt das auch daran, dass sie es versteht, sich in kritischen Situationen durchzusetzen. Wie beispielsweise bei einem Flug von Teneriffa nach Deutschland. Ein Passagier hatte zu tief ins Glas geschaut, fing an zu pöbeln. Die Pilotin verwies den Mann aus dem Flugzeug - was dessen Frau wenig juckte. "Sie ist alleine nach Deutschland geflogen."
Wie lange Cordula Pflaum, die in
Bamberg lebt und für die Lufthansa auch als Ausbilderin arbeitet, noch im Cockpit sitzt, kann sie nicht abschätzen. Piloten können bis 60 Jahre fliegen, Sondergenehmigungen werden bis 65 Jahre vergeben. Dann muss aber die Gesundheit mitspielen, regelmäßige Tests und Medizinchecks überprüfen das. "Ich würde gerne noch einige Jahre fliegen. Der Ehrgeiz ist genauso groß wie mit 20."
Der Kindheitstraum vom Trip ins All wird sich hingegen nicht mehr erfüllen. Die zweifache Mutter hatte sich zuerst im Jahr 2009 und dann noch einmal 2016 für ein Projekt beworben, bei dem eine Astronautin gesucht wurde. Sie kam unter die letzten 90 von 400 Frauen, wurde dann aber aussortiert. "Jetzt bewerbe ich mich nicht mehr."
Stattdessen möchte sie noch ein paar Länder bereisen. Überflogen hat sie praktisch schon die ganze Welt, einige Plätze würde Cordula Pflaum aber gerne noch genauer erkunden. Costa Rica oder Island zum Beispiel. Weitere Träume? "Über der Stratosphäre fliegen, würde mich reizen. Und ich fände es cool, wenn das Beamen erfunden würde." Natürlich nur als Ersatz für das Autofahren. "Sonst wäre ich ja meinen Job los."