Am Gabelmann in Bamberg taucht ein Plakat auf, das unter anderem "Coronavirus heißt Judenkapitalismus" propagiert. Laut der Antisemitismus-Stelle ist es kein Zufall, dass solche Schmähungen gerade in der Krisenzeit aufkommen. Was dahinter steckt.
Das Plakat, das eine Passantin am 23. März am Gabelmann entdeckt hat, ist mit wirrer schwarzer Schrift und mit vielen Rechtschreibfehlern beschrieben. Unter anderem ist die Rede vom "Merkelvirus", der Migration, Demokratie und "Judenkapitalismus" bedeute.
"Inhaltlich vereinen sich hier mehrere Motive von Verschwörungsdenken mit klarem Bezug auf das Coronavirus", erklärt Felix Balandat von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Bayern (RIAS). Die Passantin hatte das Plakat bei der Stelle gemeldet. Dort werden judenfeindliche Vorfälle dokumentiert. Über das Plakat am Gabelmann hat auch schon der Deutschlandfunk berichtet.
Antisemitische Krisendeutung
Weitere aktuelle Fälle aus Bamberg mit Corona-Bezug sind bei RIAS aktuell zwar nicht bekannt. Dass ein solches Plakat in der Krise auftaucht, scheint aber kein Zufall. Sprecher Balandat: "Krisensituationen werden oft antisemitisch gedeutet, so auch die Entwicklungen in Zeiten von Corona." Antisemitismus sei eine autoritäre, vermeintliche Welterklärung, die ausschließlich "gut" und "böse" kenne und mit diesem Muster komplexe und bedrohliche Vorgänge zu vereinfachen suche. "Auch für Corona wird eine vermeintliche geheime, globale Elite verantwortlich gemacht", sagt Balandat.
Kenntnis von dem Plakat hat Martin Arieh Rudolph, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde in Bamberg (IKG), erst in diesen Tagen erhalten. Seitdem steht er in Kontakt mit der Polizei. Bisher war keine Anzeige erstattet worden, das will Rudolph nun tun. "Nachdem ich unsere Gemeindemitglieder von dem Vorfall erheblich betroffen und gefährdet, sowie in der Schmähung einen starken judenfeindlichen Charakter sehe, denke ich, dass die IKG Bamberg ein großes Interesse an der Aufklärung dieser judenfeindlichen Attacke und der Erforschung der Urheber haben muss." Rudolph sieht dabei auch Parallelen in der Geschichte Bambergs, unter anderem mit der Beschuldigung der Juden im Mittelalter, die Brunnen in der Pestzeit vergiftet zu haben.
Der IKG-Vorsitzende will einen weiteren Fall prüfen lassen: Aus dem Umkreis der Gemeinde hat er Teile eines Plakats zugespielt bekommen, auf dem in ähnlichen wirren Worten gegen Juden gehetzt wird. Möglicherweise ein Zusammenhang zum Plakat am Gabelmann?
Besonders wachsam
Nicht nur Rudolph sieht in dem Schild lediglich die Spitze des Eisbergs, auch Rabbinerin Antje Yael Deusel von der Liberalen Jüdischen Gemeinde beobachtet, dass gerade im Internet die unsäglichsten Verschwörungstheorien ins Kraut schießen. "Man ist besonders wachsam", sagt Deusel. "Das nicht zu sein, wäre fahrlässig."
Antisemitische Hetze in Bamberg kommt nicht erst in der Krise auf. Seitdem die vom bayerischen Sozialministerium geförderte Antisemitismus-Stelle im April 2019 eingerichtet wurde, sind dort zwölf judenfeindliche Vorfälle in Bamberg bekannt geworden. Unter anderem handelte es sich um Schmierereien. "Dies ist aber nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit, wir gehen von einer größeren Dunkelziffer aus", erklärt Sprecher Balandat. Die Stelle sei auf Meldungen aus der Bevölkerung angewiesen.