Die Sandkerwa-Absage macht's möglich: Ulrike Heucken entspannt statt fünf Tage lang im Dauerstress zu sein. Rekord-Fischerstecherkönig Kropf geht baden.
Wehklagen beim Partyvolk: Erstmals müssen Sandkerwa-Fans auf die Kultveranstaltung verzichten, die sich seit 1951 an der Regnitz etablierte. Veranstalter, Organisatoren, Künstler und andere Protagonisten des Megaevents können am letzten Augustwochenende aber ausnahmsweise mal relaxen. Was unternehmen Bamberger, die bei der Kerwa bislang immer auf die eine oder andere Weise gefordert waren?
Kein Stress
"Nach etlichen Jahren erlebe ich erstmals das Sandkerwa-Wochenende wieder ohne Stress, jegliche Verantwortung - und ohne Knastrisiko", sagt Ulrike Heucken. Genüsslich frühstücken, danach vielleicht ins Hainbad gehen oder sich mit Freunden treffen möchte die Geschäftsführerin der Sandkerwa Veranstaltungs GmbH. "Und ich gönne mir genügend Schlaf. Sonst kam ich ja meistens erst morgens gegen 4 Uhr ins Bett", berichtet die Bambergerin, die zuletzt immer noch einen Rundgang übers Kerwagelände machte und die Hinterlassenschaften von Besuchern mit der Kamera festhielt.
Töpfe auf die Köpfe
Auch diese Übel haben jedoch Tradition. So hatten die Veranstalter schon von je her mit Müll und Schlimmerem zu kämpfen, wie ein "Bittbrief" belegt, den die Gefängnisverwaltung nach der ersten Sandkerwa erhielt: "Man möge dafür sorgen, dass die Insassen den Inhalt ihrer Töpfe künftig nicht mehr auf die Besucher herabschütten", hieß es darin. Glücklicherweise konnte die Kerwa-Chronik, in der diese Episode festgehalten wurde, keine Angaben über den genauen Inhalt der Töpfe machen.
Traditioneller Höhepunkt jeder Sandkerwa ist das Fischerstechen, bei dem Josef Kropf nicht fehlen darf. "Im Jahr, in dem das erste Fischerstechen stattfand, kam ich zur Welt", berichtet der Vorsitzende der Unteren Schiffer- und Fischerzunft, dessen Vater damals den Wettkampf gewann. Die meisten Siege aber errang in den kommenden Jahrzehnten Josef Kropf, der auch außerhalb der Domstadt in dieser Disziplin punktete. "2017 ist das erste Jahr, in dem ich kein Fischerstechen erlebe", sagt Kropf, der die Kämpfe erst als Beobachter, dann - ab seinem 13. Lebensjahr - als Teilnehmer und zuletzt als Organisator und Schiedsrichter begleitete. So wäre er normalerweise auch am 26. und 27. August im Einsatz. "Stattdessen kann ich nun schwimmen gehen - und dann abends auf'n Bierkeller", überlegt der Bamberger, der als Fischerstecher selten baden ging.
Ausgiebig entspannt hat der Bamberger Kasperl in den vergangenen Tagen statt sich hektisch auf seinen Auftritt im Festzelt am Leinritt vorzubereiten. "Er ging wandern", berichtet Florian Herrnleben als Pressesprecher des holzköpfigen Stars und Leiter der Puppenbühne Herrnleben. "Jahr für Jahr musste der Kasperl übrigens Räuber, Hexen und Zauberer überlisten, böse Kirchweihkrapfen besiegen und Kirchweihmuffel auf den Mond fliegen, damit die Sandkerwa stattfinden konnte", so Florian Herrnleben. Heuer sei es ihm erstmals nicht gelungen, die Kultveranstaltung zu retten. Trübsinn bläst der Kasperl am Kerwa-Wochenende aber nicht. Vielmehr steht für den Kinderliebling ein Auftritt bei einer Alternativ-Kerwa an: In Oberhaid wird der Bamberger am 26. August ab 14 Uhr kleine Besucher unterhalten.
Keine Entwarnung
Schlägereien, Ruhestörungen, Wildpinkeleien: Besonders gefordert waren auch die Ordnungshüter Jahr für Jahr am letzten Augustwochenende. Die Absage der Sandkerwa bedeutet für die Polizeiinspektion aber keineswegs Entwarnung. "Wir werden das Geschehen aufmerksam beobachten", sagt Pressesprecherin Silke Gahn hinsichtlich etwaiger wilder Feiern. "Es ist eben damit zu rechnen, dass doch mehr los ist als an einem normalen Wochenende", so die Polizeihauptkommissarin. Mit verstärktem Personaleinsatz werde man allen Eventualitäten begegnen.
Keine Flucht aus Bamberg
Lassen wir zuletzt noch einen Anwohner zu Wort kommen, der normalerweise schon das Weite gesucht hätte, aber das Kerwawochenende ausnahmsweise in der Domstadt verbringt. "Ich mag Veranstaltungen mit Tiefe, die nicht nur der Bespaßung dienen", sagt der Bamberger, der anonym bleiben wollte. Genau in diese Richtung aber habe sich die Sandkerwa leider entwickelt. Obwohl sie im Vergleich zu anderen Festen nicht aus dem Nichts entstanden sei, Tradition und ein Anliegen habe. "Trotzdem ist die Kerwa heute weit von dem entfernt, was sie früher einmal darstellte." So würden viele alteingesessene Anwohner die diesjährige Absage auch nicht bedauern.