Suchen Politiker bevorzugt in der Zeit vor einer Wahl die Nähe zum Volk? Fast könnte es den Anschein haben, betrachtet man sich die Karawane der Bundes- und Landespolitiker, die derzeit durchs Land zieht. Eduard Oswald ist es aber ernst mit der Bürgernähe.
Der Vizepräsident des Bundestags warb am Donnerstag in Bamberg für eine Demokratie zum Anfassen. Der 64-jährige CSU-Politiker aus Augsburg bekleidet seit 2011 eines der höchsten Ämter im Staat und ist doch eine stille Größe geblieben. Unter Bundeskanzler Helmut Kohl war er sogar für kurze Zeit Verkehrsminister und, obwohl persönlich dagegen, zuständig für den Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin.
Mit dem Ende der Wahlperiode will sich Oswald aus der großen Politik zurückziehen und die Zeit nutzen, "um mir anzuschauen, was ich alles angerichtet habe", wie er am Rande seines Besuchs in Bamberg sagte. Nicht einmal all die Großbaustellen in Berlin konnte er schon abklappern, zu sehr fordern ihn die Mehrfachbelastung als Abgeordneter und Vizepräsident.
Der Neid der Welt In Bamberg warb er unter anderem vor Schülern des
Franz-Ludwig-Gymnasiums für ein demokratisches System, "um das uns die Welt ebenso beneidet wie um unsere Stabilität". Oswald bedauert es, dass manche "Sternstunde des Parlaments", die er erlebt hat, in der öffentlichen Wahrnehmung auf wenige Sekunden in den Abendnachrichten oder auf die Schlagzeile in der Zeitung am nächsten Morgen reduziert wird.
"Da muss sich die Politik auch ein Stück weit an die eigene Nase fassen", sagt Oswald. Zu viele Entscheidungen fallen nach stundenlangen Debatten tief in der Nacht oder gar noch volksferner bei den zahlreichen Gipfeln. Die Politik muss die Menschen wieder mehr erreichen: Mit dieser Botschaft und Hoffnung scheidet Oswald im September aus dem Amt. Das übrigens ein Vollzeitjob ist: "Vize" bedeutet nicht, dass Oswald und seine vier Kollegen nur im Vertretungsfall gefordert sind. Jeder Bundestagsvizepräsident hat klar umrissene Aufgaben; die meisten im Verborgenen, zum Anfassen nur als Sitzungsleiter.