Als Flüchtling kam Orlando Gally 2000 aus dem Irak. Heute engagiert sich der Wahl-Bamberger für andere, die sich in der Fremde ein neues Leben aufbauen.
"Arabisch, Türkisch, Persisch, Kurdisch, Italienisch, Schwedisch, Englisch oder Deutsch: Was wollen Sie hören?" Acht Sprachen spricht Orlando Gally fließend und wechselt mühelos von einer in die nächste. So ist der 42-jährige Familienvater die Stimme zahlloser Flüchtlinge, die von der Arbeiterwohlfahrt in und um Bamberg betreut werden, aber weder Englisch noch Deutsch verstehen. Zumal keiner besser nachvollziehen kann, wie es ist, in der Fremde aus dem Nichts eine Existenz aufbauen zu müssen: "Schließlich beantragte ich selbst im Jahr 2000 in Deggendorf Asyl - ohne Pass, ohne auch nur ein paar Brocken Deutsch zu können."
Ratlos vor einem Stapel Post
Eine gänzlich unverständliche Sprache, Schrift, Kultur und Lebensweise bis hin zum Verhältnis zwischen Mann und Frau erwartet Flüchtlinge aus arabischen Ländern.
"Wie groß die Unterschiede sind, kann man sich kaum vorstellen. Ich weiß noch, wie ich ratlos vor einem Stapel Briefe saß, nachdem ich in Deutschland erstmals Post erhielt", erinnert sich Gally. In der alten Heimat sei fast alles im persönlichen Kontakt, über Boten oder zumindest per Telefon erledigt worden.
Aus Kurdistan geflohen
Als Zuwanderer wurde der Koordinator der AWO für die Asylverwaltung in Stadt und Landkreis zum Brückenbauer zwischen den Welten. "Sehe ich das Schicksal heutiger Asylbewerber, denke ich oft an meine Erlebnisse zurück", sagt Orlando Gally: An die Zeit, als der damals 26-Jährige aus Kurdistan floh, "meine Eltern, Frau und Kinder verlassen musste". Als Berufsschullehrer hatte Gally gearbeitet, bevor er in die Armee Saddam Husseins eingezogen wurde.
"Der Druck auf uns Kurden wuchs und wurde unerträglich, nachdem mein Bruder Mushtaq auch ein erklärter Gegner des Regimes war." Ums Leben seiner Lieben fürchtete der Familienvater und entschloss sich zur Fahnenflucht, "obwohl Landesverräter damals erschossen wurden".
Ohne Pass
Ohne Pass schlich sich Gally eines Nachts aus dem Stützpunkt, um nach Schweden zu emigrieren. "Da hatte man damals eher als in Deutschland die Chance, seine Familie nachzuholen." Über Syrien und die Türkei reiste der Kurde nach Bulgarien, in die Slowakei und über Ungarn nach Österreich. "Das alles dauerte Monate, nachdem ich ohne gültige Papiere unterwegs war.
Da braucht man in jedem Land erst mal Kontakte, um alles Nötige zu organisieren und weiterzukommen."
Kontrolle durch die Polizei
Nach der Ausreise aus Österreich war's vorbei mit Gallys Flucht Richtung Schweden. Eine schicksalhafte Begegnung mit der Polizei durchkreuzte alle Pläne. "Ich wurde in Passau kontrolliert, festgehalten und musste meinen Asylantrag somit in Deutschland stellen." Der 26-Jährige landete in einer Erstaufnahmeeinrichtung von Deggendorf - und fungierte hier schon nach kurzer Zeit als Übersetzer. "Ich konnte damals zwar noch kein Deutsch, aber Englisch, so dolmetschte ich für all die anderen aus dem Iran und Irak kommenden Flüchtlinge."
Kaum Hilfe
Nach Hamburg zog Gally, nachdem sein Asylantrag genehmigt wurde, "obwohl mich die Behörden als Übersetzer gerne in Deggendorf behalten hätten". Allerdings war's
nicht leicht, in Deutschland ohne Sprachkenntnisse Fuß zu fassen. "Es gab noch keine so breit angelegte Hilfe für Flüchtlinge wie heute. So entschied ich mich, nach Bamberg zu ziehen, wo mittlerweile mein Bruder lebte und ich mir einen besseren Start erhoffte."
Kein Geld vom Staat gewollt
In Bamberg fand der Kurde dann auch rasch Arbeit, der später übrigens die deutsche Staatsangehörigkeit erwarb. "Gelder vom Staat zu beziehen, kam für mich nicht in Frage." Mit einfachen Tätigkeiten begann die zweite berufliche Laufbahn des Lehrers, der sich von Job zu Job verbesserte und schließlich bei der AWO landete - "ebenso wie mein Bruder, der heute mein Kollege und Stellvertreter ist". Seit fast zwei Jahren sind die beiden Gallys nun schon für die Betreuung einiger hundert Menschen in 16 Flüchtlingsunterkünften in Stadt und Landkreis zuständig.
Familie in Schweden
Auf seine Familie aber musste der Vater dreier Kinder lange verzichten. "Meine Frau landete auf der Flucht mit einem falschen Pass in Schweden, wo sie fortan mit unserer Tochter und unserem Sohn lebte. Ich durfte meine Familie ja - wie befürchtet - nicht nach Deutschland holen." Das änderte sich inzwischen, aber die Ehe der Gallys zerbrach. "Nach mehr als zehn Jahren waren wir uns fremd geworden." Geschieden wurde das Paar, die beiden gemeinsamen Kinder leben seit 2013 aber in Bamberg: "Meine Tochter Nora besucht die Heidelsteigschule. Mein Sohn Hassoni hat seinen Abschluss schon und möchte nun eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann machen."
Trennung schmerzte
Vor einem halben Jahr wurde Orlando Gally zum dritten Mal Vater.
Sechs Monate alt ist Töchterchen Mila, die die stolze Mutter gerade auf dem Arm hält: Stephanie Backert, die Verlobte des Wahlbambergers. Klappt das Zusammenleben mit den beiden aus erster Ehe kommenden Jugendlichen denn? "Ich wusste von Anfang an, dass Orlando Kinder hat und erlebte mit, wie er unter der Trennung litt. So wurden die beiden auch zu meiner Familie", sagt die Bambergerin.
Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann
Mit Stephanie Backert lebt Gally eine gleichberechtigte Beziehung, die er heute ebenso zu schätzen weiß wie vieles andere, was für Deutsche selbstverständlich ist. Bis hin zum Gefühl der Sicherheit, nachdem Versicherungen hierzulande nahezu alle Risiken des Lebens abdecken. "Hast Du einen Unfall, stehst Du nachher nicht vor einem Schuldenberg." Nur die Entfernung zu seinen Eltern, die Gally gern öfter treffen möchte, macht dem Familienvater zu schaffen. Bei unserem Besuch zeigte er ein Foto vom großen Wiedersehen auf dem Münchner Flughafen vor drei Jahren. "Darauf hatte ich 13 Jahre lang warten müssen."
ach is das eine schöne geschichte!!! ich wünsche ihm und seiner familie viel glück! aber meiner meinung nach einer der wenigen EINZELFÄLLE! der vorzeigeflüchtling sozusagen...... die realität ist leider eine andere....LEIDER!
woher weißt du das?