Bildung statt Heim und Herd

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Geschichtsunterricht in einem der neuen Klassenzimmer: Studienrat Sebastian Deusel unterrichtet Mädchen der Oberstufe Fotos: Ronald Rinklef
Geschichtsunterricht in einem der neuen Klassenzimmer: Studienrat Sebastian Deusel unterrichtet Mädchen der Oberstufe  Fotos: Ronald Rinklef
Schülerinnen relaxen im neugestalteten Pausenhof
Schülerinnen relaxen im neugestalteten Pausenhof
 
 
 
 
 
 
 

1717 wurde in Bamberg eine Mädchenschule gegründet, die ihrer Zeit weit voraus war. Ein Rückblick auf die Pionierjahre und voraus in die Zukunft.

Nichts als "gefällige Gattinnen" sollten Mädchen sein. Man wünschte sich "züchtige Hausfrauen". Das "schwache Geschlecht" hatte sich noch im 17. Jahrhundert mit seiner Rolle am Rande der Gesellschaft zu begnügen. Bildung? Fehlanzeige. Genau diese Chance aber wollte Mary Ward Mädchen geben. Die Ordensgründerin der Congregatio Jesu träumte davon, Frauen ein selbstbestimmteres Leben zu ermöglichen. In Bamberg kamen vor 300 Jahren die ersten Schülerinnen in den Genuss dieser Förderung. So feiert die Maria-Ward-Schule heuer ein Jubiläum, zu dem es am Freitag (14. Juli) einen Festakt und vom 15. September bis 19. November im Stadtarchiv und im Diözesanmuseum eine Ausstellung gibt.



Für 3375 Gulden

Eine Mädchenschule zu gründen - das stellte vor drei Jahrhunderten eine gewaltige Herausforderung dar. Zu den Gegnern eines solchen Vorhabens gehörte in Bamberg zunächst auch Lothar Franz von Schönborn. Der Hartnäckigkeit adliger Befürworterinnen war es zu verdanken, dass der Fürstbischof schließlich doch einer Niederlassung der "Englischen Fräulein" zustimmte - so die damalige Bezeichnung der Ordensgemeinschaft. Zwei Anwesen wurden für 3375 Gulden erworben, wie aus einer Jubiläumsfestschrift der Congregatio Jesu und Maria-Ward-Schule Bamberg hervorgeht: "Das Haus am Holzmarkt mit rückwärtigem Garten nahm die Schwestern und Pensionatsschülerinnen der ,inneren Schule' auf. Das andere Haus im Vorderen Graben diente der ,äußeren Schule' für die Mädchen aus dem einfachen Volk." Am 21. August 1717 begann der kostenlose Elementarunterricht, den sieben aus Augsburg kommende "Englische Fräulein" gaben.

Mit Hilfe privater Sponsoren finanzierte sich die Bildungseinrichtung, die allerdings bald unter Raumnot litt. Gebäude, die den schulischen Anforderungen besser entsprachen, wurden in den kommenden Jahrzehnten errichtet. "Lesen, Schreiben, Rechnen und Christenthum" lernten die Schülerinnen in den neuen Unterrichtsräumen, wie der romantische Dichter Wilhelm Heinrich Wackenroder in einem Reisebericht von 1793 würdigte. "Ein Mädchen musste einen mit Vorsatz falsch an die Tafel geschriebenen Satz der Orthographie nach verbessern, welches auch ziemlich schnell und maschinenmäßig geschah..."



Für verwundete Soldaten

Springen wir ins 20. Jahrhundert, in dem das 200-jährige Bestehen des "Institutes der Englischen Fräulein in Bamberg" vom Ersten Weltkrieg überschattet wurde. Zwischendurch gab's "behördlich angeordnete Siegesfeiern" und zwei von Schülerinnen gestaltete Weihnachtsfeiern für verwundete Soldaten, wie die Chronik berichtet. Man sammelte Kleider und Wäsche für die Front und für Ostpreußen, auch Gold und Beiträge für die staatlich verordneten Kriegsanleihen. Existierte zu dieser Zeit noch die "Höhere Mädchenschule" und eine zweijährige "Frauenschule", die mit dem Erzieherinnenexamen endete, so konnten sich Schülerinnen ab 1930 an einem neu entstandenen "Mädchenrealgymnasium" erstmals aufs Abitur vorbereiten.


Unterrichtserlaubnis entzogen

Drei Jahre später wehte die Hakenkreuzfahne am Bamberger Rathaus. Und allen "Englischen Fräulein" wurde aus ideologischen Gründen die Unterrichtserlaubnis entzogen. Ein Teil der Räume des Instituts diente im Krieg als Lazarett. "Schwerstkranke starben auf den Gängen, die dafür nicht ausgebildeten Schwestern mussten als Krankenpflegerinnen arbeiten", heißt es in der Festschrift. In den ersten Monaten nach der Kapitulation sei die Maria-Ward-Schule auch Unterkunft "für Gestrandete eines verlorenen Krieges geworden: verwundete Soldaten, ehemalige KZ-Häftlinge und Ausgebombte".



Schichtunterricht in den Klassen

Immerhin mussten die Pädagoginnen des Englischen Institutes nach dem Krieg nicht entnazifiziert werden. "Schon im November 1945 begannen daher die Volksschullehrerinnen wieder ihren Dienst mit bis zu 140 Schülerinnen in einer Klasse." Die Mittelschule wurde am 14. Juni des darauffolgenden Jahres, die Oberschule am 17. Juni wiedereröffnet. Schichtunterricht hatten die Klassen anfangs. Und im Winter hielt man die Mädchen an, "täglich wenigstens ein Holzscheit oder Briketts mit in die Schule zu bringen, um den großen Kachelofen zu schüren, der sich in jedem Schulzimmer befand".


Weit liegt das alles mittlerweile zurück. Aus dem Institut der "Englischen Fräulein" wurde die Maria-Ward-Schule der Erzdiözese, die 2002 die Trägerschaft übernahm. Die Ordensgemeinschaft selbst nennt sich heute Congregatio Jesu. Zuletzt ging die Tagesschule 2011 in den Verantwortungsbereich der Erzdiözese Bamberg über, während das bis dahin noch bestehende Internat geschlossen wurde.



Neun neue Klassenzimmer

Rechtzeitig zum Jubiläum der Maria-Ward-Schule feierte Anfang des Jahres ein Neubau inmitten der Altstadt zwischen Frauenstraße, Edelstraße und Vorderem Graben seine Fertigstellung. Neun Klassenzimmer - mit Domblick - entstanden, in denen Schülerinnen seit März in den Genuss modernster Unterrichtstechnik kommen. Im Erdgeschoss des Gebäudes gibt es eine Aula mit Zugang zum Atriumhof. Zwei Mehrzweckräume, drei Zeichensäle und eine moderne Zweifachturnhalle im Kellergeschoss gehören ebenso zu den Neuerrungenschaften.


Einjährige Pause

Und es geht weiter. Nach einer wohl einjährigen Verschnaufpause wird im übernächsten Schuljahr die Generalsanierung fortgesetzt. Über eine Brücke wird der bereits fertiggestellte Bereich mit den Bestandsgebäuden verbunden. Auch hier ist mit einer dreijährigen Bauzeit zu rechnen. "Wobei ich persönlich nicht mehr in den Genuss der neuen Räume kommen werde, da ich im kommenden Schuljahr in den Staatsdienst zurückkehre", sagt Oberstudiendirektorin Ingrid Käfferlein, die seit 2008 das Gymnasium leitet. So wird die gebürtige Hirschaiderin die Schulleitung des Herder-Gymnasiums in Forchheim übernehmen, an dem sie mehr als 20 Jahre unterrichtete.
Der bisherige Stellvertreter Stephan Reheuser folgt Käfferlein im Amt nach.

Was wünscht sich die Oberstudiendirektorin noch für ihre bisherige Wirkungsstätte? "Dass man Mädchen und jungen Frauen wie einst zur Zeit Mary Wards mehr als nur eine (Aus-)Bildung zukommen lässt, die sie fit macht für ein Studium oder einen qualifizierten Beruf. Genauso wichtig ist es, sie in Zeiten der Unsicherheit, Mut- und Orientierungslosigkeit zu unterstützen, damit sie ihren Lebensweg zufrieden und erfolgreich gestalten können", so die Schulleiterin, die übrigens schon das 250-jährige Bestehen der Bildungseinrichtung mitfeierte. "1967 war ich als Schülerin ans Gymnasium der Englischen Fräulein gekommen. Und weiß noch, wie selbst wir als Jüngste voller Begeisterung an den Jubiläumsveranstaltungen mitwirken durften."