Beschuldigte als sehr hilfsbereit geschildert

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Ein Feuer - im Frühjahr mussten in Lichteneiche etliche gelöscht werden.Foto: Kristina/stock.adobe.com
Ein Feuer - im Frühjahr mussten in Lichteneiche etliche gelöscht werden.Foto: Kristina/stock.adobe.com

Was, wenn der Unterbringungsbefehl gegen die mutmaßliche Brandstifterin aus Lichteneiche aufgehoben würde, wo könnte sie hin?

Erstmals in dem Sicherungsverfahren gegen eine 77-Jährige, der die Brandserie vom Frühjahr in Lichteneiche zur Last gelegt wird, rückte Persönliches aus dem Leben der Regina S. (Namen geändert) in den Blick. Zu Wort kam als Zeugin und Sachverständige eine Ärztin aus der Klinik in Taufkirchen, wo sie untergebracht war, bis sie für die Dauer des Verfahrens nach Lohr gebracht wurde. Ebenfalls machten Sohn und Enkelin Ausführungen zu der Beschuldigten. In dem Verfahren vor der Zweiten Strafkammer des Landgerichts deutete Vorsitzender Richter Manfred Schmidt an, dass möglicherweise schon in der kommenden Woche mit einem Urteil zu rechnen ist. Falls der Unterbringungsbefehl aufgehoben werden sollte, sei zu klären, wo und wie die Frau danach leben könnte, Plan B also, wurde mehrfach angesprochen.

Gute Führung bescheinigt

Die aus Taufkirchen angereiste Fachärztin und Stationsärztin, die als Zeugin und Sachverständige auftrat, bescheinigte der Beschuldigten von Anfang an eine "gute Führung". Sie sei sehr redselig, prompt integriert und hilfsbereit. Zu den Vorwürfen habe sie von Anfang bis Ende die Haltung vertreten, "das war ich nicht und so was mach' ich nicht". Da mehrere Zeugen von einem Alkoholproblem der Beschuldigten gesprochen hatte, fragte Richter Schmidt, ob Entzugserscheinungen festgestellt wurden, was die Zeugin verneinte. Allerdings gab es einen erhöhten Blutwert, der von häufigem Alkoholkonsum herrühren könnte. Nach der Zukunft der Beschuldigten befragt, sprach sie aufgrund der Untersuchungen und Tests von Hinweisen "auf eine leichte bis mittlere demenzielle Entwicklung". Zum jetzigen Zeitpunkt sei sie aber nicht geschäftsunfähig, könne etwa einen Mietvertrag verstehen und unterschreiben.

Die Fragen an den Sohn von Regina S. drehten sich um deren bisheriges Leben und Zukunftsperspektiven. So berichtete der 48-Jährige, dass seine (verwitwete) Mutter zweimal verheiratet war und insgesamt vier Kinder hat. Die letzten zehn Jahre habe sie mit ihrem Lebensgefährten zusammengelebt, den Haushalt geführt. Das würde nun nicht mehr möglich sein, weil der Mann inzwischen in einer Pflegeeinrichtung und die Wohnung gekündigt sei. Die Mutter war von Beruf gelernte Näherin, unter anderem bei Greiff tätig und ist in Rente. Derzeit verwaltet der Sohn das Geld der Mutter. Er habe sie in Taufkirchen besucht und angerufen und auch vorher regelmäßigen Kontakt gehabt.

Wie könnte es nach dem Verfahren weitergehen, falls der Unterbringungsbefehl aufgehoben wird? Das war eine zentrale Frage an den Sohn. Der hat sich nach einem Heimplatz erkundigt und dabei erfahren, dass die Rente von 1150 Euro dafür wohl nicht reicht. Das Sozialamt würde in die Bresche springen, bräuchte dafür aber eine Einstufung, also einen Pflegegrad. Eine Schnelleinstufung sollte doch jetzt möglich sein, meinte der Vorsitzende Richter. Sachverständiger Christoph Matern gab zu bedenken, dass man nicht vom Ausmaß der Demenz auf eine Pflegestufe schließen könne. Der Sohn stellte abschließend klar, dass er die fehlenden 850 Euro nicht aufbringen könne.

Als weitere Alternative böte sich die Möglichkeit, dass Regina S. in die Nähe der Enkelin ziehen könne, wo eine Wohnung frei ist. Sie versicherte dem Gericht, sie könne sich um die Großmutter kümmern. Unterstützung sei auch durch die Familie garantiert: "Wir halten schon zamm." Sie habe eine besondere Beziehung zur Großmutter, erklärte die Enkelin, weil diese sie aufgezogen habe. Sie habe immer engen Kontakt zur Großmutter gehabt, die sie als sehr hilfsbereit schilderte.

Oma wurde auch ausgenutzt

So hilfsbereit, dass sie auch oft ausgenutzt wurde. "Jetzt hat sie alles verloren - Mann, Hund, Wohnung", stellte die Enkelin fest. Neben Familie und Fachärztin waren am Dienstag auch ein weiterer Polizist und der Hausmeister des Hauses im Zeugenstand, dessen 78 Bewohner evakuiert werden mussten.

Mit der Elektrik im Keller habe es paarmal Probleme gegeben, sagte der Hausmeister. Seinen Angaben zufolge hatte die Haustüre öfters offen gestanden, die Türen zum Keller waren nicht abgesperrt. Mit Blick auf die Müllcontainerbrände gab er an, dass bei zu viel Papier Containerdeckel oft offen waren und auch Papierstapel daneben lagen. Wenn man es wirklich wolle, könne man hier Feuer legen, gab er zu verstehen.

Es hatte schon zuvor gebrannt

Zwar waren sie nicht Gegenstand dieses Verfahrens, wie Manfred Schmidt erklärte, jedoch gab es bereits vor den verhandelten Bränden Containerbrände, was der Hausmeister bestätigte. "Jetzt ist es ruhig geworden", stellte er fest. Was Verteidiger Andreas Dräger zu der Feststellung veranlasste, dass es auch im März ganz in der Nähe einen ähnlichen Brand gab.

Einem bei drei Feuern eingesetzten Polizeibeamten war aufgefallen, dass es sich bei den beiden letzten Bränden am 14. und 18. Februar in der Schlesienstraße 68 jeweils um die gleichen Geschädigten handelte. Auf Nachfrage Schmidts bestätigte er, dass auch ihm ein Zeuge aufgefallen war, der bei verschiedenen Einsätzen vor Ort war. An die Kripo weitergegeben wurden Informationen zu einem 17-Jährigen, der bei einem Brand auf die anfahrende Streife zugelaufen kam und dann verschwand.

Weil eben das merkwürdig war, verfolgte man den Mann, nahm Personalien auf. Merkwürdig waren dem Beamten die schmutzigen Hände vorgekommen, welche die Mutter mit dem Beruf des Sohns als Maler und Lackierer erklärt hatte. Aus dem Protokoll gab Schmidt wieder, dass der Beamte damals auch Ruß für möglich gehalten habe. Auf Nachfrage des Verteidigers konkretisierte der Zeuge: "Es war mehr Schmutz als Lack."

Am Ende des Verhandlungstags stellte Manfred Schmidt fest: "Was passiert ist, ist klar, wer es gemacht hat, nicht."