Der Markt Hirschaid hat aus dem ehemaligen Rittergut ein Schmuckstück gemacht. Allerdings verschlang das Projekt 30 Prozent mehr als geplant.
"Jetzt müssen wir halt das Beste draus machen," sagt Bürgermeister Klaus Homann (CSU) mit Blick auf das Schloss in Sassanfahrt. Bei der Einweihung nach umfangreicher Renovierung wurde der Gebäudekomplex im Juli 2014 als Schmuckschatulle apostrophiert. Nun, da die vom örtlichen Rechnungsprüfungsausschuss kontrollierte Gesamtabrechnung vorliegt, fällt die Betrachtung etwas nüchterner aus. Die Kostenschätzung wurde während der dreijährigen Bauzeit um 30 Prozent überzogen: Im Dezember 2010 ging man von einem Auftragsvolumen von 3 575 000 Euro aus - am Schluss standen 4 654 714 Euro zu Buche.
Der Eigenanteil der Marktgemeinde erhöhte sich von geplanten 993 500 auf 1 868 778 Euro, obwohl einige Zuschüsse aufgestockt worden sind. Und an Betriebskosten muss jährlich mit 140 000 Euro gerechnet werden. Diesen Betrag hofft die Gemeindeverwaltung durch Erlöse aus verstärkter Vermietung für Hochzeiten und Veranstaltungen auf bis zu 100 000 Euro reduzieren zu können.
Ein Schmuckstück, auf das Hirschaid stolz sein kann, bleibt der ehemalige Sitz des Reichsgrafen Julius von Soden gleichwohl. Homann, der zu Zeiten seines Vorgängers Andreas Schlund nicht sonderlich von dessen Lieblingsprojekt überzeugt war, räumt heute ein: "Wir haben ja sonst nichts Repräsentatives." Gern berichtet Homann von einem vormals erbitterten Kritiker der Schlosserneuerung, der seit seinem ersten Besuch im renovierten Zustand Reklame mache für die Nutzung des alten Gemäuers.
Desgleichen werde die Schlossanlage mit ihrem aufwendig gestalteten Freiraum und stilgerechten Formalgarten bei Großveranstaltungen gerne aufgesucht. Zum Jazzfestival kämen gut und gerne 500 Musikliebhaber und auch beim "Winterzauber" zwischen den Jahren gäben sich Jung und Alt in großer Zahl ein Stelldichein.
Vollzeitkraft Annette Schäfer (M.A.) lässt sich einiges zur kulturellen Nutzung des Schlosses einfallen. Als Kulisse für Hochzeiten oder andere private Geselligkeiten gewinnt es stetig an Bedeutung. Gleichwohl empfahl Marktgemeinderat Kurt Barthelmes (WG Regnitzau) unlängst, mehr Werbung für die Räumlichkeiten zu betreiben. Es ist auch für Seminare und Tagungen geeignet.
Der gescheiterte Plan
Ein Plan ist nämlich vollends gescheitert: Das Schloss Sassanfahrt war als "Kultur- und Bildungszentrum" (KUBIZ) vorgesehen und sollte Schulklassen aus der ganzen Region für einen "Geschichtsunterricht zum Anfassen" dienen. Die dafür ursprünglich vorgesehenen drei Lehrkräfte wurden zum Leidwesen der Hirschaider Gemeinderäte nicht bewilligt, nicht mal eine Halbtagsstelle. Die Anfangseuphorie auch der Zuschussgeber von Bund und Land wich der Ernüchterung: Man könne in dem spätbarocken Bau keine Mittelalter-Geschichte vorführen, musste sich Homann von den Entscheidern auf Regierungsebene sagen lassen. Folge: Aus der Bildungsstätte für Schüler wurde nichts, der Traum von einer Außenstelle der Lehrerbildungsanstalt Dillingen platzte.
Zum Glück war dieser Rückzug nicht schädlich für das Förderkonzept. Im Gegenteil: Aus der EU-Städtebau- und Strukturförderung gingen 1,359 Miillionen Euro ein, 224 800 Euro mehr als anfangs zugesagt. Der staatliche Denkmalschutz - Entschädigungsfonds - steuerte 320 000 Euro bei; hier hofft der Bürgermeister noch auf eine Erhöhung um 60 000 Euro. Die Bayerische Landesstiftung stockte um 25 000 auf 265 000 Euro auf, die Oberfrankenstiftung um 10 000 auf 760 000 Euro. Nur die Leader-Förderung blieb mit 77 000 Euro Zuschuss unter der Erwartung von 132 500 Euro; allerdings wurde die Ausstattung des Schlosses auch entsprechend reduziert. Der Landkreis Bamberg machte wie zugesagt 5000 Euro locker.
Was ging schief, warum verteuerte sich das Projekt so schmerzlich? Generell bedauert Bürgermeister Homann, dass das Architekturbüro Plass, Thiersheim, nur zum Jour-Fixe auf der Baustelle vertreten war. Verabredet war, dass der Sanierungsexperte vorübergehend in Hirschaid ein Büro eröffnet, um den Baufortschritt ständig begleiten zu können. So aber seien die Abläufe durcheinandergeraten, erinnert sich der Leiter des gemeindlichen Bauamts, Bernd Feuerlein. Und wie bei fast allen Sanierungen historischer Anwesen blieben unerwartete Mehrkosten nicht aus.
Ein paar Beispiele: Die stark schadhafte östliche Stützmauer des Areals verschlang 160 000 Euro mehr als kalkuliert. Ungeplante 90 000 Euro Kosten entstanden, als unter dem vormaligen Fassadenputz dringend erhaltenswerte Fenstergewände aus Naturstein zum Vorschein kamen. Weitere böse Überraschungen waren die Hangbefestigung auf der Westseite und dort die Ableitung des Sickerwassers, ferner ein desolater Gewölbekeller oder die Elektroinstallation, berichtet Feuerlein.
Die Vorsitzende des örtlichen Rechnungsprüfungsausschusses, Daniela Bittel von der Freien Wählergruppe Röbersdorf, versichert, dass an der finanziellen Abwicklung des EU-weit ausgeschrieben Projekts nichts zu beanstanden sei. Die Mehraufwendungen seien jeweils vom Marktgemeinderat abgesegnet worden.
Das im Jahr 2002 für 475 000 Euro erworbene und mittlerweile sanierte Schloss hat mit zur Erhöhung des Schuldenstandes der Marktgemeinde beigetragen, stellt Bürgermeister Homann ohne Schuldvorwurf fest.
Die Lehre
Hirschaid hat nun fast sieben Millionen Euro Verbindlichkeiten. Das Weitere ergibt sich aus der Haushaltsberatung am 24. April. Was ist nach Meinung Homanns die Lehre aus der Kostenüberschreitung? "Künftig sollten wir darauf achten, einen qualifizierten Bauleiter aus der Gegend zu verpflichten", hat er erkannt, um rechtzeitig gegensteuern zu können.
Wer das ehemalige Rittergut unbeschwert genießen möchte, ist zu folgenden öffentlichen Veranstaltungen in der nächsten Zeit willkommen: Annette Schäfer beschäftigt sich am 28. April mit dem "Phänomen Wallfahrt", Robert Schäfer spricht am 18. Mai zum Thema "Ein feste Burg - 500 Jahre evangelischer Kirchenbau" und "Wahnsinnsweiber" gastieren am 19. Mai im Rahmen des Fränkischen Theatersommers im 100 Gäste fassenden Saal des Schlosses. Mit dem Namen des einstigen Gutsbesitzers befasst sich schon nächste Woche der Marktgemeinderat: Doktor Josef Haas (SPD) hat beantragt, die Sassanfahrter Schule umzubenennen, weil der Reichsgraf in sozialer Hinsicht so gar kein Vorbild für heutige und künftige Generationen sein könne.