Bamberger Sozialrechtler Birk: "Altersarmut wird zunehmen"

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Jedes Jahr bekommen die Menschen in Deutschland einen Bescheid, der darüber informiert, wie hoch die Rente sein wird.
Jedes Jahr bekommen die Menschen in Deutschland einen Bescheid, der darüber informiert, wie hoch die Rente sein wird.
Felix Kästle/dpa (Symbolbild)
Ulrich-Arthur Birk
Ulrich-Arthur Birk
 
 

Wer 45 Jahre arbeitet, hat bei der gesetzlichen Rente die besten Voraussetzungen - und trotzdem nicht genug für ein gutes Leben, sagt der Sozialrechtler Ulrich-Arthur Birk.

Die gesetzliche Rente reicht nicht, um im Alter den bisherigen Lebensstandard zu sichern, sagt der Bamberger Rechtsanwalt und emeritierte Sozialrechts-Professor Ulrich-Arthur Birk. Er empfiehlt Arbeitnehmern, selbst gut vorzusorgen, denn der Staat stehe in Sachen Rente vor großen Herausforderungen. Wie viel gesetzliche Rente werden die Arbeitnehmer von heute im Alter bekommen? Ulrich-Arthur Birk: Mit jedem Jahr, in dem er Beiträge zahlt, erwirbt ein Arbeitnehmer eine Anwartschaft von etwa 1,06 Prozent seines Gehalts. Nach 40 Jahren sind das 42,4 Prozent, nach 45 Jahren um die 48 Prozent seines Gehaltes. Dieses Bruttorentenniveau von 48 Prozent nach 45 Beitragsjahren will die Bundesregierung bis 2040 garantieren. Bisher ist es allerdings nur bis 2025 gesichert. Welchen Betrag er genau erwarten kann, erfährt jeder aus seiner persönlichen Renteninformation. Diese bekommen Arbeitnehmer, wenn sie 27 Jahre alt sind, einmal im Jahr von ihrem Rentenversicherungsträger zugeschickt.

Bruttorente, Nettorente: Was heißt das?

Die Rente muss zum Teil versteuert werden. Wer heute in Rente geht, muss 73 Prozent seiner Rente versteuern. Ab 2040 sind es 100 Prozent. Außerdem müssen von der Rente in der Regel Beiträge für die Krankenversicherung der Rentner und die Pflegeversicherung abgeführt werden. Wie gut kann man von der gesetzlichen Rente leben?

Den bisherigen Lebensstandard sichert sie in keinem Fall. Rentner haben zunächst weniger Kosten als Berufstätige, ausgehend davon, dass für eine Vollversorgung 70 Prozent des früheren Einkommens benötigt werden, reicht die gesetzliche Rente selbst im besten Fall nicht aus: Wenn jemand 45 Jahre gearbeitet hat, bekommt er ja nur 48 Prozent seines früheren Einkommens. Dann fehlen immer noch 22 Prozent, um den Lebensstandard zu halten. Wie viel muss man sparen, um im Alter den gewohnten Lebensstandard halten zu können?

Beim derzeitigen Zinsniveau gilt die Faustformel, dass Sie für einen Euro zusätzliche Rente 300 Euro Kapital brauchen. Wie viele Menschen sind von Altersarmut betroffen?

Von Altersarmut spricht man, wenn jemand auf die Grundsicherung im Alter angewiesen ist. Das ist eine privilegierte Sozialhilfe, die bei der Gemeinde beantragen kann, wer eine Nettorente von weniger als etwa 750 Euro hat. Derzeit betrifft das mehr als eine halbe Million Menschen, etwas über drei Prozent der Rentner. Die Quote wird sicherlich steigen. Wer immer unter 1800 Euro brutto verdient, wird in der Rente nie über das Grundsicherungsniveau hinauskommen. Was muss passieren, damit die Rente künftig sicher ist?

Die Herausforderung ist die demografische Veränderung unserer Gesellschaft. Die Menschen leben auf der einen Seite länger, auf der anderen Seite gibt es immer weniger Beitragszahler pro Rentner. Die Politik hat mehrere Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Sie kann die Beiträge oder den Staatszuschuss für die Rentenversicherung erhöhen. Sie kann den Rentenzuwachs zukünftig geringer ausfallen lassen. Sie kann auch das Renteneintrittsalter erhöhen.

Experten sagen, nur stetige Zuwanderung könne das alternde Deutschland verjüngen und so dem Rentensystem helfen.

Eine kluge Migrationspolitik wäre sicherlich hilfreich, die Probleme der Rentenversicherung abzumildern. Derzeit erleben wir vor allem Armutseinwanderung in die Sozialsysteme. Das verschärft eher die Problematik. Wir bräuchten mehr Kompetenzeinwanderung, das heißt Migranten, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. Wie würden Sie für's Alter vorsorgen, wenn Sie noch einmal 30 Jahre alt wären?

Ich würde wieder versuchen, Beamter zu werden. Beamte haben eine sehr gute Altersversorgung: Man kommt auf maximal 71,25 Prozent seines früheren Bruttoeinkommens. Das ist eine Vollversorgung. Dafür musste man allerdings beim Aktiveneinkommen gegenüber der Privatwirtschaft Abstriche machen. Ansonsten würde ich in Aktienfonds investieren, wenn der Anlagehorizont über 20 Jahre beträgt. Dann kann man einen Aktiencrash auch aussitzen. Das Interview führte Natalie Schalk.