Bamberger Psychologin: So funktioniert Schulalltag zwischen Sparzwang und Markenwahn

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Sollte Kindern bei Schultasche und Turnschuhen vermittelt werden, dass sie nicht das teuerste Produkt brauchen? Oder ist Bildung jeden Preis wert? Foto: Hänseler / Archiv
Sollte Kindern bei Schultasche und Turnschuhen vermittelt werden, dass sie nicht das teuerste Produkt brauchen? Oder ist Bildung jeden Preis wert? Foto: Hänseler / Archiv
 
Barbara DrechselFoto: privat
Barbara DrechselFoto: privat
 

Sollte Kindern bei Schultasche und Turnschuhen vermittelt werden, dass sie nicht das teuerste Produkt brauchen? Oder ist Bildung jeden Preis wert?

Sollte Kindern bei Schultasche und Turnschuhen vermittelt werden, dass sie nicht das teuerste Produkt brauchen? Oder ist Bildung jeden Preis wert? Barbara Drechsel erklärt, worum es bei der Schulausstattung geht. Die Professorin hat selbst zwei schulpflichtige Kinder und lehrt an der Uni Bamberg Psychologische Grundlagen in der Schule.

Wie bewerten Sie es, wenn Lehrer fordern, dass bei Schulsachen "Qualität" angeschafft wird?
Barbara Drechsel: Ich weiß, dass die Sachen eine Menge kosten. Ich weiß auch, dass die Lehrer sich darüber Gedanken machen. Qualitätsprodukte haben an manchen Stellen ihre Berechtigung, zum Beispiel höre ich öfter: "Es gibt nichts Schlimmeres als einen Farbkasten vom Discounter." Und wenn das Geodreieck für 50 Cent leicht zerbricht, braucht man vielleicht drei im Jahr und kommt im Endeffekt teurer als wenn man gleich ein hochwertiges kauft. Trotzdem muss man abwägen: Es ist schwierig für Familien, die weniger Geld haben.

Was ist mit denen, die sich die teuren Produkte nicht leisten können?
Viele Schulen haben Fonds, oder der Elternbeirat organisiert etwas - es erfordert aber Sensibilität, an die Familien ranzukommen. Die wenigsten sagen: Ich bin sooo arm. Man muss sicherstellen, dass es nicht demütigend wird, denn unabhängig von ihrer Begabung haben Leute mit weniger Geld schlechtere Bildungschancen. Entscheidend dabei ist aber nicht nur der Preis des Farbkastens. Bildungsfernere Familien tun sich einfach im Bildungssystem schwerer. Sie kennen sich oft mit Alternativen nicht so aus, trauen sich manchmal auch nicht, den Lehrer zu fragen.

Für die Bildung spielt die Materialschlacht also gar keine so große Rolle? Und was ist mit Mobbing?
Fehlende Marken sind kein Mobbinggrund. Du wirst nicht verdroschen, weil du keine Levi's anhast. Die Ursachen für Mobbing sind viel komplexer. Äußerlichkeiten sind selten alleine der Auslöser für Mobbing. Es kann sein, dass sie verstärkend wirken. Das funktioniert in beide Richtungen, auch "Markenkinder" können gehänselt werden. Auch Eltern, die es sich leisten können, sollten sich deshalb fragen: Was bewirke ich, wenn ich mein Kind mit all den teuren Dingen ausstatte - und andere in der Klasse können sich das nicht leisten? Man sollte darüber mit den Kindern sprechen, überlegen, was vernünftig ist, und wo man sich dem Diktat der Marken- und Merchandise-Industrie unterwirft.

Feen und Dinos auf Schulranzen und Blöcken - kommen Familien daran überhaupt vorbei?

Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist für Kinder und Jugendliche ein sehr starkes Motiv: Sie sehen sich alle unheimlich ähnlich! Eltern werden extrem gegängelt durch die Mode- und Markenindustrie, das fängt damit an, dass bei Babykleidung zwischen Jungen und Mädchen differenziert wird, damit ein Junge nicht die rosabestickte Jeans der großen Schwester erbt. Man kann gar nicht früh genug anfangen, Kindern diese Maschinerie bewusst zu machen. Oft ist auch die Gefallensdauer ein Problem: Beispielsweise haben Eltern bei der Grundschultasche eine Zielperspektive von vier Jahren - nach zwei Jahren ist Lilifee out und das Kind steht jetzt auf Prinzessin Soundso. Man sollte ihm klarmachen, dass es sich für diese Tasche entschieden hat und den Wert der Dinge vermitteln. Man tut dem Kind keinen Gefallen, wenn es nicht lernt, dass es irgendwas mal nicht gibt. Es geht - wie so oft in der Erziehung - um das Setzen von Grenzen. Manchmal können auch Flohmärkte bei abgelaufener Gefallensdauer Abhilfe schaffen.

Wie sehen Kinder den Wert der Dinge?
Ein Beispiel: Die Großeltern kaufen etwas Teures und sind enttäuscht, denn beim Kind kommt es nicht an; irgendwas aus dem Kaugummiautomaten hat viel mehr Bedeutung. Kinder müssen erst einen Sinn für Werte entwickeln. Oft werden solche Themen auch im Unterricht behandelt. Das A und O ist, ob Eltern mit ihren Kindern darüber sprechen, was sie beschäftigt und gemeinsam Lösungen suchen. Beim Thema Geld kann man überlegen, Jugendliche ab einem Alter von etwa 14 Jahren zum Beispiel monatlich mit einem eigenen Budget für Kleidung und Schulsachen auszustatten und sagen: Wir möchten dir nicht dauernd etwas verweigern, überleg dir selbst, wie du deinen Bedarf decken willst. Den Nachwuchs in geringem Umfang mit dem Taschengeld an den Kosten zu beteiligen, bewirkt oft, dass mit den Sachen sorgsamer umgegangen wird. Man muss auch auseinandersetzen, warum einem diese Themen wichtig sind. Und fragen: Wie denkst du darüber? Das sind Gespräche, die Eltern und Kinder oft viel weiterbringen.

Das Gespräch führte
Natalie Schalk
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