Eklat um Bamberger Ankerzentrum: Stadtspitze und Flüchtlingsrat verurteilen Herrmanns "Wortbruch"

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Laut Bayerns Innenminister Herrmann kann das Bamberger Ankerzentrum nicht ohne Weiteres schließen. Dagegen regt sich nun von gleich mehreren Seiten heftiger Widerstand.

Die Stadt Bamberg hat in der Vergangenheit mehrmals darauf gepocht, dass das Ankerzentrum laut Vereinbarung aus dem Jahr 2015 zehn Jahre später schließt. Danach sollten die Geflüchteten dezentral im gesamten Stadtgebiet unterkommen. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigte sich "offen für bezahlbare Vorschläge". Die von der Stadtspitze zuletzt vorgeschlagenen Containerlösungen hält er aber für "keine umsetzbare und tragfähige Alternative", wie er in einem Brief an die Stadt deutlich machte. 

Das Ankerzentrum könne laut Herrmann nicht "ersatzlos wegfallen". Um es eins zu eins zu ersetzen, kämen Kosten in einer dreistelligen Millionenhöhe auf den Freistaat zu, was gegenüber den bayerischen Steuerzahlern nicht vertretbar sei. Die Bamberger Stadtspitze und der Bayerische Flüchtlingsrat sehen hierin einen klaren "Wortbruch", wie sie in Pressemitteilungen betonten. Auch der Verein Bambergs unabhängige Bürger (BuB) äußerte sich zur jüngsten Entwicklung und stellte eine Forderung.

Aufregung um Bamberger Ankerzentrum: Bayerischer Flüchtlingsrat beschuldigt CSU

In den Worten des Flüchtlingsrats ist die Ansage der bayerischen Staatsregierung "ein Vorgehen, das nicht nur die Glaubwürdigkeit der Regierung infrage stellt, sondern auch das Versagen der bayerischen Sozialpolitik offenbart". Ratsmitglied Franziska Schmid hierzu: "Die CSU hat über Jahre hinweg eine sinnvolle Wohnungs- und Sozialpolitik vernachlässigt. Die Schuld dafür wird jetzt auf Geflüchtete und die Stadt Bamberg abgewälzt und schamlos Wortbruch begangen."

Der Wohnungsmarkt und das Schulsystem in Bayern stünden unter Druck, da über Jahre hinweg keine wirksamen Maßnahmen zur Entlastung vorgenommen worden seien, so der Flüchtlingsrat. Ebenso mangele es an ausreichender finanzieller Unterstützung, um Städte und Kommunen bei den Herausforderungen durch die Integration zu entlasten. "Stattdessen setzt das Innenministerium weiterhin auf die Nutzung von Massenunterkünften."

Der Flüchtlingsrat sieht Ankerzentren als menschenunwürdig an, da die beengten Wohnsituationen psychische Belastungen förderten und zu einer Entmündigung der Bewohnerinnen und Bewohner führten. Betrachte man aus der Abschottung entstehende Folgeprobleme, "dann sind Massenunterkünfte wie die bayerischen Ankerzentren eine der teuersten Unterbringungsformen".

"Laufzeitlüge":  BuB sieht "Versagen auf allen Ebenen"

Der Rat hält aber auch den von der Stadt geplanten Ausbau von Containerunterkünften nicht für eine "menschenwürdige und langfristige Alternative". Ohne eine klare Zusicherung des Innenministeriums sei es aber auch der Stadt Bamberg "nicht möglich, Mietverträge mit Immobilienbesitzern abzuschließen, um ein sinnvolles dezentrales Unterbringungskonzept in Wohnhäusern umzusetzen", gibt die Organisation zu bedenken.

Bambergs unabhängige Bürger sehen unterdessen ein "Versagen auf allen Ebenen". Die vorgeschlagenen Containerstandorte der Stadt Bamberg, die Spiel- und Sportplätze einschlössen, spalteten die Stadtgesellschaft, teilten sie in ihrem Schreiben mit. Zur Staatsregierung ließ BuB-Stadträtin Karin Einwag verlauten: "Wenn Innenminister Herrmann die angekündigte Verlängerung des Ankerzentrums wirklich durchzieht, erschüttert die Bayerische Staatsregierung nachhaltig das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik. Diese 'Laufzeitlüge' werden die Bamberger nicht vergessen." 

Auch an der Bundesregierung äußerte die BuB Kritik. Während andere Länder wie Dänemark zeigten, dass kontrollierte Zuwanderung möglich sei, fehle es in Deutschland "an klaren Maßnahmen, um die Belastung für Städte wie Bamberg zu reduzieren". Letztlich fordert der Verein "ein ernsthaftes dezentrales Verteilungskonzept", bei dem "alle zur Verfügung stehenden Flächen" einbezogen werden. Umgehend solle sich die Stadtspitze mit Hermann zusammensetzen.

SPD fordert rechtliche Konsequenzen und erwägt Klage gegen Staatsregierung

Die SPD Bamberg fordert unterdessen rechtliche Schritte zur Durchsetzung der Schließung des Ankerzentrums. Der Kreisvorsitzende der SPD-Bamberg Olaf Seifert betont: "Der Wortbruch der bayerischen Staatsregierung ist skandalös und muss rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Das Ankerzentrum muss geschlossen und das von der SPD Bamberg vorgeschlagene angepasste Konzept der dezentralen Unterbringung ohne Container in den Stadtteilen schnellstmöglich umgesetzt werden." 

So fordere die SPD-Stadtratsfraktion, "dass die Verwaltung die Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Staatsregierung prüft und die Ergebnisse zeitnah im Stadtrat vorstellt". Die SPD betrachtet die Schließung des Ankerzentrums sowohl als Entlastung für die Stadt Bamberg als auch als Möglichkeit, "ein modernes und faires Konzept zur Unterbringung von Geflüchteten" zu realisieren. Es sei wichtig, die Aufgaben im Bereich der Flüchtlingsaufnahme in ganz Bayern gerecht zu verteilen. "Die Stadt Bamberg hat seit Jahren überdurchschnittlich viel geleistet. Es ist an der Zeit, dass die Staatsregierung ihre Verantwortung übernimmt und ihre Zusagen einhält", lässt der Fraktionsvorsitzende Heinz Kuntke verlauten.

Fraglich sei auch die Zukunft des ehrenamtlichen Ombudsteams, das etwa im März 2023 die Schließung eindringlich forderte. "Man müsse ernsthaft überlegen, ob das Ombudsteam, das davon ausging, dass nach zehn Jahren Schluss ist, nicht seine Arbeit einstellen soll. Eine weitere Belastung durch ehrenamtliches Engagement ist bei Weiterbetrieb des Ankerzentrums nicht mehr zumutbar", so Team-Mitglied Ingeborg Eichhorn. Weitere Nachrichten aus Bamberg gibt es in unserem Lokalressort.

Vorschaubild: © Daniel Karmann/dpa