Ausstellung über Linksterroristen am Bamberger Dientzenhofer-Gymnasium

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Sophia Fiedler und Ferdinand Eder haben über ihren ehemaligen Mitschüler Wilfried Böse geforscht. Foto: Barbara Herbst
Sophia Fiedler und Ferdinand Eder haben über ihren ehemaligen Mitschüler Wilfried Böse geforscht.  Foto: Barbara Herbst
Am 6. Juli 1976 berichtete der Fränkische Tag über die Entebbe-Entführung und einen der Geiselnehmer, Wilfried Böse. Er war zwei Tage zuvor - bei der Befreiung der Geiseln - erschossen worden. Böse verbrachte Kindheit und Jugend in Bamberg. Foto: Barbara Herbst
Am 6. Juli 1976 berichtete der Fränkische Tag über die Entebbe-Entführung und einen der Geiselnehmer, Wilfried Böse. Er war zwei Tage zuvor - bei der Befreiung der Geiseln - erschossen worden. Böse verbrachte Kindheit und Jugend in Bamberg. Foto: Barbara Herbst
 
Mitschüler und Freunde Böses stellten den Schülern Fotos zur Verfügung. Böse (rechts) beim Abschlussball seines Tanzkurses in den Bamberger Haassälen. Foto: Barbara Herbst
Mitschüler und Freunde Böses stellten den Schülern Fotos zur Verfügung. Böse (rechts) beim Abschlussball seines Tanzkurses in den Bamberger Haassälen. Foto: Barbara Herbst
 
Die Jugendfreunde ahnten nicht, dass Wilfried Böse später in den linksradikalen Untergrund abtauchen würde. Foto: Barbara Herbst
Die Jugendfreunde ahnten nicht, dass Wilfried Böse später in den linksradikalen Untergrund abtauchen würde.  Foto: Barbara Herbst
 
1965: Hinten in der Ecke eines Klassenzimmers im Dientzenhofer-Gymnasium sitzt Wilfried Böse. Er war Klassensprecher. Foto: Barbara Herbst
1965: Hinten in der Ecke eines Klassenzimmers im Dientzenhofer-Gymnasium sitzt Wilfried Böse. Er war Klassensprecher.  Foto: Barbara Herbst
 
Rafael Rempe (links) ist Geschichtslehrer am Bamberger Dientzenhofer-Gymnasium. Er hat die Schüler bei der Recherche unterstützt. Foto: Barbara Herbst
Rafael Rempe (links) ist Geschichtslehrer am Bamberger Dientzenhofer-Gymnasium. Er hat die Schüler bei der Recherche unterstützt.  Foto: Barbara Herbst
 
Ein Klassenfoto mit Wilfried Böse. Ab 1959 besuchte er die Alte Oberrealschule in Bamberg, das heutige Clavius-Gymnasium. Foto: Barbara Herbst
Ein Klassenfoto mit Wilfried Böse. Ab 1959 besuchte er die Alte Oberrealschule in Bamberg, das heutige Clavius-Gymnasium. Foto: Barbara Herbst
 
Schüler des Bamberger Dientzenhofer-Gymnasiums haben den Lebensweg ihres ehemaligen Mitschülers Wilfried Böse erforscht. Foto: Barbara Herbst
Schüler des Bamberger Dientzenhofer-Gymnasiums haben den Lebensweg ihres ehemaligen Mitschülers Wilfried Böse erforscht.   Foto: Barbara Herbst
 
Drei Terrororganisationen waren in Bamberg vertreten: RAF, Revolutionäre Zellen und die "Bewegung 2. Juni". Foto: Barbara Herbst
Drei Terrororganisationen waren in Bamberg vertreten: RAF, Revolutionäre Zellen und die "Bewegung 2. Juni". Foto: Barbara Herbst
 
Ferdinand hat den Weg der Air-France-Maschine nachgezeichnet, die Böse und weitere Terroristen am 3. Juli 1976 nach Entebbe in Uganda entführten. Foto: Barbara Herbst
Ferdinand hat den Weg der Air-France-Maschine nachgezeichnet, die Böse und weitere Terroristen am 3. Juli 1976 nach Entebbe in Uganda entführten.  Foto: Barbara Herbst
 
Wilfried Böse soll mit Christine Dümlein, die auch in Bamberg lebte und später zur RAF gehörte, zusammengewesen sein, haben die Schüler herausgefunden. Foto: Barbara Herbst
Wilfried Böse soll mit Christine Dümlein, die auch in Bamberg lebte und später zur RAF gehörte, zusammengewesen sein, haben die Schüler herausgefunden.  Foto: Barbara Herbst
 

Als Wilfr ied Böse am Morgen des 4. Juli 1976 in Uganda im Kugelhagel starb, waren Sophia Fiedler und Ferdinand Eder noch gar nicht auf der Welt. Doch der Linksterrorist und Geiselnehmer besuchte genau wie sie das Bamberger Dientzenhofer-Gymnasium.

Schon ein bisschen komisch", Ferdinand Eder kratzt sich am Kinn. "Wenn man über Terrorismus spricht, dann fallen einem große Städte wie Berlin, Frankfurt oder das Ausland ein." Sophia Fiedler, die ihm gegenüber steht, nickt. "Aber nein: Aus Bamberg sind drei Terroristen gekommen. Aus der Kleinstadt Bamberg, die so katholisch geprägt ist!" Die beiden 16-Jährigen stehen im Ausstellungsraum des Bamberger Stadtarchivs vor einer Stellwand. Sie ist Teil einer Ausstellung, die die Schüler mit ihrem Lehrer Rafael Rempe auf die Beine gestellt haben. "1. Kurz-Steckbrief Wilfried Böse" steht oben auf der Tafel, darunter ein paar Lebensdaten, rechts ein Schwarzweißfoto. Es zeigt einen jungen Mann mit Bart, er lächelt nicht in die Kamera.

"Das ist Wilfried Böse", stellt ihn Sophia vor.
"Er war Linksterrorist, gründete die Revolutionären Zellen und war 1976 einer der Geiselnehmer im ugandischen Entebbe." Und er ging eine Zeit lang auf ihre Schule, das Dientzenhofer-Gymnasium: Es hat Sportler hervorgebracht, Bürgermeister, Astrophysiker - und es war ein Jahr lang Station des späteren Linksterroristen, der laut "Spiegel" zum deutschen Kader von "Carlos" gehörte und der am 3. Juli 1976 an der Entführung einer Air-France-Maschine mit 103 Passagieren an Bord beteiligt war und am frühen 4. Juli 1967 bei der Befreiungsaktion der Geisel in Entebbe, Uganda erschossen wurde.

Sophia, Ferdinand und 14 ihrer Mitschüler wollen wissen, was dieser Wilfried Böse für ein Typ war. Der 1965/66 in denselben Unterrichtsräumen wie sie heute saß, als Klassensprecher seine Mitschüler vertrat und auf Tanzkurs-Bällen im Anzug und mit Mittelscheitel tanzte. "Deshalb haben wir uns für das Praxis-Seminar von unserem Geschichtslehrer Herrn Rempe entschieden. Denn da geht es um Böses Leben und seine Zeit in Bamberg", sagt Ferdinand. Rafael Rempe hat schon viel über Wilfried Böse geforscht. "Als mir 1998 ein ehemaliger Schüler erzählte, dass am DG mal einer war, der später Terrorist wurde, da konnte ich's erst gar nicht glauben", sagt der Pädagoge. "Und auch mit dem Namen Böse konnte ich nichts anfangen. Ich dachte: ,Hmm, vor der eigenen Haustür kehren? Mal schauen, was passiert‘", er lächelt bei der Erinnerung.

"Außerdem interessiert mich als Lehrer auch die Frage, wie es passieren konnte, dass Böse in den linksterroristischen Untergrund abdriftete. Was hat ihn dazu gebracht? Was ist an der Schule vielleicht nicht optimal gelaufen, dass das so passieren konnte?" Diese Frage konnten er und seine Schüler bislang zwar noch nicht klären. Aber sie sind dem Phantom Wilfried Böse schon sehr nah gekommen. "Seine Mitschüler und Freunde wussten damals nicht, dass er das vorgehabt hat. Seine Lehrer erinnern sich, dass er oft gefehlt und wohl Unterschriften gefälscht hat", berichtet Sophia.

"Das Kollegium war damals der Jugend gegenüber gespalten", ergänzt Rempe. "Sollten die Jugendlichen mehr Freiheiten bekommen und sich entfalten dürfen oder nicht?" Böse jedenfalls verließ 1966, ein Jahr vor dem Abitur, das Dientzenhofer-Gymnasium und Bamberg. Er ging nach Ansbach, später nach Frankfurt, wo er Kontakte zur linksradikalen Szene knüpfte. Ihre Forschungsergebnisse und viele spannende Dokumente haben die Schüler in einer beeindruckenden Ausstellung zusammengefasst, die sie im Bamberger Stadtarchiv zeigen.

"Ein komisches Gefühl"

Was ist das nun für ein Gefühl, dass ein Typ wie Böse an derselben Schule war? "Ist ein komisches Gefühl, man kann das irgendwie nicht glauben. Es ist gar nicht so lange her, aber es scheint so weit weg", meint Sophia nachdenklich. "Bamberg war in drei Terrororganisationen vertreten. Das ist schon ganz erstaunlich", sagt Rempe und zeigt auf eine weitere Tafel: Neben Böse waren das Dieter Kunzelmann, der 1969 beim "Knastcamp" in Ebrach und später bei der "Bewegung 2. Juni" mitmachte, sowie die spätere RAF-Terroristin Christine Dümlein.
Ferdinand zieht Bilanz: "Ich glaube, früher hat man sich als junger Mensch mehr für Politik interessiert als heute. Durch dieses P-Seminar ist das anders geworden ..."

Die Ausstellung

Die Ausstellung der Schüler des Dientzenhofer-Gymnasiums über Wilfried Böse im Stadtarchiv Bamberg, Untere Sandstraße 30a, läuft bis 18. August 2013.

Öffnungszeiten: Die Ausstellung kann montags bis mittwochs von 8 bis 16 Uhr; donnerstags von 8 bis 20 Uhr und freitags von 8 bis 14.30 Uhr besichtigt werden.