Ärztin aus Leidenschaft - In Burgwindheim arbeitet eine Spätberufene

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Die Ärztin Gisela Madeleine Langhoff bei der Behandlung eines PatientenAlle fotos: Barbara Herbst
Die Ärztin Gisela Madeleine Langhoff bei der Behandlung eines PatientenAlle fotos: Barbara Herbst
 
 
 
 
 
 
 
Hier praktiziert die Ärztin
Hier praktiziert die Ärztin
 

Landärztin, das wäre sie am liebsten. Aber zumindest kann Gisela Madeleine Langhoff als Ärztin auf dem Lande arbeiten. Doch der Weg dahin war lange und schwierig: Erst spät hat sie sich den Traum vom Medizinstudium erfüllen können, dafür machte sie gleich zwei Ausbildungen.

"Das wäre herrlich, wenn sich ein junger Arzt oder ein junge Ärztin hier niederlassen würde." Die Augen von Gisela Madeleine Langhoff funkeln nur so. "Das wünsche ich mir inständig, und ich würde gerne zuarbeiten." Wohl auch, weil sie selbst zu gerne Landärztin gewesen wäre und es leider nur wenige Jahre sein konnte. Nun ist sie 68, in dem Alter also, in dem bislang eine kassenärztliche Tätigkeit endet; nicht aber die Tätigkeit als Arzt oder Ärztin, wenn es um die Behandlung von Privatpatienten geht. Genau da engagiert sich die Tochter einer leidenschaftlichen Krankenschwester und eines Sanitäters.

Als sie die vielen, oft schwierigen Stationen ihres bewegten Lebens schildert, wird eine Art roter Faden erkennbar, der sie letztlich dorthin zog, wo ihre Berufung liegt: zur Medizin.

Kindheit und Jugend verbrachte die Neu-Burgwindheimerin viel in Kliniken.
Nicht als Patientin, sondern weil sie ihre Mutter oft aufsuchte oder begleitete. Als sie zehn war, schenkte ein Oberarzt dem interessierten Kind ein ausrangiertes Mikroskop. Mit Hingabe verschlang das Kind ein Buch mit Geschichten über herausragende Ärzte, ls Vierzehnjähriger schenkte ihr der Vater, der Psychologie liebte, ein Buch über Psychologie.

"Meine Mutter war eine so engagierte und gute Krankenschwester", schwärmt die Ärztin noch heute. Die Familie lebte in der DDR, wo seinerzeit Medikamente rar waren. So musste die Mutter zwangsläufig auf altbewährte Hausmittel und Naturheilverfahren ausweichen. "Wir wurden mit Kräutern und Wickeln groß." Der Vater war Sanitäter und beendete den Krieg mit schwersten Verletzungen. Nach der Flucht - noch vor dem Mauerbau - schulte er zum Sozialarbeiter um. Die soziale Ader der Tochter mag wohl auch hierin eine Wurzel haben.

Steiniger Weg

Doch Gisela Madeleine Langhoffs Weg zur Medizin war nicht nur ein äußerst steiniger, sie beschritt ihn erst in einem Alter, in dem die Kollegen ihre Praxen schon lange abbezahlt hatten und sich entweder eine Neuaustattung leisten oder sich allmählich nach einem Nachfolger umsehen konnten.

Die gebürtige Magdeburgerin hatte sehr jung Familie und unterstützte zudem das Ingenieursstudium ihres Mannes. "Diese Hände kennen Arbeit", sagt sie und zeigt ein paar zierliche, aber durchaus muskulöse her. "Die können zupacken." Beim Putzen, in der Gastronomie, in der Fabrik. Auch als Taxi-Fahrerin hat die umtriebige Frau gearbeitet. Freilich stellte sie das intellektuell nicht zufrieden. Die künstlerisch kreative Ader in sich hat sie als diplomierte Puppenspielerin ausgelebt. Beim Schauspiel attestierte man ihr Talent, aber mit 30 war sie zu alt für die renommierten Schulen.

Bei all den wechselnden Tätigkeiten blieb doch eines konstant: Gisela Madeleine Langhoff waren Menschen und Natur wichtig. "Ich wollte schon immer meinen Beitrag leisten zu einer besseren Welt, egal wo und wie." Umwelt und Soziales waren ihr Herzensangelegenheit. So landete sie in Berlin in der Friedensbewegung und bei den Grünen, als die sich formierten.

Nach der Trennung vom Ehemann wagte sie den Sprung an neue Ufer. "Ich hatte ja keine Ausbildung, nur acht Klassen Volksschule." Auch deshalb, weil der Beruf des Vaters - zuletzt Heimleiter - die Familie in immer neue Gegenden führte.

Jedenfalls holte sie mit 35 ihre Schulbildung nach. Mit 38 machte sie Abi. Früher schon einmal hatte sie Lehrerin werden wollen. Die Wissenschaft, vor allem Naturwissenschaft, interessierte sie, weswegen ein Lehramtsstudium naheliegend schien. Doch aus Altersgründen (nach dem Staatsexamen wäre sie zu alt für eine Verbeamtung) wurde ihr abgeraten.

Mit Medizin freilich hatte sie schon immer geliebäugelt. So studierte sie zunächst Schulmedizin. Die Wissenschaft faszinierte sie zwar, aber Forschung kam nicht in Frage. "Weil ich da keinen Kontakt zu Menschen habe."
Dass man Menschen bisweilen mit der Schulmedizin nicht helfen kann, erschütterte sie zutiefst. So erinnerte sie sich an die Naturheilverfahren der Mutter und setzte ein Studium der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) drauf. Zuvor hatte sie in tibetische Medizin beim Leibarzt des Dalai Lama Einblick gewinnen können. "Ich wollte fachlich so viel wie möglich kennen, wissen und können." Das hat gekostet. Gisela Madeleine Langhoff hat ihre Studien und Ausbildungen stets selbst finanziert - durch Zusatzjobs und Bafög. Wobei sie das Bafög noch heute zurückzahlt.

Nachdem sie meinte, reif für die Patienten zu sein, fand sie den Beruf des Landarztes erstrebenswert. In ihrem beruflichen Werdegang war sie etliche Jahre in der Chirurgie, aber auch im Krankenhausmanagement und in der Kardiologe tätig. Bereiche, in denen sich Geld verdienen lässt. Doch nicht deswegen hatte sie die komplexen Ausbildungen absolviert. Davon profitiere der Patient bei ihr als Allgemeinärztin wohl am meisten, meint sie und: "Ich wollte die Menschen zu Hause, in ihrem Umfeld besuchen." Dann bekam sie das Angebot: Für drei Jahre eine Praxis im Odenwald führen. "Eine wunderbare Zeit, ich habe meine Patienten geliebt und sie haben mich geliebt."

Wissen im Allgäu gesammelt

Es folgte ein Umzug ins Allgäu, Einsätze in Kardiologie und Psychosomatik. Das hat ihr gut gefallen und weiteres Wissen gebracht, zumal sie sich dann doch vom Traum der Landärztin mit eigener Praxis verabschieden musste: In ihrem Alter bekam sie keinen Kassensitz mehr, "da reicht die Zeit nicht, um die Praxis abzubezahlen". Freilich hatte sie während der drei Landarztjahre erlebt, wie gut sich Schulmedizin, TCM und europäische Naturheilverfahren kombinieren lassen.

Mit über 50, ihrer vielschichtigen und unterschiedlichen Ausbildung war sie wohl auch nicht leicht in eine herkömmliche Praxis zu integrieren. Schließlich machte sich Gisela Madeleine Langhoff im Allgäu mit einer eigenen TCM-Praxis selbstständig. Als ihr Mann - bildender Künstler und Kunstdozent - in den Ruhestand ging und für die beiden kein Anwesen erschwinglich war, in dem Atelier, Praxis und der Schwiegervater hätten unterkommen können, machte sich das Paar auf die Suche und wurde in Burgwindheim fündig. Das Haus am Blutbrunnen passte perfekt.

Erst später zeigte sich, dass der Ort für die Ärztin auch beruflich optimal ist: Mitten zwischen TCM- und herkömmlicher Klinik. Wobei sie mit Burgebrach bereits kooperiert. Gerne hätte sie auch mit den zuständigen Kassenärzten kooperiert, die Burgwindheims Kassensitz (nach Burgebrach mitgenommen) haben. Aus formellen Gründen war das jedoch nicht möglich. So müssen die Burgwindheimer (Kassenpatienten) nach Burgebrach oder Ebrach zum Hausarzt.

Aus dem Bereich der Privatversicherten oder solchen mit Beihilfe hat sich schon ein Patientenstamm gebildet. Was aber ist mit den Kassenpatienten in Not? Die behandelt die Ärztin auch, muss dafür aber Bares verlangen. "Ich bin an die Gebührenordnung gebunden", bedauert die Ärztin, "aber ich nehme den untersten Satz". Und da ist der 94-Jährige, der dringend behandelt werden muss und sich an sie gewandt hat. "Ich rede mal mit seiner Kasse", lässt die Ärztin nichts unversucht. "Es wäre wunderbar, wenn sich ein junger Arzt hier niederlassen würde!"