Wo ist der nette Typ von nebenan?

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Ja, was jetzt? - Rüdiger Hoffmann sinniert bei seinem Autritt in Bad Kissingen. Foto: Klaus Werner
Ja, was jetzt? - Rüdiger Hoffmann sinniert bei seinem Autritt in Bad Kissingen. Foto: Klaus Werner

Das hat der Max-Littmann-Saal im Kissinger Regentenbau noch nicht erlebt. Und nicht verdient. Mehr als zwei Stunden malträtierte Comedian Rüdiger Hoffmann die Geschmacksnerven der 900 Gäste mit dem Grundtenor "Saufen und Poppen", was von einem ständig scheißenden Hund begleitet wird.

An Rüdiger Hoffmann, der seit über 25 Jahren auf den Kleinkunstbühnen steht und der vor allem durch TV-Comedy-Serien und -Filme bekannt wurde, kann man die "Mario-Bartherisierung" der Unterhaltung verfolgen: Aus dem netten Typen von Nebenan mit schrägem Humor wurde ein Vulgär-Sprücheklopfer, der auf der Bühne verbal nicht nur die Hosen runter lässt, sondern auch noch genussvoll an sich herumspielt. Das Ganze mit einem unschuldigen Lächeln gepaart, um die Obszönität einer "Rohrverlegung von Biomasse" abzumildern.

Austauschbar mit den anderen


Somit waren die zwei Stunden "Aprikosenmarmelade" - so der sinnfreie Titel von Hoffmanns Programm - ein Spiegelbild des von Cindy von Marzahn, Atze Schröder und Ingo Appelt geprägten unlustigen Humors. Unlustig deshalb, weil die Pointe fehlt, oder seicht ist, weil alles so voraussehbar ist, weil alles nur im Unterleib verhaftet ist, weil mit ätzender Schadenfreude gearbeitet wird, und weil die "Comedians" alle vorurteilsbehafteten Schwarz-Weiß-Bilder bis zum Auskotzen durchnudeln.
Comedian steht für Komödiant, für Komiker, für lustige Personen, die andere durch ihre Art und Weise unterhalten. Von daher hätte Hoffmann den Sinn des Wortes erfüllt: Die Mehrzahl der 900 Gäste hat über das Nonsens-Geplauder von Susanne, Birte, Olaf, Hartmut, Jessica und den Hund Pizza geschmunzelt, gelacht und applaudiert. Sie wurden auch durch die Lieder unterhalten, zu denen sich Hoffmann am Flügel selbst und wirklich gut begleitet hat und deren moralin-saures Niveau irgendwie zu dem Abend passte. Aber insgesamt war für knapp 30 Euro pro Person "in dem Abend drinnen" nur das, was man mittlerweile auf jedem Fernsehsender in Daily-Soaps oder einer Vier-Stunden-Show von Bülant Ceylan bis zum Überdruss vorgesetzt bekommt.

... und immer dasselbe


"Ja Hallo erst mal. Ich weiß gar nicht, ob Sie´s schon wussten - aber ..." - Das verbale Markenzeichen des Komikers aus Paderborn durfte natürlich nicht fehlen. Und mit diesem ritualisierten Einstiegssatz leitete er die meisten seiner kleinen Geschichten ein, die sich stets ums Thema "Saufen und Vögeln" drehten. Dabei war es gleichgültig, ob dabei seine angedichtete Ehegattin Susanne mit besonderen "Gebrauchsspuren" herhalten musste, oder er mit seinen Jungs ein Leber schädigendes Wochenende in Holland verbringt. Irgendwo dazwischen arbeitete der 48-Jährige ein Sensibilisierungstraining und ein Wellness-Wochenende mit Klangschalen-Massage und Hopi-Ohrenkerze ab. Frei von Mimik und Gestik formulierte sich Hoffmann mit bedächtig gesetzten Worten und Sätzen durch diese Geschichten - die Langsamkeit der Sprache als Stilmittel für skurrile Bilder, die an Seichtigkeit nichts zu wünschen übrig ließen.

Vom Betroffenen zum Beobachter


Dazwischen wechselte er die Perspektive: Vom Betroffenen zum Beobachter. Mal gibt´s ein Telefongespräch vom "Looser Karl-Hermann Kastenkopp" mit einer "professionellen" Freundin, wobei dem Kissinger Land-Publikum erklärt werden musste, dass Kastenkopp ein Quadratschädel ist, auf dem man drei frisch gezapfte Bier abstellen kann. Dann erzählt er von Olaf und Birte und dem Golden Retriever "Grönemeyer" und "ambulanten Sex" vom Straßenrand, leitet über auf die "Erbinformationen im Glas", um Kinderwünsche zu erfüllen und .... - und dann drehte sich alles wieder ums "Saufen und Vögeln".
Ein Trost zum Schluss: Hoffmann erzählte von der selektiven Wahrnehmung des Gehirns, die als Filterfunktion vor allem bei Männern ausgeprägt sein soll und eigentlich bewirkt, dass "mann" bis auf die Worte "Bier" und "Sex" alles andere ausblendet. Angesichts des Abends wünschte man, dass diese Filterfunktion geschlechtsübergreifend für das angehäufte Vulgär-Vokabular vorhanden ist.