Sie hatte Angst davor, als Mama etwas falsch zu machen. Dann traf sie Rita Saal. Die ist Familienhebamme und hilft, wenn sich Eltern überfordert fühlen.
Zweimal dasselbe Ergebnis. Positiv. Nach dem Unterricht besorgte sie sich zusammen mit einer Freundin einen Schwangerschaftstest, vorsichtshalber nahm sie einen zweiten mit. Nach der Untersuchung beim Arzt dann die Gewissheit. Natascha Lichtlein (Name von der Redaktion geändert) wird bald Mama sein. Geplant war der Nachwuchs nicht. Heute mag sie sich ein Leben ohne ihren kleinen Sohn nicht mehr vorstellen. Bei der Entbindung war sie 19 Jahre alt. Sie hatte keine Ahnung, was auf sie zukommt. Würde sie alles richtig machen? Worauf muss sie achten? Dann traf sie Rita Saal.
"Rita ist wie eine Oma für mich", sagt Natascha Lichtlein heute. Ihren richtigen Namen will die junge Mutter nicht in der Zeitung lesen. Die 20-Jährige kommt aus dem Nachbarlandkreis und wohnt inzwischen mit ihrem Freund zusammen im Kreis
Bad Kissingen. "Ich hatte Angst, dass ich irgendetwas falsch mache", sagt sie. Schon während der Schwangerschaft lernte sie die Familienhebamme Rita Saal kennen. Die ist eine von zehn Hebammen, die für Familien, Schwangere und Eltern im Landkreis da ist. Dann, wenn die sich überfordert fühlen. "Frühe Hilfen" - das Angebot des Landkreises sieht sich als Kontaktstelle, die Präventivarbeit leistet. Das Ziel: eine gute Entwicklung des Kindes sichern - und zwar frühzeitig.
Nicht für Hilfe schämen
Niemand soll sich dafür schämen, um Hilfe zu bitten: "Es ist normal und es gehört zum Leben, Schwierigkeiten und Krisen zu haben. Es ist genauso normal, sich Unterstützung zu holen", sagt Georg Schulz-Hertlein, der das Förderprojekt im Hintergrund betreut. "Dieses Instrument ist aus Sicht des Jugendamtes unschätzbar", meint Siegbert Goll, Leiter des Bad Kissinger Jugendamtes. Auch die Politik hat diesen Ansatz längst anerkannt: "Wenn man in dieser Phase nicht hilft, drohen lebenslange Fehlentwicklungen", sagt Landrat Thomas Bold (CSU).
Seit 2013 wird das Konzept vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Im Bayerischen Familienministerium in München gilt das Kissinger Modell als gutes Beispiel für andere Regionen, sagt Georg Schulz-Hertlein. Die Notwendigkeit liegt aus Sicht der Initiatoren auf der Hand: Die Betreuung der Mütter und Familien im Rahmen der Krankenkassen reicht nicht immer aus.
Netzwerk im Hintergrund
"Sie will eine gute Mutter sein, sie brauchte Bestätigung", sagt Xenia List von der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) in Schweinfurt. Die Pädagogin ist Teil eines umspannenden Netzwerks, in dem das Modell "Frühe Hilfen" agiert. Gerade das erste Jahr sei besonders bedeutend, meint Carolin Ochse. "Jeden Tag passiert etwas Neues." Gerade für Alleinerziehende sei das "Frühe Hilfen"-Modell wichtig. Mamas aus allen sozialen Schichten melden sich bei der Kontaktstelle - von der Lehrer bis zum Hartz-IV-Empfänger, sagt Carolin Ochse. Warum das Programm überhaupt gebraucht wird? "Viele leben inzwischen in anderen Familienverhältnissen als früher", sagt die Sozialpädagogin. Mehrgenerationen- oder Großfamilien finde man nur noch selten. Manchmal fehle es an Grundlegendem wie gemeinsam an einem Tisch zu essen oder einem strukturierten Tagesablauf zu folgen.
Die "Problem-Löserin"
Die Hebamme, die einem die Krankenkasse zur Seite stellt, ist während der ersten acht Wochen Ansprechpartner für eine junge Mutter. Eine Familenhebamme des Landkreises ist bis zu eineinhalb Jahre lang für die Eltern da.
"Rita ist wie eine Lehrerin für mich", sagt Natascha Lichtlein. "Man hört viel, ist sich aber immer unsicher, was stimmt und was nicht." Welche Windeln sind die richtigen? Soll ich stillen und wenn ja wie lange? Was muss ich vorbereiten bevor das Baby da ist? Anträge, Versicherungen, die Ernährung, der Umgang mit dem Kind ... "Wir kümmern uns um jedes Problem, egal welches es ist", sagt Familienhebamme Rita Saal. Die 60-Jährige will Sicherheit vermitteln. Sie ist Lebensberaterin, Motivatorin, Erzieherin und Vorbild. Ihr Rezept? "Sanfter Druck." Das wichtigste für ihre Arbeit? "Vertrauen." Nur damit erreicht sie zusammen mit der Mutter die Ziele, die sie sich gesteckt hat. Natascha Lichtlein hat inzwischen noch mehr als das erreicht.
In drei Wochen wird ihr Sohn ein Jahr alt. Der Kleine läuft bereits und ist auch ansonsten prima entwickelt, meint Rita Saal. Zusammen mit ihrem Freund hat sich Natascha Lichtlein in der gemeinsamen Wohnung ein Nest für die kleine Familie eingerichtet. Und: Die 20-Jährige hat eine Ausbildungsstelle gefunden. Diesen Monat hat sie ihre Lehre begonnen. "Ohne Rita wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt stehe", sagt sie.
Wer kann sich bei "Koki" Hilfe holen?
Kontaktstelle "Koki" hat 2011 unter dem Titel "Koordinierende Kinderschutzstelle" begonnen. Inzwischen nennt sie sich "Kontaktstelle Frühe Hilfen" und will Schwangere, Eltern und Familien aus dem Landkreis Bad Kissingen mit Kindern bis zu sechs Jahren ansprechen, die Unterstützung suchen. Das Angebot der Kontaktstelle ist kostenlos, vertraulich, unverbindlich und unbürokratisch. Familienhebammen und Familienbegleiter stehen Eltern während der ersten Phase bei der Betreuung ihres Nachwuchses zur Seite. Die "Koki" arbeitet vernetzt auf pädagogischer, sozialer, psychosozialer und medizinischer Ebene und losgelöst vom Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes.
Vor Ort Ansprechpartner der Kontaktstelle "Frühe Hilfen" sind Carolin Ochse und Karin Ackermann. Sie sind telefonisch erreichbar unter 0971/ 801 92 30 oder persönlich im vierten Stock des Landratsamts in Bad Kissingen, Obere Marktstraße 6.