Wenn Grenzsteine erzählen könnten

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Der Ortsobmann der Reiterswiesener Feldgeschworenen, Dominik Kiesel (links), erklärt anhand einer Karte den Grenzverlauf im Ballinghain hinauf zum Schwimmbad. Bürgermeister Thomas Leiner hilft beim Kartenhalten. Foto: Peter Klopf
Der Ortsobmann der Reiterswiesener Feldgeschworenen, Dominik Kiesel (links), erklärt anhand einer Karte den Grenzverlauf im Ballinghain hinauf zum Schwimmbad. Bürgermeister Thomas Leiner hilft beim Kartenhalten. Foto: Peter Klopf

Die Reiterswiesener Jagdgenossen hatten zu einem Grenzgang im Bereich des Finsterberges eingeladen.Der Grenzverlauf barg einige Überraschungen, denn das Dorf hat schon mehrfach Flächen an Bad Kissingen abgeben müssen.

Reiterswiesen ist ein Stadtteil von Bad Kissingen. Für die Einheimischen keine neue Erkenntnis. Doch die Frage "Wo beginnt der Kissinger Stadtteil, und wo hört die Kernstadt auf?" ruft bei vielen Reiterswiesenern schon einiges Stirnrunzeln hervor. Eine gute Gelegenheit, einiges über die Gemarkungen und die Grenzen von Reiterswiesen zu erfahren, bot jetzt eine Grenzbegehung, zu der die Reiterswiesener Jagdgenossenschaft eingeladen hatte.

Unter der Führung des
Obmannes der Reiterswiesener Feldgeschworenen, Dominik Kiesel, den Feldgeschworenen Konrad Röder, Ewald Kiesel, Albin Kiesel und Tobias Dittrich sowie mit 3. Bürgermeister Thomas Leiner und den Stadträtinnen Hildegard Alefeld und Gudrun Heil-Franke nutzten 30 Interessierte die Gelegenheit, den südwestlichen Grenzverlauf zu Bad Kissingen und Arnshausen kennenzulernen.

Die Route

Vom Parkplatz des St.-Elisabeth-Krankenhauses führte jetzt die Route in den Ballinghain, vorbei am Krankenhaus areal zum Ostring, über das Terrassenfreibad und den Finsterberg zurück zum Ausgangpunkt der ersten Grenzbegehung 2009.

Erfindung des Mittelalters

485 Hektar groß ist das Jagdgebiet der Reiterswiesener Jagdgenossenschaft, wovon 386 Hektar landwirtschaftlich und 86 Hektar forstwirtschaftlich genutzt werden. Schon im Mittelalter war es Brauch, dass Feldgeschworene - ohne die bis heute keine Landvermessung funktioniert - die Gemeindegrenzen zusammen zu Fuß abgehen. Die Siebener, wie man sie auch nennt, üben das älteste Ehrenamt Bayerns aus und setzen oder verändern Grenzsteine und Markzeichen einer Gemeinde. "Es ist wichtig, dass man zu den Nachbargemeinden die Grenze kennt und sieht, ob die Grenzsteine noch stehen. Damit wird verhindert, dass unrechtmäßig Holz von einem anderen Gemeindegebiet weggefahren oder ein fremder Acker gepflügt wird, weil man die Grenze des eigenen Waldes oder Feldes nicht kennt", erläutert der Feldgeschworene Albin Kiesel.

Im Ballinghain referierte Arnolg Greubel, Reiterswiesens Ortsgeschichtskundiger, über die Entstehung und das Aussehen des heute teilweise verwilderten Parks. So bestand der Park noch in Greubels Jugendzeit aus Wiesen und einzelnen Baumgruppen. Um 1840/50 begann der auch am Gartenbau interessierte Badearzt Franz Anton von Balling mit der Anlage eines großen Parks, der vom Bad Kissinger Bahnhof bis nach Reiterswiesen reichte.

Gegen den Wunsch von Balling

Entgegen Ballings Wunsch verkauften seine Erben 1889 das 24,5 Hektar große Gelände für 18 000 Mark an die Stadt Bad Kissingen. In deren Auftrag entwickelten der in Bad Kissingen wohnhafte königliche Hofgärtner Singer sowie der Oberinspektor des Botanischen Gartens Kolb Änderungsvorschläge. Zur Umsetzung ihrer Pläne wurden Fichten und Buchen aus dem Stadtwald und aus Nüdlingen in den Ballinghain verpflanzt.

Eine eigene Geschichte

Bemerkenswert war auch die Tatsache, dass Reiterswiesen früher bis zur Lindesmühle ging und Teile des Bahnhofes auf dem Gemeindegebiet lagen. Für den Bau des Bahnhofs musste die Gemeinde bereits Gebiet abtreten, ebenso in den 1950er Jahren für das Terrassenfreibad, den Ostring und das St.-Elisabeth-Krankenhaus. So barg jeder Grenzstein und jeder Grenzverlauf eine eigene Geschichte.