Längere Zeit allein im Ausland zu leben, ist für junge Menschen eine Herausforderung. Gibt es Facebook im kommunistischen China? Im Heiligenhof bereiten sich Gleichgesinnte vor.
Theresa aus Hessen hat sich China ausgesucht. Ab Sommer wird das 15-jährige Mädchen für mehrere Monate in der 3,5 Millionen Einwohner Metropole Zhengzhou in China bei einer Gastfamilie leben und dort zur Schule gehen. Für Theresa ist es das erste Mal, dass sie für längere Zeit so weit von ihrer Familie entfernt ist. Sie geht offen und unvoreingenommen an den bevorstehenden Aufenthalt heran. Theresa hat keine genaue Vorstellung davon, wie es in China sein wird.
"Wenn ich ehrlich bin, will ich mich überraschen lassen. Mich interessiert, wie es ist, in einer Diktatur zu leben", sagt sie. Wie ist zum Beispiel ein Leben ohne Facebook, das von der Online-Zensur des Regimes in Peking geblockt wird?
Theresa bereitet sich von Donnerstag bis Sonntag mit 25 Gleichgesinnten in der Bildungsstätte Heiligenhof auf ihr Leben in Übersee vor.
Deutschlandweit schicken sich mehrere hundert Jugendliche dazu an, mit der Austauschorganisation Experiment e.V. die Welt zu entdecken. In 18 Seminaren werden sie derzeit für die Herausforderung fit gemacht.
Europa, Kanada, USA, Südafrika, China, Indien, Australien und Neuseeland. Experiment e.V. bietet in 22 Ländern weltweit Auslandsjahre für Schüler bis 18 Jahre an, hilft den Jugendlichen bei der nötigen Organisation, berät sie und vergibt
Stipendien. "Wir wollen sie gezielt auf ihr Land vorbereiten", erklärt Jonas Binder. Der 22-Jährige ist ein Teamer, also ein ehrenamtlicher Mitarbeiter, der früher selbst an einem Austauschprogramm teilgenommen hat.
Mit seinen eigenen Erfahrungen soll er den Neuen beistehen, Tipps geben, sich mit ihnen über Ängste und Erwartungen unterhalten. "Heute haben wir viel über Kultur und über Stereotype gesprochen", sagt er.
Anne Kantel, ebenfalls eine Teamerin, merkt an: "Es geht darum, dass man sich seiner kulturellen Prägung bewusst wird."
Die Teilnehmer werden auf andere Weltsichten vorbereitet. Sie sollen ihnen offen gegenüberstehen und Fremdes nicht vorverurteilen. "Wir wollen ihnen klarmachen, dass es viele Wertvorstellungen gibt und dass sie auf verschiedene Wertvorstellungen treffen werden", sagt Binder. Später gehen Jonas und Anne gezielt auf Länderkulturen ein.
Jonas berichtet über seinen fünfmonatigen Aufenthalt in Neuseeland. "Ich war alleine bei einer Gastfamilie untergebracht. Das war gut, so habe ich sehr individuelle Erfahrungen gemacht." Anne erzählt von ihrem Jahr in den Vereinigten Staaten. "Das ist sehr prägend. Man teilt sein Leben hinterher in die Zeit vor und nach dem Auslandsaufenthalt auf", meint sie.
Bestimmte Sprachkenntnisse sind nicht erforderlich, um sich zu dem Austauschprogramm anzumelden.
"Das lernen die meisten recht schnell vor Ort", sagt Betreuerin Anne Kantel. Theresa sieht die Herausforderung Chinesisch gelassen, sie lernt die Sprache seit einem Jahr. Mit der Grammatik komme sie gut zurecht, aber: "Ich habe etwas Angst davor, Wörter falsch auszusprechen, weil sie dann eine andere Bedeutung haben." Ansonsten ist sie für Zhengzhou gewappnet.
Experiment e.V.
Die Organisation widmet sich seit 80 Jahren dem Austausch der Kulturen. 2012 reisten 1 893 Teilnehmer ins Ausland und nach Deutschland. Ein Drittel von ihnen erhielten Stipendien zur Unterstützung.
Programm In Bad Kissingen bereiten sich 26 Teilnehmer auf ihre Reise in die Welt vor. Im Sommer werden sie für drei bis zwölf Monate ins Ausland gehen, die Schule besuchen und bei einer Gastfamilie leben.