Der Kabarettist aus der Nürnberger Südstadt verwandelt die Kulturstätte Regentenbau in eine anarchiegeladene Bierhalle.
Ein irres, ein skurriles Erlebnis mit Hardcore-Comedy und einer Sprache, die einem "Ungeübten" das Trommelfell auflöst. Doch wenn man die auf rudimentäre Fetzen reduzierte und instinktgesteuerte Sprache mal beiseiteschiebt, bleiben krasse Sequenzen übrig, die irgendwo im Zwischenhirn stecken: Mit "Bembers" stand am Wochenende die Nürnberger Südstadt auf der Bühne des Kissinger Regentenbaus.
Das Gefühl an etwas teilzuhaben, was einem bisher verschlossen war, beschleicht einem beim Betreten der Kulturhalle Regentenbau. Die bevorzugte Farbe des generationenübergreifenden Publikums ist Schwarz, das Beinkleid ist die Jeans, das spürbare Selbstverständnis ist Anarchie. Im Foyer läuft der Bierkonsum auf Hochtouren, wer nur mit einem Fläschchen in den Großen Saal geht, ist selbst schuld und stört später die Nachbarn, wenn´s um den Nachschub geht.
Das Bier gehört dazu Aber die stört´s eigentlich nicht, denn das Bier gehört bei "Bembers" (Roman Sörgel) dazu und wenn´s nur um den genussvollen Klang beim Anstoßen geht. Böswillig könnte man behaupten: Anhand der verkauften Flaschen Bier lässt sich die Gästezahl von etwa 600 bis 700 Personen errechnen. Im Saal geht´s mit der Dekoration der Bühne weiter: Riesiger schwarzer Vorhang, rote Spots, zwei Ledersessel, Equipment-Koffer als Abstell-Tisch, eine Stehlampe mit Skeletten behangen, ein Kasten Bier.
Das Gefühl, an etwas teilzuhaben, was einem bisher verschlossen war, verstärkt sich und erreicht mit dem Erscheinen von "Bembers" den vorläufigen Höhepunkt: Geschätzte 130 Kilo Lebendgewicht mit Knochen treten auf, der Arm grüßt mit gestreckten Ring- und kleinem Finger, der massige Schädel hinter einer Sonnenbrille und unter einer haarigen Watte versteckt. "Ey horch amol" prangt auf seinem T-Shirt und ist damit ein Synonym für die Wucht seiner Stimme - die Masse tobt.
Verspätung? Wen stört's? Man spürt: Bembers hat Kult-Status und da macht es nichts aus, dass er eine halbe Stunde später als angekündigt auftritt, oder dass man erst nach einer Schnitzeljagd vom Saalbau über den Tattersall zum Regentenbau fand. Ein Mann - zwei Sessel, dieses Problem löst Bembers mit einem willkürlich ausgewählten Assistenten aus dem Publikum. Anfangs war es die blonde Susanne mit den "zwei Argumenten", deren Gesichtsausdruck wie ein Seismograph die Untergrund-Geschichten kommentiert. Nach der Pause ist es ein "Schweinfurter Schnüdel", der mit einer Selbstverständlichkeit im Ledersessel flätzt und sich den Rest des Bierkastens zu Gemüte führt.
Das Gefühl, an etwas teilzuhaben, was einem bisher verschlossen war, schwankt - und zwar zwischen dem wohligem Gefühl, schwarzen Humor auf archaischem Niveau zu erleben, und dem inneren Impuls, der ausufernden Phantasie mit detailgetreuer Schilderung zu entkommen. Zum ersten gehört die Schilderung von den "Halbfertigen", wie er Pubertierende nennt, die er am Geruch der Sexualhormone erkennt, die aus allen Poren dünsten, und die für sein übervolles E-Mail-Postfach verantwortlich sind.
Irrationales Auch seine überzogene Darstellung seines "Reichtums über Nacht" gehört dazu, der ihm den Kauf eines "Löftles" mit 400 Quadratmeter Wohnfläche ermöglicht - mit begehbarem Kühlschrank im hinteren Bereich, den er mit Hilfe eines Snowmobils erkundet. Auch die Promi-Mode einer Tätowierung wird vom Nürnberger Anarcho-Comedian verarscht, wenn er sich seinen Namen auf den Rücken tätowieren lässt und dabei die gesamten Visitenkarten als Abdruck hat - unterbrochen von einem Streitgespräch mit seinem "Internet-Alter-Ego", das über Video-Leinwand eingespielt wird.
Sprachwirrwarr Ähnlich skurril geriet seine Rückkehr vom Anti-Aggressionstraining im Jamaika, wo die "Heilkräuter" seine Gravitation aufgehoben haben, oder seine Partei-Gründung mit Kumpels aus der Kneipe "Burnout". Letzteres als "Face-to-Face"-Kommunikation mit dem Bundeswahlleiter, in der die Missverständlichkeit einer mit Anglizismen durchsetzten Sprache überdeutlich herausgearbeitet wurde: "Wie soll die Partei heißen?" - "Fuck Alter - Namen sind Schall und Rauch!" - "Wie schreibt man Fuck?" - "Was weiß ich - F A G!" - "Was heißt das?" - "Ey Alter horch amol - freie anders denkende Gruppe." - Und mit "Fag Alter" will Bembers die "Nicht-Wähler" mobilisieren, also 21 Millionen Menschen und "dann raucht´s im Bundestag".
Wie gesagt, alles unter dem Aspekt, dass man das Gossenhafte der Sprache beiseite lässt - was aber bei anderen kaum möglich war. So wenn es um "Kreativ-Scheißen" ging, das bei Flachspülern sehr gut, bei Tiefspülern gar nicht möglich ist, oder die Geschichte der Penis-Verlängerung oder das detailgetreu beschriebene Genital-Piercing - ein "Halloween-Zipfel", den er in der Sauna beim Nachbarn bewundert hat. Wie gesagt, die Sprache macht den Unterschied und die war für "normale Ohren" manchmal unterirdisch, so dass sich einige Gäste zur Pause verabschiedeten. Der Rest huldigte dem Kult-Status des Nürnberger Comedy-Stars - vielleicht auch nur mit Hilfe von einigen Flaschen Bier, wenn man einige unmotivierte Lacher so diagnostizieren möchte.