Würde sich ein Rudel Wölfe in der Region besonders wohlfühlen, wenn die Rhön zu Bayerns drittem Nationalpark werden würde?
Harald Müllers Tiere sorgen dafür, dass die freien Flächen in der Rhön frei bleiben. Seine Schafe besorgen das, was keine Maschine schafft. "Wenn wir die Landschaft nicht sauber halten, hat ein Tourist nichts mehr zu sehen", sagt der Schäfer aus Aura. Eine Sorge bleibt: Harald Müller rechnet jeden Tag mit dem Wolf. Schon seit zwei Jahren, sagt er. Wenn er seine Tiere am Abend alleine auf der Weide zurücklässt, macht er sich Gedanken. Werden am Morgen noch alle da sein? Dass die Gegend noch einladender für einen Wolf wird, sich hier niederzulassen, wenn die Rhön Nationalpark wird, glaubt er aber nicht.
Der Schäfer lächelt wahrscheinlich aus so manchem Familienalbum. Wenn Harald Müller seine Tiere unterhalb des Kreuzbergs hütet, drücken Ausflügler oft auf den Auslöser. Er ist eine Rarität und eine kleine Attraktion, ein beliebtes Fotomotiv für die Touristen, die auf den Wanderwegen rund um die Weideflächen seiner Schafe unterwegs sind. Ein Nationalpark Rhön? Harald Müller ist nicht dafür und nicht dagegen.
"Ich bin zwiegespalten", sagt er. Der Schäfer fragt sich aber, ob er wohl weiterhin seine Tiere über die Wege treiben darf. Und was wird aus den Mähweiden, die an die geplanten Nationalpark-Flächen angrenzen? "Für den Winter sind wir angewiesen auf das Futter."
Pro oder contra?
Rolf Herdt sitzt im Beirat des Vereins "Unsere Rhön - gemeinsam stark", der sich vor einigen Wochen vor dem Hintergrund der Nationalpark-Debatte gegründet hatte. Als Gegner will sich der Schafhalter aus Römershag nicht bezeichnen. "Es fehlt die Grundlage, um sich zu positionieren." Sorgen macht er sich trotzdem.
"Als Schäfer ist ein Nationalpark nicht unbedingt das, was man will", sagt Rolf Herdt. Der 53-Jährige erzählt von dem Wolfsrudel im Bayerischen Wald. Im letzten Monat sind dort drei Wolfswelpen zur Welt gekommen. Die ersten in Bayern seit 150 Jahren. Für Rolf Herdt der Beweis: Offenbar begünstige ein Nationalpark, dass sich ein Wolf wohlfühlt und sich dort niederlässt, meint er.
Oswald Türbl vom Kissinger Bund Naturschutz hält dagegen: "Der Wolf weiß ja nicht, wo die Nationalpark-Schilder stehen. Wegen eines Nationalparks kommt der Wolf bestimmt nicht." Der Wolf halte sich an keine Grenzen. "Wir haben keinen Einfluss darauf, wann er kommt. Wenn er kommt, ist er da."
Joachim Urban sagt: "Biosphärenreservat oder Nationalpark - ein Wolf richtet sich nicht nach Schutzgebieten. Ob er kommt, hängt mit eine Nationalpark nicht zusammen." Joachim Urban ist Förster und Mitglied im "Netzwerk große Beutegreifer" des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (Lfu). Zusammen mit 150 anderen Förstern, Landwirten, Jägern und Naturschützer ist er im Freistaat organisiert. Sie werden gerufen, wenn eine Herde angefallen wurde oder es um Förderungen für Schutzmaßnahmen geht. Schafhalter Rolf Herdt fühlt sich als Schafhalter nicht genug ernst genommen.
Klare Regeln
"Die Politik ist sich uneinig. Es gibt keine Richtlinien." Was er sich wünscht? Klar formulierte Ausgleichszahlungen und eine unbürokratische Anerkennung eines Wolfsrisses, meint er. Der Wildtiermanagement-Plan habe sicherlich Luft nach oben, meint Oswald Türbl vom Bund Naturschutz. "Ich habe nicht das Gefühl, dass das ausreicht. Es muss genau geregelt sein." Solange es das nicht ist, rechnet er mit Ärger: "Wenn die Entschädigungen nicht organisiert sind, gibt es Unmut, und aus Unmut entstehen radikale Forderungen." Bund und Länder wissen um die Kontroverse. Für ein "möglichst konfliktarmes Nebeneinander" richtet der Bund gerade außerdem eine Beratungsstelle für Tierhalter ein, heißt es.
Rudel in der Rhön?
"Wölfe verhalten sich unheimlich heimlich", sagt Joachim Urban. "Sie können jederzeit auftauchen und wieder verschwinden - und keiner merkt´s." Ein Rudel dockt an ein Mutterrevier an und beansprucht 40 000 bis 250 000 Hektar, erklärt er. Ein möglicher Nationalpark in der Rhön wäre 10 000 Hektar groß. Wann es sich das erste Rudel in der Rhön gemütlich macht? "Das kann man nicht sagen. Wir sind noch etwas davon entfernt. Aber der Wolf kommt früher, als viele erwarten würden." Schäfer Rolf Herdt will vorbereitet sein, wenn es soweit ist.
Schäfer testet Schutzzäune
Herdenschutzhunde, Esel, Lamas, Alpakas, Behirtung - das Lfu listet verschiedenste Schutzansätze. Ein weiterer: spezielle Schutzzäune. Rolf Herdt testet seit einigen Jahren, welcher der beste sein könnte. Der Schafhalter ist Realist, aber hofft gleichzeitig: "Jeder Schäfer weiß, dass der Wolf nicht aufzuhalten ist. Aber vielleicht haben wir Glück, und es gefällt ihm hier nicht."
"Nationalpark oder nicht - wenn, dann kommt der Wolf so oder so", sagt sein Schäfer-Kollege Harald Müller aus Aura. Aufhören würde er deswegen nie, sagt er. "Es gibt mit Sicherheit Möglichkeiten, mit dem Wolf zu leben."